Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.Mein Volk mag wählen; Zwar meint sie, als sie darauf allein ist -- und diese Stelle hat O, der ist noch nicht König, der der Welt Allein der Dichter will sie durch diese Worte nur ihren zur Will¬ Hier ist nicht Zeit zu weiblichem Erbarmen, Aber der Dichter spricht auch selbst seine Meinung mehr als "Eine allgemeine Reichsversammlung erlaubte sich zum Vortheil Die größere Ruhe, welche die Jahre bringen, bittere Erfahrun¬ 50
Mein Volk mag wählen; Zwar meint sie, als sie darauf allein ist — und diese Stelle hat O, der ist noch nicht König, der der Welt Allein der Dichter will sie durch diese Worte nur ihren zur Will¬ Hier ist nicht Zeit zu weiblichem Erbarmen, Aber der Dichter spricht auch selbst seine Meinung mehr als „Eine allgemeine Reichsversammlung erlaubte sich zum Vortheil Die größere Ruhe, welche die Jahre bringen, bittere Erfahrun¬ 50
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181583"/> <quote> Mein Volk mag wählen;<lb/> Ich geb' ihm seine Majestät zurück.<lb/> Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht für mich,<lb/> Nur für das Beste meines Volks gelebt.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1123" prev="#ID_1122" next="#ID_1124"> Zwar meint sie, als sie darauf allein ist — und diese Stelle hat<lb/> Herr Lange für seine Schüler weislich ausgehoben —:</p><lb/> <quote> O, der ist noch nicht König, der der Welt<lb/> Gefallen muß! Nur der ist's, der bei seinem Thun<lb/> Nach keines Menschen Beifall hat zu fragen.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1124" prev="#ID_1123"> Allein der Dichter will sie durch diese Worte nur ihren zur Will¬<lb/> kür hinneigenden Sinn ausdrücken lassen. Kurz vorher hat<lb/> ihr staatskluger Rath Burleigh die Ermahnung an sie gerichtet:</p><lb/> <quote> Hier ist nicht Zeit zu weiblichem Erbarmen,<lb/> Des Volkes Wohlfahrt ist die höchste Pflicht.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1125"> Aber der Dichter spricht auch selbst seine Meinung mehr als<lb/> einmal unmittelbar aus. So begleitet er z. B. in seiner Geschichte<lb/> des dreißigjährigen Krieges (Leipzig, Göschen. 1802. 8.1.209.210.)<lb/> die schwedische Thronumwälzung mit folgenden Betrachtungen:</p><lb/> <quote> „Eine allgemeine Reichsversammlung erlaubte sich zum Vortheil<lb/> deS Reichsverwesers von dem Rechte der Erstgeburt abzuweichen. —<lb/> Aber wenn die Verbindlichkeit zwischen König und Volk gegenseitig<lb/> ist, wenn sich Staaten nicht wie eine todte Waare von einer Hand<lb/> zur andern forterben, so muß es einer ganzen, einstimmig handeln¬<lb/> den Nation erlaubt sein, einem eidbrüchigen Beherrscher ihre Pflicht<lb/> aufzukündigen und seinen Platz durch einen Würdigern zu<lb/> besetzen."</quote><lb/> <p xml:id="ID_1126" next="#ID_1127"> Die größere Ruhe, welche die Jahre bringen, bittere Erfahrun¬<lb/> gen mannichfacher Art, der Eindruck, welchen die französische Revo¬<lb/> lution aus ihn machte, in der er, von falschen Berichten getäuscht,<lb/> ein Werk blinder Wuth bedauerte, die Verbindung mit einem adli¬<lb/> gen Fräulein, welches von Adelsmanieren nicht ganz frei war, der<lb/> erkältende Einfluß Göthe's endlich, Alles dieses vereint wirkte zur<lb/> Herabstimmung seines leidenschaftlichen Eifers. Aber treu blieb er<lb/> sich. Der alten engen Ordnungen beredte Vertheidigung legt er —<lb/> in Ottavio's Mund, aber in Wallenstein's Selbstgespräch die ge-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 50</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0399]
Mein Volk mag wählen;
Ich geb' ihm seine Majestät zurück.
Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht für mich,
Nur für das Beste meines Volks gelebt.
Zwar meint sie, als sie darauf allein ist — und diese Stelle hat
Herr Lange für seine Schüler weislich ausgehoben —:
O, der ist noch nicht König, der der Welt
Gefallen muß! Nur der ist's, der bei seinem Thun
Nach keines Menschen Beifall hat zu fragen.
Allein der Dichter will sie durch diese Worte nur ihren zur Will¬
kür hinneigenden Sinn ausdrücken lassen. Kurz vorher hat
ihr staatskluger Rath Burleigh die Ermahnung an sie gerichtet:
Hier ist nicht Zeit zu weiblichem Erbarmen,
Des Volkes Wohlfahrt ist die höchste Pflicht.
Aber der Dichter spricht auch selbst seine Meinung mehr als
einmal unmittelbar aus. So begleitet er z. B. in seiner Geschichte
des dreißigjährigen Krieges (Leipzig, Göschen. 1802. 8.1.209.210.)
die schwedische Thronumwälzung mit folgenden Betrachtungen:
„Eine allgemeine Reichsversammlung erlaubte sich zum Vortheil
deS Reichsverwesers von dem Rechte der Erstgeburt abzuweichen. —
Aber wenn die Verbindlichkeit zwischen König und Volk gegenseitig
ist, wenn sich Staaten nicht wie eine todte Waare von einer Hand
zur andern forterben, so muß es einer ganzen, einstimmig handeln¬
den Nation erlaubt sein, einem eidbrüchigen Beherrscher ihre Pflicht
aufzukündigen und seinen Platz durch einen Würdigern zu
besetzen."
Die größere Ruhe, welche die Jahre bringen, bittere Erfahrun¬
gen mannichfacher Art, der Eindruck, welchen die französische Revo¬
lution aus ihn machte, in der er, von falschen Berichten getäuscht,
ein Werk blinder Wuth bedauerte, die Verbindung mit einem adli¬
gen Fräulein, welches von Adelsmanieren nicht ganz frei war, der
erkältende Einfluß Göthe's endlich, Alles dieses vereint wirkte zur
Herabstimmung seines leidenschaftlichen Eifers. Aber treu blieb er
sich. Der alten engen Ordnungen beredte Vertheidigung legt er —
in Ottavio's Mund, aber in Wallenstein's Selbstgespräch die ge-
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