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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ger, welcher auf einem prächtigen Schimmel vor ihnen anhält. Der
Mittelpunkt des Bildes, wo eben diese Handlung vor sich geht, ist
vortrefflich gruppirt. Die trotzigen Gestalten zur Rechten in Beglei¬
tung des jungen Herzogs sind so schön, wie die demüthigen zur
Linken, unter denen sich ein schwärmerisch schöner Jüngling auszeich¬
net, der wohl im Schmerz um die erlittene Niederlage bewegt zum
Fimmel blickt. Das Alles ist gut und schön, aber im Hintergrund
ist Vieles, waS, wenn nicht unverständlich, doch unschön ist. Der
Himmel und die Baulichkeiten der Stadt sind unharmonisch hart, die
Bewegung der entfernter stehenden Gruppen ist zwar durch die be¬
endigte Belagerung motivirt, aber nicht genug untergeordnet. Ein
festes Urtheil über die Gesammtwirkung des Bildes zu geben, ist
schwer. Einmal, weil es mit Recht unfertig genannt wird, dann,
weil dem Bilde der Firniß fehlt, der die eingeschlagenen Stellen zu
ihrer richtigen Erkennung und Wirkung herausbringen muß und zu¬
letzt, weil das Bild vor allen anderen am ungünstigsten placirt ist.
Das Urtheil läßt sich jedoch dahin feststellen, daß der Künstler, der
sich im Kataloge einen Schüler Paul Delaroche'ö in Paris nennt,
mit vielem Talente für die verständige Darstellung eines historischen
Gegenstandes begabt ist, daß es ihm gelang, das richtige Maß in
der Behandlung für so große Dimensionen zu treffen, und daß diese
Behandlung gleich der Zeichnung einen kecken, frischen Geist ath¬
met. -- Das in seinem Aeußeren vollendetste der bis jetzt ausgestell¬
ten Bilder ist ohne Frage Professor Kolbe's: Ezzelino ti
Romano (der Mönch) Podesta von Padua und Verona
und Vater des Tyrannen Ezzelin von Padua. Das Bild
ist in sich so zur Ruhe gekommen, so vollendet in der äußeren Form,
so schön in der Farbe und Zeichnung, daß man ohne weitere Hin¬
dernisse und ohne Störung auf seinen Inhalt eingehen kann, der
freilich nicht ganz in dem Maße befriedigt. Die Hand auf sein
Schwert gestützt, erzählt Ezzelin den vor ihm liegenden und stehenden
Mönchen und dem Prior des Klosters von den Schlachten und Tha¬
ten seines sturmbewegten Lebens. Hier wäre noch Manches zu wün¬
schen. Vor Allem sällt die Haltung des Erzählers in die Augen,
sie erscheint zu theatralisch. Diese zur Bekräftigung seiner Worte aus¬
gestreckte Rechte bringt uns in Versuchung, zu glauben, daß der bleiche
Mann mit den dunklen Augen die vor ihm Stehenden verflucht.


Grenibote" I84i. II. Hz

ger, welcher auf einem prächtigen Schimmel vor ihnen anhält. Der
Mittelpunkt des Bildes, wo eben diese Handlung vor sich geht, ist
vortrefflich gruppirt. Die trotzigen Gestalten zur Rechten in Beglei¬
tung des jungen Herzogs sind so schön, wie die demüthigen zur
Linken, unter denen sich ein schwärmerisch schöner Jüngling auszeich¬
net, der wohl im Schmerz um die erlittene Niederlage bewegt zum
Fimmel blickt. Das Alles ist gut und schön, aber im Hintergrund
ist Vieles, waS, wenn nicht unverständlich, doch unschön ist. Der
Himmel und die Baulichkeiten der Stadt sind unharmonisch hart, die
Bewegung der entfernter stehenden Gruppen ist zwar durch die be¬
endigte Belagerung motivirt, aber nicht genug untergeordnet. Ein
festes Urtheil über die Gesammtwirkung des Bildes zu geben, ist
schwer. Einmal, weil es mit Recht unfertig genannt wird, dann,
weil dem Bilde der Firniß fehlt, der die eingeschlagenen Stellen zu
ihrer richtigen Erkennung und Wirkung herausbringen muß und zu¬
letzt, weil das Bild vor allen anderen am ungünstigsten placirt ist.
Das Urtheil läßt sich jedoch dahin feststellen, daß der Künstler, der
sich im Kataloge einen Schüler Paul Delaroche'ö in Paris nennt,
mit vielem Talente für die verständige Darstellung eines historischen
Gegenstandes begabt ist, daß es ihm gelang, das richtige Maß in
der Behandlung für so große Dimensionen zu treffen, und daß diese
Behandlung gleich der Zeichnung einen kecken, frischen Geist ath¬
met. — Das in seinem Aeußeren vollendetste der bis jetzt ausgestell¬
ten Bilder ist ohne Frage Professor Kolbe's: Ezzelino ti
Romano (der Mönch) Podesta von Padua und Verona
und Vater des Tyrannen Ezzelin von Padua. Das Bild
ist in sich so zur Ruhe gekommen, so vollendet in der äußeren Form,
so schön in der Farbe und Zeichnung, daß man ohne weitere Hin¬
dernisse und ohne Störung auf seinen Inhalt eingehen kann, der
freilich nicht ganz in dem Maße befriedigt. Die Hand auf sein
Schwert gestützt, erzählt Ezzelin den vor ihm liegenden und stehenden
Mönchen und dem Prior des Klosters von den Schlachten und Tha¬
ten seines sturmbewegten Lebens. Hier wäre noch Manches zu wün¬
schen. Vor Allem sällt die Haltung des Erzählers in die Augen,
sie erscheint zu theatralisch. Diese zur Bekräftigung seiner Worte aus¬
gestreckte Rechte bringt uns in Versuchung, zu glauben, daß der bleiche
Mann mit den dunklen Augen die vor ihm Stehenden verflucht.


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[0357] ger, welcher auf einem prächtigen Schimmel vor ihnen anhält. Der Mittelpunkt des Bildes, wo eben diese Handlung vor sich geht, ist vortrefflich gruppirt. Die trotzigen Gestalten zur Rechten in Beglei¬ tung des jungen Herzogs sind so schön, wie die demüthigen zur Linken, unter denen sich ein schwärmerisch schöner Jüngling auszeich¬ net, der wohl im Schmerz um die erlittene Niederlage bewegt zum Fimmel blickt. Das Alles ist gut und schön, aber im Hintergrund ist Vieles, waS, wenn nicht unverständlich, doch unschön ist. Der Himmel und die Baulichkeiten der Stadt sind unharmonisch hart, die Bewegung der entfernter stehenden Gruppen ist zwar durch die be¬ endigte Belagerung motivirt, aber nicht genug untergeordnet. Ein festes Urtheil über die Gesammtwirkung des Bildes zu geben, ist schwer. Einmal, weil es mit Recht unfertig genannt wird, dann, weil dem Bilde der Firniß fehlt, der die eingeschlagenen Stellen zu ihrer richtigen Erkennung und Wirkung herausbringen muß und zu¬ letzt, weil das Bild vor allen anderen am ungünstigsten placirt ist. Das Urtheil läßt sich jedoch dahin feststellen, daß der Künstler, der sich im Kataloge einen Schüler Paul Delaroche'ö in Paris nennt, mit vielem Talente für die verständige Darstellung eines historischen Gegenstandes begabt ist, daß es ihm gelang, das richtige Maß in der Behandlung für so große Dimensionen zu treffen, und daß diese Behandlung gleich der Zeichnung einen kecken, frischen Geist ath¬ met. — Das in seinem Aeußeren vollendetste der bis jetzt ausgestell¬ ten Bilder ist ohne Frage Professor Kolbe's: Ezzelino ti Romano (der Mönch) Podesta von Padua und Verona und Vater des Tyrannen Ezzelin von Padua. Das Bild ist in sich so zur Ruhe gekommen, so vollendet in der äußeren Form, so schön in der Farbe und Zeichnung, daß man ohne weitere Hin¬ dernisse und ohne Störung auf seinen Inhalt eingehen kann, der freilich nicht ganz in dem Maße befriedigt. Die Hand auf sein Schwert gestützt, erzählt Ezzelin den vor ihm liegenden und stehenden Mönchen und dem Prior des Klosters von den Schlachten und Tha¬ ten seines sturmbewegten Lebens. Hier wäre noch Manches zu wün¬ schen. Vor Allem sällt die Haltung des Erzählers in die Augen, sie erscheint zu theatralisch. Diese zur Bekräftigung seiner Worte aus¬ gestreckte Rechte bringt uns in Versuchung, zu glauben, daß der bleiche Mann mit den dunklen Augen die vor ihm Stehenden verflucht. Grenibote" I84i. II. Hz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/357>, abgerufen am 28.07.2024.