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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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ter- und vierzehn Jahre Oberlieutenant bei einer armseligen Gage
bleiben und endlich die Hauptmannscharge erlangen kann, in wel¬
cher er freilich ohne Nahrungssorgen eristiren konnte; allein da muß
er die in der Subalternität gemachten Schulden zahlen, und hat er
sie gezahlt, wo ist der frühere Frohsinn, wo ist seine Energie, wo ist
selbst die Fähigkeit zum Lebensgenuß? -- ihm ist Nichts geblieben,
als eine mechanische Vcgetationöliebe, und in dieser bewegt er sich
zähe wie ein Amphibium, bis ihm Hans Mors den Abschied ver¬
schafft.

Mein Herr. Meines Erachtens hätten ja die Gcscheidtcn gar
keinen Vortheil davon, wenn lauter gescheidte Offiziere avancirten.
Denn es kommt auf Eins heraus, ob der Gescheidte auf den Tod
eines Dummen oder Nichldummen wartet.

Lieutenant. Das wäre freilich gleichviel. Allein, wie Sie
sich, Herr Oberstwachtmeister, gütigst erinnern, habe ich ja schon er¬
wähnt, daß nur physisch taugliche und scientifisch befähigte Indivi¬
duen zu höheren Chargen, wie z. B. bei der Infanterie, zugelassen
werden sollten.

Mein Herr. Wenn aber die höhere Charge ein Ladiner und
ein Blinder versehen kann, dann ist es auch Alles Eins! und Sie
werden doch nicht bestreiten, daß der Fall häusig vorkommt.

Lieutenant. Allerdings, daß ein Ladiner oder Blinder oft eine
höhere Charge in der Artillerie bekleidet, ist unbestreitbar, aber wie
er sie versieht, das ist zu erörtern. -- Nehmen wir an,' die hohe
General-Artillerie-Direction würde geruhen, das Disrncts-Commando,
welches gegenwärtig der Herr Oberstwachtmeister so rühmlich führen,
dem sehr achtbaren Herrn Hauptmann Th . . . zu verleihen, waS
würde geschehen? Er ist taub, sieht wenig, kann nicht schreiben, weil
er zittert, und hat keinen Begriff von einer Erzeugung und von einer
Erzeugungsrechnung. Er müßte der Spielball seiner Referenten, des
Oberzeugwarts, Pulver-Inspectors uno seines Adjutanten werden.
Das ärarische Gut wird nur nach den eigennützigen Absichten jener
Individuen, welche die geheimen Machinationen, oder wie man sagt,
Manipulationen kennen, verwaltet. Er muß anfangs viel Zutrauen, und
wenn er betrogen worden, ein ungerechtes Mißtrauen gegen unschuldige
Individuen haben. Er muß am Ende Alles glauben, weil er sich
wegen seiner Unkenntnis; nicht überzeugen kann, und auf diese Art


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ter- und vierzehn Jahre Oberlieutenant bei einer armseligen Gage
bleiben und endlich die Hauptmannscharge erlangen kann, in wel¬
cher er freilich ohne Nahrungssorgen eristiren konnte; allein da muß
er die in der Subalternität gemachten Schulden zahlen, und hat er
sie gezahlt, wo ist der frühere Frohsinn, wo ist seine Energie, wo ist
selbst die Fähigkeit zum Lebensgenuß? — ihm ist Nichts geblieben,
als eine mechanische Vcgetationöliebe, und in dieser bewegt er sich
zähe wie ein Amphibium, bis ihm Hans Mors den Abschied ver¬
schafft.

Mein Herr. Meines Erachtens hätten ja die Gcscheidtcn gar
keinen Vortheil davon, wenn lauter gescheidte Offiziere avancirten.
Denn es kommt auf Eins heraus, ob der Gescheidte auf den Tod
eines Dummen oder Nichldummen wartet.

Lieutenant. Das wäre freilich gleichviel. Allein, wie Sie
sich, Herr Oberstwachtmeister, gütigst erinnern, habe ich ja schon er¬
wähnt, daß nur physisch taugliche und scientifisch befähigte Indivi¬
duen zu höheren Chargen, wie z. B. bei der Infanterie, zugelassen
werden sollten.

Mein Herr. Wenn aber die höhere Charge ein Ladiner und
ein Blinder versehen kann, dann ist es auch Alles Eins! und Sie
werden doch nicht bestreiten, daß der Fall häusig vorkommt.

Lieutenant. Allerdings, daß ein Ladiner oder Blinder oft eine
höhere Charge in der Artillerie bekleidet, ist unbestreitbar, aber wie
er sie versieht, das ist zu erörtern. — Nehmen wir an,' die hohe
General-Artillerie-Direction würde geruhen, das Disrncts-Commando,
welches gegenwärtig der Herr Oberstwachtmeister so rühmlich führen,
dem sehr achtbaren Herrn Hauptmann Th . . . zu verleihen, waS
würde geschehen? Er ist taub, sieht wenig, kann nicht schreiben, weil
er zittert, und hat keinen Begriff von einer Erzeugung und von einer
Erzeugungsrechnung. Er müßte der Spielball seiner Referenten, des
Oberzeugwarts, Pulver-Inspectors uno seines Adjutanten werden.
Das ärarische Gut wird nur nach den eigennützigen Absichten jener
Individuen, welche die geheimen Machinationen, oder wie man sagt,
Manipulationen kennen, verwaltet. Er muß anfangs viel Zutrauen, und
wenn er betrogen worden, ein ungerechtes Mißtrauen gegen unschuldige
Individuen haben. Er muß am Ende Alles glauben, weil er sich
wegen seiner Unkenntnis; nicht überzeugen kann, und auf diese Art


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[0343] ter- und vierzehn Jahre Oberlieutenant bei einer armseligen Gage bleiben und endlich die Hauptmannscharge erlangen kann, in wel¬ cher er freilich ohne Nahrungssorgen eristiren konnte; allein da muß er die in der Subalternität gemachten Schulden zahlen, und hat er sie gezahlt, wo ist der frühere Frohsinn, wo ist seine Energie, wo ist selbst die Fähigkeit zum Lebensgenuß? — ihm ist Nichts geblieben, als eine mechanische Vcgetationöliebe, und in dieser bewegt er sich zähe wie ein Amphibium, bis ihm Hans Mors den Abschied ver¬ schafft. Mein Herr. Meines Erachtens hätten ja die Gcscheidtcn gar keinen Vortheil davon, wenn lauter gescheidte Offiziere avancirten. Denn es kommt auf Eins heraus, ob der Gescheidte auf den Tod eines Dummen oder Nichldummen wartet. Lieutenant. Das wäre freilich gleichviel. Allein, wie Sie sich, Herr Oberstwachtmeister, gütigst erinnern, habe ich ja schon er¬ wähnt, daß nur physisch taugliche und scientifisch befähigte Indivi¬ duen zu höheren Chargen, wie z. B. bei der Infanterie, zugelassen werden sollten. Mein Herr. Wenn aber die höhere Charge ein Ladiner und ein Blinder versehen kann, dann ist es auch Alles Eins! und Sie werden doch nicht bestreiten, daß der Fall häusig vorkommt. Lieutenant. Allerdings, daß ein Ladiner oder Blinder oft eine höhere Charge in der Artillerie bekleidet, ist unbestreitbar, aber wie er sie versieht, das ist zu erörtern. — Nehmen wir an,' die hohe General-Artillerie-Direction würde geruhen, das Disrncts-Commando, welches gegenwärtig der Herr Oberstwachtmeister so rühmlich führen, dem sehr achtbaren Herrn Hauptmann Th . . . zu verleihen, waS würde geschehen? Er ist taub, sieht wenig, kann nicht schreiben, weil er zittert, und hat keinen Begriff von einer Erzeugung und von einer Erzeugungsrechnung. Er müßte der Spielball seiner Referenten, des Oberzeugwarts, Pulver-Inspectors uno seines Adjutanten werden. Das ärarische Gut wird nur nach den eigennützigen Absichten jener Individuen, welche die geheimen Machinationen, oder wie man sagt, Manipulationen kennen, verwaltet. Er muß anfangs viel Zutrauen, und wenn er betrogen worden, ein ungerechtes Mißtrauen gegen unschuldige Individuen haben. Er muß am Ende Alles glauben, weil er sich wegen seiner Unkenntnis; nicht überzeugen kann, und auf diese Art 43 »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/343>, abgerufen am 01.09.2024.