Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.rennen, und darum geschieht es, daß solche Männer wegen der ve- Mein Herr. Ich weiß, auf wen Sie anspielen. Sie meinen Lieutenant. Daß man also in unserer Branche an rennen, und darum geschieht es, daß solche Männer wegen der ve- Mein Herr. Ich weiß, auf wen Sie anspielen. Sie meinen Lieutenant. Daß man also in unserer Branche an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181526"/> <p xml:id="ID_984" prev="#ID_983"> rennen, und darum geschieht es, daß solche Männer wegen der ve-<lb/> genrenden, gleichsam tolerirten Vordermänner erst in jenem Alter zu<lb/> einem wichtigeren Wirkungskreise keuchend und abgemattet anlangen,<lb/> wo sie durch lange Jahre Unterdrückung ihres Geistes an ein pas¬<lb/> sives, pedantisches Leben gewohnt, zum energischen Durchgreifen und<lb/> zum einflußreichen Wirken weder Lust, noch die nöthige Thatkraft be¬<lb/> sitzen. Wer die traurige Erfahrung an sich selbst gemacht hat, unter<lb/> einem Ignoranten zu dienen, der neunzehn Jahre Kanonier, mithin<lb/> Gemeiner, dann ein Handlanger.-Corporal geworden, ohne alle wis¬<lb/> senschaftliche Bildung, ohne Kenntniß der Artilleriewissenschaften, es<lb/> doch zum Hauptmann gebracht hat und dann in seinem siebzigsten<lb/> Jahre noch immer, die Knute in der Hand, den Handlangerdienst<lb/> versieht, — wer unter einem solchen gedient hat, wird wenig An-<lb/> eiferung finden, seine Kenntnisse zu mehren, da ihm die größte Er¬<lb/> weiterung derselben keinen Rang und keinen Vortheil verschaffen;<lb/> wohl aber seine Unzufriedenheit mehren und ihn täglich in unange¬<lb/> nehme Kollisionen bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_985"> Mein Herr. Ich weiß, auf wen Sie anspielen. Sie meinen<lb/> den Hauptmann K ..... der zum Erstaunen Aller zum Comman¬<lb/> danten der Bresciancr Gewehr-Fabrik ernannt wurde. Ich werde<lb/> Sie ersuchen, mir von dieser Anstalt einige oberflächliche Begriffe bei¬<lb/> zubringen; für jetzt wollen Sie nur gefälligst über unser Thema fort¬<lb/> fahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_986" next="#ID_987"> Lieutenant. Daß man also in unserer Branche an<lb/> dem sogenannten Anciennetäts-System Kalt, das ist kein Vor¬<lb/> theil, sondern ein Nachtheil für den Dienst und für die große<lb/> Anzahl der gebildeten und ausgezeichneten Offiziere. Dieser Nach¬<lb/> theil ist um so fühlbarer, da man in der Artillerie bei anerkannter<lb/> Unfähigkeit zu höheren Chargen eine Menge solcher Anstellungen hat,<lb/> in welchen Gebrechliche und schwachgeistige fortvcgctiren können und<lb/> auch bis zu ihrem Absterben fortvegeriren; weil es sich bei ihren<lb/> amtlichen und dienstlichen Funktionen nur um persönliche Arroganz,<lb/> oder, wie man zu sagen pflegt, um ein persönliches Ansehen, um eine<lb/> Autorität handelt, die was vorstellt. Daher ist es möglich, daß<lb/> Taube, Blinde und Lahme mehrere Jahre im Bette commandirren<lb/> und im höchsten Alter in Activität verschieden. Ist es erfreulich für<lb/> einen jungen Offizier, berechnen zu können, daß er zwölf Jahre Un-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0342]
rennen, und darum geschieht es, daß solche Männer wegen der ve-
genrenden, gleichsam tolerirten Vordermänner erst in jenem Alter zu
einem wichtigeren Wirkungskreise keuchend und abgemattet anlangen,
wo sie durch lange Jahre Unterdrückung ihres Geistes an ein pas¬
sives, pedantisches Leben gewohnt, zum energischen Durchgreifen und
zum einflußreichen Wirken weder Lust, noch die nöthige Thatkraft be¬
sitzen. Wer die traurige Erfahrung an sich selbst gemacht hat, unter
einem Ignoranten zu dienen, der neunzehn Jahre Kanonier, mithin
Gemeiner, dann ein Handlanger.-Corporal geworden, ohne alle wis¬
senschaftliche Bildung, ohne Kenntniß der Artilleriewissenschaften, es
doch zum Hauptmann gebracht hat und dann in seinem siebzigsten
Jahre noch immer, die Knute in der Hand, den Handlangerdienst
versieht, — wer unter einem solchen gedient hat, wird wenig An-
eiferung finden, seine Kenntnisse zu mehren, da ihm die größte Er¬
weiterung derselben keinen Rang und keinen Vortheil verschaffen;
wohl aber seine Unzufriedenheit mehren und ihn täglich in unange¬
nehme Kollisionen bringen.
Mein Herr. Ich weiß, auf wen Sie anspielen. Sie meinen
den Hauptmann K ..... der zum Erstaunen Aller zum Comman¬
danten der Bresciancr Gewehr-Fabrik ernannt wurde. Ich werde
Sie ersuchen, mir von dieser Anstalt einige oberflächliche Begriffe bei¬
zubringen; für jetzt wollen Sie nur gefälligst über unser Thema fort¬
fahren.
Lieutenant. Daß man also in unserer Branche an
dem sogenannten Anciennetäts-System Kalt, das ist kein Vor¬
theil, sondern ein Nachtheil für den Dienst und für die große
Anzahl der gebildeten und ausgezeichneten Offiziere. Dieser Nach¬
theil ist um so fühlbarer, da man in der Artillerie bei anerkannter
Unfähigkeit zu höheren Chargen eine Menge solcher Anstellungen hat,
in welchen Gebrechliche und schwachgeistige fortvcgctiren können und
auch bis zu ihrem Absterben fortvegeriren; weil es sich bei ihren
amtlichen und dienstlichen Funktionen nur um persönliche Arroganz,
oder, wie man zu sagen pflegt, um ein persönliches Ansehen, um eine
Autorität handelt, die was vorstellt. Daher ist es möglich, daß
Taube, Blinde und Lahme mehrere Jahre im Bette commandirren
und im höchsten Alter in Activität verschieden. Ist es erfreulich für
einen jungen Offizier, berechnen zu können, daß er zwölf Jahre Un-
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