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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Maler zu lösen suchte, ist C. Hendel'S in Rom auf den Befehl
des Kaisers von Rußland ausgeführtes: Die drei Männer im
feurigen Ofen. Auf einem Scheiterhaufen stehen die drei Män¬
ner, umgeben von einer Masse Volkes, von Schergen, vom Könige
mit seinem Gefolge. Dieser trägt Reisig zum Scheiterhaufen, jener
zündet ihn von Neuem an, aber Alle thun etwas, was uns durch¬
aus nicht interessirt. Man sieht, daß die alte Sage auch den Maler
nur äußerlich interessirte. Er hat Nichts hinein und Nichts heraus
gemalt. Was hilft es, wenn die Kenner sagen: Es ist ein hübscher
alter Ton in dem Bilde; ich fühle das so gut, wie sie, aber will ich
solch einen alten Ton bewundern, so bewundere ich ihn eben an al¬
ten Bildern. -- Ein Vorwurf, der uns schon näher liegt, weil er
allgemein menschlicher, ist Hagar und Ismael in der Wüste.
Drei verschiedene Künstler haben sich daran gemacht und ihn in der
verschiedensten Weise gelöst. Christian Köhler in Düssel¬
dorffolgt seinem Streben, überall antik schöne Formen zu geben.
Seine Hagar mit dem Ismael auf dem Arme ist eine als Kniestück
abgeschlossene wunderschöne Gruppe. Der Maler begnügt sich, den
Schmerz einer Mutter zu schildern, die ihr Theuerstes auf der
Welt verschmachten lassen muß. Wir verstehen diesen schmerzensrei¬
chem Blick, den sie zum Himmel sendet. Es gilt nicht ihrem Wohle,
denn er könnte nicht so heiß, so flehend sein, .... es gilt dem Le¬
ben ihres Kindes. Derselbe Stoff wurde von Bouterweck in Paris
in einem kleinen Bilde behandelt. Aber ganz verschieden. Denn hier
sehen wir die Hagar, der der Maler einen echt orientalischen Typus
gegeben hat, und den Engel, aber vom Ismael ist keine Spur. Das
Bild ist niedlich, das Verständniß leidet unter der Eigenmächtigkeit
des Künstlers. Endlich sah ich noch eine unbedeutende Hagar von
Brockmann. Sowohl durch die Größe, als die klare, verständ¬
liche Auseinandersetzung des Inhaltes tritt ein Bild von Marter¬
steig in Weimar weit vor den meisten Anderen hervor) Einzug
des Herzogs Bernhard von Sachsen in Breisach. Auch
ohne diese Angabe wird es dem Beschauer auf der Stelle klar, daß es sich
hier um die Uebergabe einer eroberten Stadt handelt. Diese alten
Rathsherren, welche knieend die Schlüssel der Stadt überreichen, diese
vornehmen Jungfrauen, welche dem Steger den Lorbeerkranz zu über¬
reichen kommen, sind so demüthig gegen den jugendlich schönen Krie-


Maler zu lösen suchte, ist C. Hendel'S in Rom auf den Befehl
des Kaisers von Rußland ausgeführtes: Die drei Männer im
feurigen Ofen. Auf einem Scheiterhaufen stehen die drei Män¬
ner, umgeben von einer Masse Volkes, von Schergen, vom Könige
mit seinem Gefolge. Dieser trägt Reisig zum Scheiterhaufen, jener
zündet ihn von Neuem an, aber Alle thun etwas, was uns durch¬
aus nicht interessirt. Man sieht, daß die alte Sage auch den Maler
nur äußerlich interessirte. Er hat Nichts hinein und Nichts heraus
gemalt. Was hilft es, wenn die Kenner sagen: Es ist ein hübscher
alter Ton in dem Bilde; ich fühle das so gut, wie sie, aber will ich
solch einen alten Ton bewundern, so bewundere ich ihn eben an al¬
ten Bildern. — Ein Vorwurf, der uns schon näher liegt, weil er
allgemein menschlicher, ist Hagar und Ismael in der Wüste.
Drei verschiedene Künstler haben sich daran gemacht und ihn in der
verschiedensten Weise gelöst. Christian Köhler in Düssel¬
dorffolgt seinem Streben, überall antik schöne Formen zu geben.
Seine Hagar mit dem Ismael auf dem Arme ist eine als Kniestück
abgeschlossene wunderschöne Gruppe. Der Maler begnügt sich, den
Schmerz einer Mutter zu schildern, die ihr Theuerstes auf der
Welt verschmachten lassen muß. Wir verstehen diesen schmerzensrei¬
chem Blick, den sie zum Himmel sendet. Es gilt nicht ihrem Wohle,
denn er könnte nicht so heiß, so flehend sein, .... es gilt dem Le¬
ben ihres Kindes. Derselbe Stoff wurde von Bouterweck in Paris
in einem kleinen Bilde behandelt. Aber ganz verschieden. Denn hier
sehen wir die Hagar, der der Maler einen echt orientalischen Typus
gegeben hat, und den Engel, aber vom Ismael ist keine Spur. Das
Bild ist niedlich, das Verständniß leidet unter der Eigenmächtigkeit
des Künstlers. Endlich sah ich noch eine unbedeutende Hagar von
Brockmann. Sowohl durch die Größe, als die klare, verständ¬
liche Auseinandersetzung des Inhaltes tritt ein Bild von Marter¬
steig in Weimar weit vor den meisten Anderen hervor) Einzug
des Herzogs Bernhard von Sachsen in Breisach. Auch
ohne diese Angabe wird es dem Beschauer auf der Stelle klar, daß es sich
hier um die Uebergabe einer eroberten Stadt handelt. Diese alten
Rathsherren, welche knieend die Schlüssel der Stadt überreichen, diese
vornehmen Jungfrauen, welche dem Steger den Lorbeerkranz zu über¬
reichen kommen, sind so demüthig gegen den jugendlich schönen Krie-


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[0356] Maler zu lösen suchte, ist C. Hendel'S in Rom auf den Befehl des Kaisers von Rußland ausgeführtes: Die drei Männer im feurigen Ofen. Auf einem Scheiterhaufen stehen die drei Män¬ ner, umgeben von einer Masse Volkes, von Schergen, vom Könige mit seinem Gefolge. Dieser trägt Reisig zum Scheiterhaufen, jener zündet ihn von Neuem an, aber Alle thun etwas, was uns durch¬ aus nicht interessirt. Man sieht, daß die alte Sage auch den Maler nur äußerlich interessirte. Er hat Nichts hinein und Nichts heraus gemalt. Was hilft es, wenn die Kenner sagen: Es ist ein hübscher alter Ton in dem Bilde; ich fühle das so gut, wie sie, aber will ich solch einen alten Ton bewundern, so bewundere ich ihn eben an al¬ ten Bildern. — Ein Vorwurf, der uns schon näher liegt, weil er allgemein menschlicher, ist Hagar und Ismael in der Wüste. Drei verschiedene Künstler haben sich daran gemacht und ihn in der verschiedensten Weise gelöst. Christian Köhler in Düssel¬ dorffolgt seinem Streben, überall antik schöne Formen zu geben. Seine Hagar mit dem Ismael auf dem Arme ist eine als Kniestück abgeschlossene wunderschöne Gruppe. Der Maler begnügt sich, den Schmerz einer Mutter zu schildern, die ihr Theuerstes auf der Welt verschmachten lassen muß. Wir verstehen diesen schmerzensrei¬ chem Blick, den sie zum Himmel sendet. Es gilt nicht ihrem Wohle, denn er könnte nicht so heiß, so flehend sein, .... es gilt dem Le¬ ben ihres Kindes. Derselbe Stoff wurde von Bouterweck in Paris in einem kleinen Bilde behandelt. Aber ganz verschieden. Denn hier sehen wir die Hagar, der der Maler einen echt orientalischen Typus gegeben hat, und den Engel, aber vom Ismael ist keine Spur. Das Bild ist niedlich, das Verständniß leidet unter der Eigenmächtigkeit des Künstlers. Endlich sah ich noch eine unbedeutende Hagar von Brockmann. Sowohl durch die Größe, als die klare, verständ¬ liche Auseinandersetzung des Inhaltes tritt ein Bild von Marter¬ steig in Weimar weit vor den meisten Anderen hervor) Einzug des Herzogs Bernhard von Sachsen in Breisach. Auch ohne diese Angabe wird es dem Beschauer auf der Stelle klar, daß es sich hier um die Uebergabe einer eroberten Stadt handelt. Diese alten Rathsherren, welche knieend die Schlüssel der Stadt überreichen, diese vornehmen Jungfrauen, welche dem Steger den Lorbeerkranz zu über¬ reichen kommen, sind so demüthig gegen den jugendlich schönen Krie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/356>, abgerufen am 28.07.2024.