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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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der General-Artillerie-Direction beruht in dem Avancementspouvoir,
und die große Wichtigkeit in der höchsten Stellung; keineswegs aber
in den großen heilbringenden Wirkungen. An Ansehen kann man
durchaus nicht mehr gewinnen, ob man viel leistet oder wenig, und
wie man steht, geht es mit dem Wenigthun auch; wozu also sich
unnöthig Feinde machen, wozu sich mit Arbeit überladen, und am
Ende könnte man doch nicht Alles bezwecken, was man wollte? mit-
hin bleibt es beim Alten, man bleibt in der Anstellung, so lange
man lebt, avancirt dabei fort und befindet sich wohl, sehr wohl!
Ueberhaupt kann man auf die General-Artillerie-Direction den Lehr¬
satz aus der Mechanik anwenden: Mit kleinen Hebeln kann man
große Lasten heben.

Mein Herr (lächelnd). Also könnte ich ohne Bedenken Ge-
neral-Artillerie-Director werden?

Lieutenant. Ich habe nur von jenen Functionen der General-
Artillerie-Direction, welche deren Adjutant ausübt, gesprochen; ohne
Ihnen Herr Oberstwachtmeister schmeicheln zu wollen, würden Sie
in jener Anstellung nicht den zehnten Theil Schwierigkeiten finden,
denen Sie als Districts - Commandant begegnen müssen. Ich für
meinen Theil hätte nur ein Bedenken, wenn ich zu dieser sehr leich¬
ten und sehr schwierigen Anstellung berufen werden sollte.

Mein Herr. Welches Bedenken hätten Sie denn?

Lieutenant. Ob ich es treffen würde und mit Anstand tref¬
fen würde, mit den Herren Kämmerern an der Tafel Sr. kaiserlichen
Hoheit zu speisen? Denn es muß doch etwas Sonderbares sein,
wenn man einen Prinzen mit höchst eigenen Munde kauen und Spei¬
sen verzehren sieht.

Mein Herr. Sie sind ein Spötter! Ueber unsern gnädig¬
sten Chef laß ich Nichts kommen.

Lieutenant. Und ich bin weit entfernt, über ihn etwas zu
sagen, was er selbst nicht hören könnte: denn mein Spott trifft nicht
Se. kaiserliche Hoheit, sondern unsere eigene Servilität, und es ist
dadurch nur angedeutet, welche niedrige Meinung wir von uns und
welche hohe wir von hohen Personen zu haben pflegen. Der Erz¬
herzog Ludwig braucht meines Lobes nicht; aber wenn ich auch ein
Feind aller Prinzen wäre, würde ich ihm diesen zufälligen Vorzug, mit
dem ihn seine Geburt beschenkte, gönnen, weil ich die volle Ueberzeugung


der General-Artillerie-Direction beruht in dem Avancementspouvoir,
und die große Wichtigkeit in der höchsten Stellung; keineswegs aber
in den großen heilbringenden Wirkungen. An Ansehen kann man
durchaus nicht mehr gewinnen, ob man viel leistet oder wenig, und
wie man steht, geht es mit dem Wenigthun auch; wozu also sich
unnöthig Feinde machen, wozu sich mit Arbeit überladen, und am
Ende könnte man doch nicht Alles bezwecken, was man wollte? mit-
hin bleibt es beim Alten, man bleibt in der Anstellung, so lange
man lebt, avancirt dabei fort und befindet sich wohl, sehr wohl!
Ueberhaupt kann man auf die General-Artillerie-Direction den Lehr¬
satz aus der Mechanik anwenden: Mit kleinen Hebeln kann man
große Lasten heben.

Mein Herr (lächelnd). Also könnte ich ohne Bedenken Ge-
neral-Artillerie-Director werden?

Lieutenant. Ich habe nur von jenen Functionen der General-
Artillerie-Direction, welche deren Adjutant ausübt, gesprochen; ohne
Ihnen Herr Oberstwachtmeister schmeicheln zu wollen, würden Sie
in jener Anstellung nicht den zehnten Theil Schwierigkeiten finden,
denen Sie als Districts - Commandant begegnen müssen. Ich für
meinen Theil hätte nur ein Bedenken, wenn ich zu dieser sehr leich¬
ten und sehr schwierigen Anstellung berufen werden sollte.

Mein Herr. Welches Bedenken hätten Sie denn?

Lieutenant. Ob ich es treffen würde und mit Anstand tref¬
fen würde, mit den Herren Kämmerern an der Tafel Sr. kaiserlichen
Hoheit zu speisen? Denn es muß doch etwas Sonderbares sein,
wenn man einen Prinzen mit höchst eigenen Munde kauen und Spei¬
sen verzehren sieht.

Mein Herr. Sie sind ein Spötter! Ueber unsern gnädig¬
sten Chef laß ich Nichts kommen.

Lieutenant. Und ich bin weit entfernt, über ihn etwas zu
sagen, was er selbst nicht hören könnte: denn mein Spott trifft nicht
Se. kaiserliche Hoheit, sondern unsere eigene Servilität, und es ist
dadurch nur angedeutet, welche niedrige Meinung wir von uns und
welche hohe wir von hohen Personen zu haben pflegen. Der Erz¬
herzog Ludwig braucht meines Lobes nicht; aber wenn ich auch ein
Feind aller Prinzen wäre, würde ich ihm diesen zufälligen Vorzug, mit
dem ihn seine Geburt beschenkte, gönnen, weil ich die volle Ueberzeugung


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[0348] der General-Artillerie-Direction beruht in dem Avancementspouvoir, und die große Wichtigkeit in der höchsten Stellung; keineswegs aber in den großen heilbringenden Wirkungen. An Ansehen kann man durchaus nicht mehr gewinnen, ob man viel leistet oder wenig, und wie man steht, geht es mit dem Wenigthun auch; wozu also sich unnöthig Feinde machen, wozu sich mit Arbeit überladen, und am Ende könnte man doch nicht Alles bezwecken, was man wollte? mit- hin bleibt es beim Alten, man bleibt in der Anstellung, so lange man lebt, avancirt dabei fort und befindet sich wohl, sehr wohl! Ueberhaupt kann man auf die General-Artillerie-Direction den Lehr¬ satz aus der Mechanik anwenden: Mit kleinen Hebeln kann man große Lasten heben. Mein Herr (lächelnd). Also könnte ich ohne Bedenken Ge- neral-Artillerie-Director werden? Lieutenant. Ich habe nur von jenen Functionen der General- Artillerie-Direction, welche deren Adjutant ausübt, gesprochen; ohne Ihnen Herr Oberstwachtmeister schmeicheln zu wollen, würden Sie in jener Anstellung nicht den zehnten Theil Schwierigkeiten finden, denen Sie als Districts - Commandant begegnen müssen. Ich für meinen Theil hätte nur ein Bedenken, wenn ich zu dieser sehr leich¬ ten und sehr schwierigen Anstellung berufen werden sollte. Mein Herr. Welches Bedenken hätten Sie denn? Lieutenant. Ob ich es treffen würde und mit Anstand tref¬ fen würde, mit den Herren Kämmerern an der Tafel Sr. kaiserlichen Hoheit zu speisen? Denn es muß doch etwas Sonderbares sein, wenn man einen Prinzen mit höchst eigenen Munde kauen und Spei¬ sen verzehren sieht. Mein Herr. Sie sind ein Spötter! Ueber unsern gnädig¬ sten Chef laß ich Nichts kommen. Lieutenant. Und ich bin weit entfernt, über ihn etwas zu sagen, was er selbst nicht hören könnte: denn mein Spott trifft nicht Se. kaiserliche Hoheit, sondern unsere eigene Servilität, und es ist dadurch nur angedeutet, welche niedrige Meinung wir von uns und welche hohe wir von hohen Personen zu haben pflegen. Der Erz¬ herzog Ludwig braucht meines Lobes nicht; aber wenn ich auch ein Feind aller Prinzen wäre, würde ich ihm diesen zufälligen Vorzug, mit dem ihn seine Geburt beschenkte, gönnen, weil ich die volle Ueberzeugung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/348>, abgerufen am 27.07.2024.