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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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"Stephan Thurm" einen bekannten fürstlichen Autor vermuthet
sondern weil die Mittheilungen über den Unterschleif in einzelnen De¬
pots den vollen Stempel der Wahrheit haben, trotz des derben solda¬
tischen Humors, in welchem sie vorgetragen sind. -- Möchten doch
ähnlicheNachweisungen auf anderen Gebieten gleichfalls stattfinden -- vor
Allem aus dem Gebiete der Criminaljustiz. Das österreichische Straf¬
gesetzbuch genießt mit Recht den Ruf eines der humanster. Von
französischen, wie von deutschen Rechtsgelehrten ist ihm dieser Ruhm
gespendet worden. Aber die österreichische Criminalgerichtsordnung liegt
im Argen, wie kaum eine in Deutschland. Seit Jahren beschäftigt
sich die Hof-Gesetzgebungs-Commission mit Ausarbeitung einer
neuen, weil man die Mangel, welche namentlich den unteren
Gerichtsbeamten Spielraum zu den abscheulichsten Mißbräuchen geben,
längst erkannt hat und abzuschaffen wünscht. -- Mehrere Gesetzent¬
würfe sind ausgearbeitet worden, ohne die Sanction zu erhalten, und
es gab einen Zeitpunkt, wo die Gesetzgebungs-Hof-Commission von
ihrem Präsidenten, dem Grafen Taaf in ihren Arbeiten so sehr ange¬
spornt wurde, daß die Mitglieder ihre anderen Functionen bisweilen
aufschieben mußten, um diesen Arbeiten zu genügen. Die in Deutsch¬
land immer herrschender werdende Idee der Oeffentlichkeit und Münd¬
lichkeit, obgleich man bei uns weit entfernt ist, ihr zu huldigen, hat
dennoch den Einfluß ausgeübt, daß man keine neue Gerichtsordnung
adoptirte, weil man erst die Erfahrungen abwarten will, welche das
öffentliche und mündliche Verfahren bringen wird, um sie dann für
uns benutzen zu können. Dies ist gewiß recht wohlgemeint, wenn es
nur nicht die schlimmen Folgen hätte, uns in einem provisorischen Zu¬
stand zu lassen, von welchem wir vor der Hand kein Ende sehen. --
Dieses vorsichtige, aber furchtsame System, Anderer Erfahrungen be¬
nutzen zu wollen, ist die Ursache, warum wir überall im Hintertref¬
fen uns befinden, warum wir überall um so und so viel Jahre zu¬
rück sind, warum das bekannte Spottlied unserer übrigen deut¬
schen Nachbarn aus allen Gebieten uns trifft. Die Ener¬
gie, der Muth der Initiative fehlt uns aus allen Seiten. Diese



*) Dieses ist bereits das zweite Mal, daß man uns von einem fürstlichen
Autor, lor unter dem Pseudonym Stephan Thurm sich verbergen soll, schreibt.
Eine frühere Korrespondenz, die wir nicht abzudrucken für gut fanden, nannte
uns geradezu den "verabschiedeten Lanzenkneckt" als solchen. Wir
bitten unsere verehrten Herren Correspondenten, ihre Vermuthungen nickt so
apodiktisch aussprechen zu wollen- Wir können ihnen die Versicherung geben,
daß die erwähnten "Aufzeichnungen" aus der Feder eines wirklichen Artillerie¬
offiziers herrühren. Der geehrte Schriftsteller, der unter dem Titel eines ver¬
abschiedeten Lanzenknechts schreibt, hat unseres Wissens immer nur bei der
Cavalle ist überdies au
Die Red. rie gedient; der Unterschied des Styls beider Autoren -
genfällig.

„Stephan Thurm" einen bekannten fürstlichen Autor vermuthet
sondern weil die Mittheilungen über den Unterschleif in einzelnen De¬
pots den vollen Stempel der Wahrheit haben, trotz des derben solda¬
tischen Humors, in welchem sie vorgetragen sind. — Möchten doch
ähnlicheNachweisungen auf anderen Gebieten gleichfalls stattfinden — vor
Allem aus dem Gebiete der Criminaljustiz. Das österreichische Straf¬
gesetzbuch genießt mit Recht den Ruf eines der humanster. Von
französischen, wie von deutschen Rechtsgelehrten ist ihm dieser Ruhm
gespendet worden. Aber die österreichische Criminalgerichtsordnung liegt
im Argen, wie kaum eine in Deutschland. Seit Jahren beschäftigt
sich die Hof-Gesetzgebungs-Commission mit Ausarbeitung einer
neuen, weil man die Mangel, welche namentlich den unteren
Gerichtsbeamten Spielraum zu den abscheulichsten Mißbräuchen geben,
längst erkannt hat und abzuschaffen wünscht. — Mehrere Gesetzent¬
würfe sind ausgearbeitet worden, ohne die Sanction zu erhalten, und
es gab einen Zeitpunkt, wo die Gesetzgebungs-Hof-Commission von
ihrem Präsidenten, dem Grafen Taaf in ihren Arbeiten so sehr ange¬
spornt wurde, daß die Mitglieder ihre anderen Functionen bisweilen
aufschieben mußten, um diesen Arbeiten zu genügen. Die in Deutsch¬
land immer herrschender werdende Idee der Oeffentlichkeit und Münd¬
lichkeit, obgleich man bei uns weit entfernt ist, ihr zu huldigen, hat
dennoch den Einfluß ausgeübt, daß man keine neue Gerichtsordnung
adoptirte, weil man erst die Erfahrungen abwarten will, welche das
öffentliche und mündliche Verfahren bringen wird, um sie dann für
uns benutzen zu können. Dies ist gewiß recht wohlgemeint, wenn es
nur nicht die schlimmen Folgen hätte, uns in einem provisorischen Zu¬
stand zu lassen, von welchem wir vor der Hand kein Ende sehen. —
Dieses vorsichtige, aber furchtsame System, Anderer Erfahrungen be¬
nutzen zu wollen, ist die Ursache, warum wir überall im Hintertref¬
fen uns befinden, warum wir überall um so und so viel Jahre zu¬
rück sind, warum das bekannte Spottlied unserer übrigen deut¬
schen Nachbarn aus allen Gebieten uns trifft. Die Ener¬
gie, der Muth der Initiative fehlt uns aus allen Seiten. Diese



*) Dieses ist bereits das zweite Mal, daß man uns von einem fürstlichen
Autor, lor unter dem Pseudonym Stephan Thurm sich verbergen soll, schreibt.
Eine frühere Korrespondenz, die wir nicht abzudrucken für gut fanden, nannte
uns geradezu den „verabschiedeten Lanzenkneckt" als solchen. Wir
bitten unsere verehrten Herren Correspondenten, ihre Vermuthungen nickt so
apodiktisch aussprechen zu wollen- Wir können ihnen die Versicherung geben,
daß die erwähnten „Aufzeichnungen" aus der Feder eines wirklichen Artillerie¬
offiziers herrühren. Der geehrte Schriftsteller, der unter dem Titel eines ver¬
abschiedeten Lanzenknechts schreibt, hat unseres Wissens immer nur bei der
Cavalle ist überdies au
Die Red. rie gedient; der Unterschied des Styls beider Autoren -
genfällig.
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[0328] „Stephan Thurm" einen bekannten fürstlichen Autor vermuthet sondern weil die Mittheilungen über den Unterschleif in einzelnen De¬ pots den vollen Stempel der Wahrheit haben, trotz des derben solda¬ tischen Humors, in welchem sie vorgetragen sind. — Möchten doch ähnlicheNachweisungen auf anderen Gebieten gleichfalls stattfinden — vor Allem aus dem Gebiete der Criminaljustiz. Das österreichische Straf¬ gesetzbuch genießt mit Recht den Ruf eines der humanster. Von französischen, wie von deutschen Rechtsgelehrten ist ihm dieser Ruhm gespendet worden. Aber die österreichische Criminalgerichtsordnung liegt im Argen, wie kaum eine in Deutschland. Seit Jahren beschäftigt sich die Hof-Gesetzgebungs-Commission mit Ausarbeitung einer neuen, weil man die Mangel, welche namentlich den unteren Gerichtsbeamten Spielraum zu den abscheulichsten Mißbräuchen geben, längst erkannt hat und abzuschaffen wünscht. — Mehrere Gesetzent¬ würfe sind ausgearbeitet worden, ohne die Sanction zu erhalten, und es gab einen Zeitpunkt, wo die Gesetzgebungs-Hof-Commission von ihrem Präsidenten, dem Grafen Taaf in ihren Arbeiten so sehr ange¬ spornt wurde, daß die Mitglieder ihre anderen Functionen bisweilen aufschieben mußten, um diesen Arbeiten zu genügen. Die in Deutsch¬ land immer herrschender werdende Idee der Oeffentlichkeit und Münd¬ lichkeit, obgleich man bei uns weit entfernt ist, ihr zu huldigen, hat dennoch den Einfluß ausgeübt, daß man keine neue Gerichtsordnung adoptirte, weil man erst die Erfahrungen abwarten will, welche das öffentliche und mündliche Verfahren bringen wird, um sie dann für uns benutzen zu können. Dies ist gewiß recht wohlgemeint, wenn es nur nicht die schlimmen Folgen hätte, uns in einem provisorischen Zu¬ stand zu lassen, von welchem wir vor der Hand kein Ende sehen. — Dieses vorsichtige, aber furchtsame System, Anderer Erfahrungen be¬ nutzen zu wollen, ist die Ursache, warum wir überall im Hintertref¬ fen uns befinden, warum wir überall um so und so viel Jahre zu¬ rück sind, warum das bekannte Spottlied unserer übrigen deut¬ schen Nachbarn aus allen Gebieten uns trifft. Die Ener¬ gie, der Muth der Initiative fehlt uns aus allen Seiten. Diese *) Dieses ist bereits das zweite Mal, daß man uns von einem fürstlichen Autor, lor unter dem Pseudonym Stephan Thurm sich verbergen soll, schreibt. Eine frühere Korrespondenz, die wir nicht abzudrucken für gut fanden, nannte uns geradezu den „verabschiedeten Lanzenkneckt" als solchen. Wir bitten unsere verehrten Herren Correspondenten, ihre Vermuthungen nickt so apodiktisch aussprechen zu wollen- Wir können ihnen die Versicherung geben, daß die erwähnten „Aufzeichnungen" aus der Feder eines wirklichen Artillerie¬ offiziers herrühren. Der geehrte Schriftsteller, der unter dem Titel eines ver¬ abschiedeten Lanzenknechts schreibt, hat unseres Wissens immer nur bei der Cavalle ist überdies au Die Red. rie gedient; der Unterschied des Styls beider Autoren - genfällig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/328>, abgerufen am 05.12.2024.