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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Wiedertäufer in Münster. Die Gruppirung ist nicht geord¬
net genug, das Ganze unschön und dabei nichtssagend. Recht hüb¬
sche Anlage für das historische Bild zeigt Moritz Vererbt in sei¬
nem Huß im Kerker, welcher einen Tag vor seiner Ver¬
brennung noch einmal vom Concil zum Widerruf auf¬
gefordert wird. Die Anordnung ist ruhig und verständig und
eine klare, saftige Farbe verfehlt nicht, einen gewissen angenehmen
Eindruck zu machen. I. P. Kiederich in Düsseldorf:
Kaiser Friedrich II. und sein Kanzler Peter von Vinca.
Auch ein Stoff, dessen vollkommene Erledigung für die Malerei un¬
möglich ist. Ebenfalls von untergeordnetem Werthe ist ein Bild von
Raterborn: Karl V. am Grabsteine Luther's in der
Schloßkirche zu Wittenberg. Alb" fordert den Kaiser auf,
die Gebeine des Ketzers hinauswerfen zu lassen, worauf ihm Karl
erwiedert: Ich führe nicht Krieg mit den Todten, sondern mit den
Lebendigen. Lucas Cranach und Bugenbagen erwarten ängstlich den
Ausspruch des Kaisers. Diese Erwartung ist ganz hübsch gemalt,
aber die Antwort des Kaisers müssen wir aus unsern geschichtlichen
Erinnerungen hervorsuchen.

A. Siegert in Düsseldorf gibt zwei historische Bilder. Das
Erste: Churfürst Joachim I. von Brandenburg läßt einem
Kaufmann, der einen Raubritter, welcher ihn geplündert,
an seinem Hofe wiedererkennt, Gerechtigkeit widerfahren.
Die Benennung des Bildes ist falsch. Wir sehen nicht, daß der
Kaufmann Gerechtigkeit erhalt, sondern nur, daß er den Ritter an¬
klagt, und höchstens die Augen des erzürnten Churfürsten sagen uns,
daß es nicht mit der Klage zu Ende sein wird. Das Zweite ist:
Luther's Eintritt in die Wormser Versammlung. Zu
den fast ganz verfehlten "historischen" Bildern gehört eines von
Clara Oenicke: Der Moment, wie dem Churfürsten Johann
Friedrich von Sachsen, welcher mit seinem Mitgefangenen, dem Her¬
zog Ernst von Braunschweig, bei einer Partie Schach sitzt, sein To¬
desurtheil vorgelesen wird, Der Churfürst würde nicht gleichgiltiger
aussehen, wenn man ihm die Nachricht brächte, daß sein Lieblings¬
hund sich den Hals gebrochen habe. -- In ganz dieselbe Classe ge¬
hört ein Bild von H. v. Reichenbach: Erzbischof Hanno
von Cöln entführt den zwölfjährigen deutschen Kaiser


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Wiedertäufer in Münster. Die Gruppirung ist nicht geord¬
net genug, das Ganze unschön und dabei nichtssagend. Recht hüb¬
sche Anlage für das historische Bild zeigt Moritz Vererbt in sei¬
nem Huß im Kerker, welcher einen Tag vor seiner Ver¬
brennung noch einmal vom Concil zum Widerruf auf¬
gefordert wird. Die Anordnung ist ruhig und verständig und
eine klare, saftige Farbe verfehlt nicht, einen gewissen angenehmen
Eindruck zu machen. I. P. Kiederich in Düsseldorf:
Kaiser Friedrich II. und sein Kanzler Peter von Vinca.
Auch ein Stoff, dessen vollkommene Erledigung für die Malerei un¬
möglich ist. Ebenfalls von untergeordnetem Werthe ist ein Bild von
Raterborn: Karl V. am Grabsteine Luther's in der
Schloßkirche zu Wittenberg. Alb« fordert den Kaiser auf,
die Gebeine des Ketzers hinauswerfen zu lassen, worauf ihm Karl
erwiedert: Ich führe nicht Krieg mit den Todten, sondern mit den
Lebendigen. Lucas Cranach und Bugenbagen erwarten ängstlich den
Ausspruch des Kaisers. Diese Erwartung ist ganz hübsch gemalt,
aber die Antwort des Kaisers müssen wir aus unsern geschichtlichen
Erinnerungen hervorsuchen.

A. Siegert in Düsseldorf gibt zwei historische Bilder. Das
Erste: Churfürst Joachim I. von Brandenburg läßt einem
Kaufmann, der einen Raubritter, welcher ihn geplündert,
an seinem Hofe wiedererkennt, Gerechtigkeit widerfahren.
Die Benennung des Bildes ist falsch. Wir sehen nicht, daß der
Kaufmann Gerechtigkeit erhalt, sondern nur, daß er den Ritter an¬
klagt, und höchstens die Augen des erzürnten Churfürsten sagen uns,
daß es nicht mit der Klage zu Ende sein wird. Das Zweite ist:
Luther's Eintritt in die Wormser Versammlung. Zu
den fast ganz verfehlten „historischen" Bildern gehört eines von
Clara Oenicke: Der Moment, wie dem Churfürsten Johann
Friedrich von Sachsen, welcher mit seinem Mitgefangenen, dem Her¬
zog Ernst von Braunschweig, bei einer Partie Schach sitzt, sein To¬
desurtheil vorgelesen wird, Der Churfürst würde nicht gleichgiltiger
aussehen, wenn man ihm die Nachricht brächte, daß sein Lieblings¬
hund sich den Hals gebrochen habe. — In ganz dieselbe Classe ge¬
hört ein Bild von H. v. Reichenbach: Erzbischof Hanno
von Cöln entführt den zwölfjährigen deutschen Kaiser


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[0359] Wiedertäufer in Münster. Die Gruppirung ist nicht geord¬ net genug, das Ganze unschön und dabei nichtssagend. Recht hüb¬ sche Anlage für das historische Bild zeigt Moritz Vererbt in sei¬ nem Huß im Kerker, welcher einen Tag vor seiner Ver¬ brennung noch einmal vom Concil zum Widerruf auf¬ gefordert wird. Die Anordnung ist ruhig und verständig und eine klare, saftige Farbe verfehlt nicht, einen gewissen angenehmen Eindruck zu machen. I. P. Kiederich in Düsseldorf: Kaiser Friedrich II. und sein Kanzler Peter von Vinca. Auch ein Stoff, dessen vollkommene Erledigung für die Malerei un¬ möglich ist. Ebenfalls von untergeordnetem Werthe ist ein Bild von Raterborn: Karl V. am Grabsteine Luther's in der Schloßkirche zu Wittenberg. Alb« fordert den Kaiser auf, die Gebeine des Ketzers hinauswerfen zu lassen, worauf ihm Karl erwiedert: Ich führe nicht Krieg mit den Todten, sondern mit den Lebendigen. Lucas Cranach und Bugenbagen erwarten ängstlich den Ausspruch des Kaisers. Diese Erwartung ist ganz hübsch gemalt, aber die Antwort des Kaisers müssen wir aus unsern geschichtlichen Erinnerungen hervorsuchen. A. Siegert in Düsseldorf gibt zwei historische Bilder. Das Erste: Churfürst Joachim I. von Brandenburg läßt einem Kaufmann, der einen Raubritter, welcher ihn geplündert, an seinem Hofe wiedererkennt, Gerechtigkeit widerfahren. Die Benennung des Bildes ist falsch. Wir sehen nicht, daß der Kaufmann Gerechtigkeit erhalt, sondern nur, daß er den Ritter an¬ klagt, und höchstens die Augen des erzürnten Churfürsten sagen uns, daß es nicht mit der Klage zu Ende sein wird. Das Zweite ist: Luther's Eintritt in die Wormser Versammlung. Zu den fast ganz verfehlten „historischen" Bildern gehört eines von Clara Oenicke: Der Moment, wie dem Churfürsten Johann Friedrich von Sachsen, welcher mit seinem Mitgefangenen, dem Her¬ zog Ernst von Braunschweig, bei einer Partie Schach sitzt, sein To¬ desurtheil vorgelesen wird, Der Churfürst würde nicht gleichgiltiger aussehen, wenn man ihm die Nachricht brächte, daß sein Lieblings¬ hund sich den Hals gebrochen habe. — In ganz dieselbe Classe ge¬ hört ein Bild von H. v. Reichenbach: Erzbischof Hanno von Cöln entführt den zwölfjährigen deutschen Kaiser 4 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/359>, abgerufen am 28.07.2024.