Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.Während die Meisten, von den, Gewirre der Dinge bestrickt, im Den lauten Markt mag Momus unterhalten, Mit der Weihe des Ernstes pflegte er die Dichtkunst nicht als Zwei getrennte Wege haben die tiefsten Denker eingeschlagen, Während die Meisten, von den, Gewirre der Dinge bestrickt, im Den lauten Markt mag Momus unterhalten, Mit der Weihe des Ernstes pflegte er die Dichtkunst nicht als Zwei getrennte Wege haben die tiefsten Denker eingeschlagen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181574"/> <p xml:id="ID_1088"> Während die Meisten, von den, Gewirre der Dinge bestrickt, im<lb/> menschlichen Dasein nur die Gelegenheit zur Kurzweil erblicken, mi¬<lb/> schen Andere selbst in die Trunkenheit der Freude das Gewicht ihres<lb/> gehobenen Sinnes. Ein solcher Pathos war Schiller'6 Grundstim¬<lb/> mung, in dem er den entschiedenen Ausspruch that:</p><lb/> <quote> Den lauten Markt mag Momus unterhalten,<lb/> Ein edler Sinn liebt edlere Gestalten.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1089"> Mit der Weihe des Ernstes pflegte er die Dichtkunst nicht als<lb/> ein lustiges Getändel mit Versen, sondern als die Trägerin einer<lb/> unermeßlichen Wirksamkeit. Mit dieser Weihe sprach er das inhalt¬<lb/> schwere Wort aus, daß die Schaubühne kein ästhetisches Spiel,<lb/> sondern eine moralische Anstalt sei, der dritte Sprechstuhl zum<lb/> Volke neben Katheder und Kanzel, die laute Verkündigerin der ech¬<lb/> ten, unentweihten Menschennamr, des Rechtes und der Wahrheit.<lb/> So goß er denn in seine Bildungen die ganze Gluth seiner Streb¬<lb/> kraft, so strömte in sie sein heiliger Eifer, den thörichten Sinn der<lb/> Menschen zu wandeln und eine bessere Zukunft zu schaffen. So sind<lb/> es denn edle Ansichten, Grundsähe, Neigungen, die in allen seinen<lb/> dramatischen Dichtungen durchbrechen, ja so entstanden seine schön¬<lb/> sten erzählenden Gedichte aus seinen erhabenen Ideen. Aber so<lb/> außerordentlich ist die Gewalt seines dichterischen Genius, daß wir,<lb/> ihrer stillen Wirkung hingegeben, nur ihre Schönheit empfinden.<lb/> Denn kein zweiter Dichter hat mit gleichem Glück die tiefsten Gedan¬<lb/> ken in ein sinnliches Gewand von so blendender Farbenpracht gehüllt,<lb/> keiner wie er, das Ruhende, Feste gewandelt in den Fluß der Be¬<lb/> wegung, des Handelns. Wir folgen dem kühnen Fluge seiner Ge¬<lb/> danken, wie von einem tosenden Bergströme fortgerissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1090" next="#ID_1091"> Zwei getrennte Wege haben die tiefsten Denker eingeschlagen,<lb/> die dunkle Schrift, die uns beschäftigt, zu entziffern. Die Einen ver¬<lb/> senkten sich in die Betrachtung der Natur, die Andern, von der Hohl¬<lb/> heit des Aeußeren durchdrungen, in ihre eigene Brust. Schiller<lb/> wandelte auf diesem letzteren, steileren Pfade und liebte es, sich als<lb/> den Propheten jener höheren geistigen Macht zu bezeichnen, die hin¬<lb/> ter allen Erscheinungen ihnen zu Grunde liegt und ihnen erst Sinn<lb/> und Bedeutung verleiht. Mächtig tönt wohl das Weltliche, aber<lb/> wie ein Klang verhallt es. Nur als ein schweres Traumbild fühlte<lb/> unser Dichter das Erdenleben. „Werfet von Euch die Angst deö</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
Während die Meisten, von den, Gewirre der Dinge bestrickt, im
menschlichen Dasein nur die Gelegenheit zur Kurzweil erblicken, mi¬
schen Andere selbst in die Trunkenheit der Freude das Gewicht ihres
gehobenen Sinnes. Ein solcher Pathos war Schiller'6 Grundstim¬
mung, in dem er den entschiedenen Ausspruch that:
Den lauten Markt mag Momus unterhalten,
Ein edler Sinn liebt edlere Gestalten.
Mit der Weihe des Ernstes pflegte er die Dichtkunst nicht als
ein lustiges Getändel mit Versen, sondern als die Trägerin einer
unermeßlichen Wirksamkeit. Mit dieser Weihe sprach er das inhalt¬
schwere Wort aus, daß die Schaubühne kein ästhetisches Spiel,
sondern eine moralische Anstalt sei, der dritte Sprechstuhl zum
Volke neben Katheder und Kanzel, die laute Verkündigerin der ech¬
ten, unentweihten Menschennamr, des Rechtes und der Wahrheit.
So goß er denn in seine Bildungen die ganze Gluth seiner Streb¬
kraft, so strömte in sie sein heiliger Eifer, den thörichten Sinn der
Menschen zu wandeln und eine bessere Zukunft zu schaffen. So sind
es denn edle Ansichten, Grundsähe, Neigungen, die in allen seinen
dramatischen Dichtungen durchbrechen, ja so entstanden seine schön¬
sten erzählenden Gedichte aus seinen erhabenen Ideen. Aber so
außerordentlich ist die Gewalt seines dichterischen Genius, daß wir,
ihrer stillen Wirkung hingegeben, nur ihre Schönheit empfinden.
Denn kein zweiter Dichter hat mit gleichem Glück die tiefsten Gedan¬
ken in ein sinnliches Gewand von so blendender Farbenpracht gehüllt,
keiner wie er, das Ruhende, Feste gewandelt in den Fluß der Be¬
wegung, des Handelns. Wir folgen dem kühnen Fluge seiner Ge¬
danken, wie von einem tosenden Bergströme fortgerissen.
Zwei getrennte Wege haben die tiefsten Denker eingeschlagen,
die dunkle Schrift, die uns beschäftigt, zu entziffern. Die Einen ver¬
senkten sich in die Betrachtung der Natur, die Andern, von der Hohl¬
heit des Aeußeren durchdrungen, in ihre eigene Brust. Schiller
wandelte auf diesem letzteren, steileren Pfade und liebte es, sich als
den Propheten jener höheren geistigen Macht zu bezeichnen, die hin¬
ter allen Erscheinungen ihnen zu Grunde liegt und ihnen erst Sinn
und Bedeutung verleiht. Mächtig tönt wohl das Weltliche, aber
wie ein Klang verhallt es. Nur als ein schweres Traumbild fühlte
unser Dichter das Erdenleben. „Werfet von Euch die Angst deö
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