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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Dichter auf Kosten des andern herabzusetzen und daß man sich viel¬
mehr freuen möge, daß unser Deutschland zwei so große Dichter
neben einander habe.

Leicht ließen sich zahlreiche Belege zur Unterstützung der in der
diesjährigen Festrede ausgesprochenen Ansicht beibringen, leicht so
mancher dunkle Satz in Schiller's Schriften aus ihr erklären, uns
verbieten hier Raum und Zeit, mehr als ein Paar flüchtige Zusätze
zu liefern. Der Mensch, wurde gesagt, wird durch seine Entwicke¬
lung zu dem, waS er in seiner Anlage schon war. Daher liebt er
auch nur, was er schon hat.


"Denn nur das reiche Gemüth liebt, das arme begehrt."

Das Glück, wurde weiter gesagt, huste mit dem Schlechten. Das
begründet der Dichter in einer sehr schönen Stelle, (Wallenstein zu
Mar Piccolomini):

Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht
Dem gute". Was die Göttlichen uns senden
Von oben, sind nur allgemeine Güter.
Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich,
In ihrem Staat erringt sich kein Besitz.
Den Edelstein, das allgeschätzte Gold,
Muß man den falschen Mächten abgewinne",
Die unter'in Tage schlimmgeartet Hausen.
Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt
Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst
Die Seele hätte rein zurückgezogen.

Aber Schiller's politische Ansicht? Nun, wir müssen schon von
ihr handeln, denn Leute, die, wofern sie seine Schriften lesen, sie nicht
verstehen, haben laut geurtheilt, daß die politischen Sympathien, die
beim Schillerseste hin und wieder durchgeschimmert hätten, dem ge¬
feierten Dichter ganz fremd und daß Anklänge des Liberalismus, als
die reine Würde der Feier störend, ganz zu verbannen gewesen seien.
Diese Leute scheinen sich auf das erste Geschichtswerk Schiller's gar
nicht besinnen zu können. ;

Schiller war ein Verehrer Rousseau's, ein Feind des Despotis¬
mus und des Pfaffenthums, und das mit der Heftigkeit und Stärke
seiner Natur. Da er sich zu der Lehre von der Volkssouveränetät be¬
kannte, läßt er z. B. seine Elisabeth sagen:


Dichter auf Kosten des andern herabzusetzen und daß man sich viel¬
mehr freuen möge, daß unser Deutschland zwei so große Dichter
neben einander habe.

Leicht ließen sich zahlreiche Belege zur Unterstützung der in der
diesjährigen Festrede ausgesprochenen Ansicht beibringen, leicht so
mancher dunkle Satz in Schiller's Schriften aus ihr erklären, uns
verbieten hier Raum und Zeit, mehr als ein Paar flüchtige Zusätze
zu liefern. Der Mensch, wurde gesagt, wird durch seine Entwicke¬
lung zu dem, waS er in seiner Anlage schon war. Daher liebt er
auch nur, was er schon hat.


„Denn nur das reiche Gemüth liebt, das arme begehrt."

Das Glück, wurde weiter gesagt, huste mit dem Schlechten. Das
begründet der Dichter in einer sehr schönen Stelle, (Wallenstein zu
Mar Piccolomini):

Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht
Dem gute». Was die Göttlichen uns senden
Von oben, sind nur allgemeine Güter.
Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich,
In ihrem Staat erringt sich kein Besitz.
Den Edelstein, das allgeschätzte Gold,
Muß man den falschen Mächten abgewinne»,
Die unter'in Tage schlimmgeartet Hausen.
Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt
Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst
Die Seele hätte rein zurückgezogen.

Aber Schiller's politische Ansicht? Nun, wir müssen schon von
ihr handeln, denn Leute, die, wofern sie seine Schriften lesen, sie nicht
verstehen, haben laut geurtheilt, daß die politischen Sympathien, die
beim Schillerseste hin und wieder durchgeschimmert hätten, dem ge¬
feierten Dichter ganz fremd und daß Anklänge des Liberalismus, als
die reine Würde der Feier störend, ganz zu verbannen gewesen seien.
Diese Leute scheinen sich auf das erste Geschichtswerk Schiller's gar
nicht besinnen zu können. ;

Schiller war ein Verehrer Rousseau's, ein Feind des Despotis¬
mus und des Pfaffenthums, und das mit der Heftigkeit und Stärke
seiner Natur. Da er sich zu der Lehre von der Volkssouveränetät be¬
kannte, läßt er z. B. seine Elisabeth sagen:


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[0398] Dichter auf Kosten des andern herabzusetzen und daß man sich viel¬ mehr freuen möge, daß unser Deutschland zwei so große Dichter neben einander habe. Leicht ließen sich zahlreiche Belege zur Unterstützung der in der diesjährigen Festrede ausgesprochenen Ansicht beibringen, leicht so mancher dunkle Satz in Schiller's Schriften aus ihr erklären, uns verbieten hier Raum und Zeit, mehr als ein Paar flüchtige Zusätze zu liefern. Der Mensch, wurde gesagt, wird durch seine Entwicke¬ lung zu dem, waS er in seiner Anlage schon war. Daher liebt er auch nur, was er schon hat. „Denn nur das reiche Gemüth liebt, das arme begehrt." Das Glück, wurde weiter gesagt, huste mit dem Schlechten. Das begründet der Dichter in einer sehr schönen Stelle, (Wallenstein zu Mar Piccolomini): Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht Dem gute». Was die Göttlichen uns senden Von oben, sind nur allgemeine Güter. Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich, In ihrem Staat erringt sich kein Besitz. Den Edelstein, das allgeschätzte Gold, Muß man den falschen Mächten abgewinne», Die unter'in Tage schlimmgeartet Hausen. Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst Die Seele hätte rein zurückgezogen. Aber Schiller's politische Ansicht? Nun, wir müssen schon von ihr handeln, denn Leute, die, wofern sie seine Schriften lesen, sie nicht verstehen, haben laut geurtheilt, daß die politischen Sympathien, die beim Schillerseste hin und wieder durchgeschimmert hätten, dem ge¬ feierten Dichter ganz fremd und daß Anklänge des Liberalismus, als die reine Würde der Feier störend, ganz zu verbannen gewesen seien. Diese Leute scheinen sich auf das erste Geschichtswerk Schiller's gar nicht besinnen zu können. ; Schiller war ein Verehrer Rousseau's, ein Feind des Despotis¬ mus und des Pfaffenthums, und das mit der Heftigkeit und Stärke seiner Natur. Da er sich zu der Lehre von der Volkssouveränetät be¬ kannte, läßt er z. B. seine Elisabeth sagen:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/398>, abgerufen am 28.07.2024.