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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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und Marieschka wurde schon den folgenden Tag, als sie bei der
Mutter Gottes auf dem Wachposten stand, abgelöst und vor den
Polizei-Director gebracht. Es wurde ihr aufgebürdet, daß sie heim¬
lichen Umgang mit einem jungen, erst angekommenen Heiligen unter¬
halte, und sie wurde verurtheilt in Mädchengestalt auf Erden in so
lange zu wandeln und allda der irdischen Liebe zu pflegen, bis sie
stirbt; dann soll selbe wieder im Himmel in ihrem vorigen Grade,
nämlich als Engel-Husaren<Corporal, aufgenommen werden. --




Senior. Wegen meiner kann die Preßfreiheit immer aus¬
bleiben. Wir haben auch ohne Preßfreiheit genug Bücher, die ein
Mensch, wenn er auch gar Nichts zu thun hätte, in seinem ganzen
Leben nicht auslesen könnte. Und wenn dann Jedermann schreiben
konnte, was er wollte, würden wir nicht am Ende alle verwirrt wer¬
den? Nach meiner Einsicht soll jeder Mensch das, was er in seiner
Jugend in Schulen erlernt hat, in seinem Gedächtniß behalten und
fleißig befolgen, und damit er nicht als Ignorant in der Welt lebt,
so soll er den österreichischen Beobachter lesen, damit er weiß, was
in der Welt vorgeht, und wer avancirt ist.

Vitz. Nach der Preßfreiheit schreien nur einige Schreiber, die
nicht jedes dumme Zeug, was ihnen einfällt, zusammenschmieren kön¬
nen, und einige Müßiggänger, die aus einem Kaffeehaus in's an¬
dere laufen. Ein braver Mensch, der beschäftigt ist, der seine Schul¬
digkeit thut, der bekümmert sich einen blauen Teufel darum, was die
Franzosen in ihren Kammern zusammenschwätzen, oder die Engländer
in ihren beiden Häusern raisonniren. Was uns zu wissen nothwen¬
dig ist, erfahren wir in Oesterreich jedesmal auch zu seiner Zeit,
und ich glaube, das ist genug. Ich will lieber einige W . . . .
verhalten, als eine S . . sein, und will lieber censirte Schriften le¬
sen, als mir meinen Glauben an alles Heilige und meine Liebe zu
den bestehenden Institutionen rauben lassen. Was haben wir von
allen Neuerungen und Erfindungen für Früchte? Wäre die Buchdruckerei
nicht erfunden worden, wäre der dreißigjährige Krieg nicht entstanden.

G arn.-Pad. Und der Martin Luther hätte nicht Millionen
Menschen vom wahren Glauben zur Ketzerei verleitet.

Baron. Wäre Luther nicht ein Pfaffe gewesen, wäre dieser
Scandal in der Kirche gar nicht entstanden.


und Marieschka wurde schon den folgenden Tag, als sie bei der
Mutter Gottes auf dem Wachposten stand, abgelöst und vor den
Polizei-Director gebracht. Es wurde ihr aufgebürdet, daß sie heim¬
lichen Umgang mit einem jungen, erst angekommenen Heiligen unter¬
halte, und sie wurde verurtheilt in Mädchengestalt auf Erden in so
lange zu wandeln und allda der irdischen Liebe zu pflegen, bis sie
stirbt; dann soll selbe wieder im Himmel in ihrem vorigen Grade,
nämlich als Engel-Husaren<Corporal, aufgenommen werden. —




Senior. Wegen meiner kann die Preßfreiheit immer aus¬
bleiben. Wir haben auch ohne Preßfreiheit genug Bücher, die ein
Mensch, wenn er auch gar Nichts zu thun hätte, in seinem ganzen
Leben nicht auslesen könnte. Und wenn dann Jedermann schreiben
konnte, was er wollte, würden wir nicht am Ende alle verwirrt wer¬
den? Nach meiner Einsicht soll jeder Mensch das, was er in seiner
Jugend in Schulen erlernt hat, in seinem Gedächtniß behalten und
fleißig befolgen, und damit er nicht als Ignorant in der Welt lebt,
so soll er den österreichischen Beobachter lesen, damit er weiß, was
in der Welt vorgeht, und wer avancirt ist.

Vitz. Nach der Preßfreiheit schreien nur einige Schreiber, die
nicht jedes dumme Zeug, was ihnen einfällt, zusammenschmieren kön¬
nen, und einige Müßiggänger, die aus einem Kaffeehaus in's an¬
dere laufen. Ein braver Mensch, der beschäftigt ist, der seine Schul¬
digkeit thut, der bekümmert sich einen blauen Teufel darum, was die
Franzosen in ihren Kammern zusammenschwätzen, oder die Engländer
in ihren beiden Häusern raisonniren. Was uns zu wissen nothwen¬
dig ist, erfahren wir in Oesterreich jedesmal auch zu seiner Zeit,
und ich glaube, das ist genug. Ich will lieber einige W . . . .
verhalten, als eine S . . sein, und will lieber censirte Schriften le¬
sen, als mir meinen Glauben an alles Heilige und meine Liebe zu
den bestehenden Institutionen rauben lassen. Was haben wir von
allen Neuerungen und Erfindungen für Früchte? Wäre die Buchdruckerei
nicht erfunden worden, wäre der dreißigjährige Krieg nicht entstanden.

G arn.-Pad. Und der Martin Luther hätte nicht Millionen
Menschen vom wahren Glauben zur Ketzerei verleitet.

Baron. Wäre Luther nicht ein Pfaffe gewesen, wäre dieser
Scandal in der Kirche gar nicht entstanden.


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[0314] und Marieschka wurde schon den folgenden Tag, als sie bei der Mutter Gottes auf dem Wachposten stand, abgelöst und vor den Polizei-Director gebracht. Es wurde ihr aufgebürdet, daß sie heim¬ lichen Umgang mit einem jungen, erst angekommenen Heiligen unter¬ halte, und sie wurde verurtheilt in Mädchengestalt auf Erden in so lange zu wandeln und allda der irdischen Liebe zu pflegen, bis sie stirbt; dann soll selbe wieder im Himmel in ihrem vorigen Grade, nämlich als Engel-Husaren<Corporal, aufgenommen werden. — Senior. Wegen meiner kann die Preßfreiheit immer aus¬ bleiben. Wir haben auch ohne Preßfreiheit genug Bücher, die ein Mensch, wenn er auch gar Nichts zu thun hätte, in seinem ganzen Leben nicht auslesen könnte. Und wenn dann Jedermann schreiben konnte, was er wollte, würden wir nicht am Ende alle verwirrt wer¬ den? Nach meiner Einsicht soll jeder Mensch das, was er in seiner Jugend in Schulen erlernt hat, in seinem Gedächtniß behalten und fleißig befolgen, und damit er nicht als Ignorant in der Welt lebt, so soll er den österreichischen Beobachter lesen, damit er weiß, was in der Welt vorgeht, und wer avancirt ist. Vitz. Nach der Preßfreiheit schreien nur einige Schreiber, die nicht jedes dumme Zeug, was ihnen einfällt, zusammenschmieren kön¬ nen, und einige Müßiggänger, die aus einem Kaffeehaus in's an¬ dere laufen. Ein braver Mensch, der beschäftigt ist, der seine Schul¬ digkeit thut, der bekümmert sich einen blauen Teufel darum, was die Franzosen in ihren Kammern zusammenschwätzen, oder die Engländer in ihren beiden Häusern raisonniren. Was uns zu wissen nothwen¬ dig ist, erfahren wir in Oesterreich jedesmal auch zu seiner Zeit, und ich glaube, das ist genug. Ich will lieber einige W . . . . verhalten, als eine S . . sein, und will lieber censirte Schriften le¬ sen, als mir meinen Glauben an alles Heilige und meine Liebe zu den bestehenden Institutionen rauben lassen. Was haben wir von allen Neuerungen und Erfindungen für Früchte? Wäre die Buchdruckerei nicht erfunden worden, wäre der dreißigjährige Krieg nicht entstanden. G arn.-Pad. Und der Martin Luther hätte nicht Millionen Menschen vom wahren Glauben zur Ketzerei verleitet. Baron. Wäre Luther nicht ein Pfaffe gewesen, wäre dieser Scandal in der Kirche gar nicht entstanden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/314>, abgerufen am 01.09.2024.