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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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hatten Marieschka entweder vergessen oder an Zahlungsstatt zurück¬
gelassen. Ihr letzter Liebhaber erzählte jedoch ihre Lebensgeschichte
anders:

Marieschka ist ein verwunschener Engel. -- Einige Jahre
vor dem Anfange der Ewigkeit, als es Jehovah einfiel, zu seiner
Leibwache Engel zu creiren, wurde Marieschka zugleich mit den er¬
sten Engeln erschaffen. Sie diente unter dem Commando des Erz¬
engels Michael in dem ersten himmlischen Leibhusaren-Regiment als
gemeiner Husaren-Engel. Bei dem Abfall des Satanas und seiner
Mitverschworenen, wurde sie statt Beelzebub Corpora! und erfreute
sich stets der Gunst aller Vorgesetzten. Man sollte nicht denken, daß
im Himmel, am göttlichen Hofe, Chicanen und Intriguen herrschen,
und es soll dort Anfangs auch recht ruhig und ehrbar zugegangen
sein. Seitdem aber jede" Augenblick allerlei curiose Heilige in
Himmel kommen und sich allerhand Gesinde! dort eingeschwärzt hat,
ist es manchmal dort zum Teufelholen; besonders seit der Zeit, als
Ignaz Loyola im Himmel ankam. Er hat vom Pabste ein eigen¬
händiges Empfehlungsschreiben an Gott Vater mitgebracht, und ohn¬
geachtet aller Cabalen wurde er vermöge seiner jesuitischen Ränke als
himmlischer Polizei-Director angestellt. Natürlicherweise haben sich
die Jesuiten der ganzen himmlischen Polizei bemächtiget, und der
ihnen nicht schmeichelt, huldiget oder wohl gar ihr falsches Spiel
durchschaut, der wird nun denuncirt und verleumdet. Kein Tag ver¬
geht, wo nicht den Engeln und Heiligen Verweise und Strafen we¬
gen Nichts und wieder Nichts ertheilt werden, und man muß sich
daher gar nicht wundern, daß einmal eine ganze Compagnie Sera¬
phinen defertiren wollte. Die treulose Schaar wurde aber eingeholt,
und der zehnte Seraphim mußte Gassen laufen. Die das Glück hat¬
ten, dem Gassenlaufen zu entgehen, wurden in andere Legionen ver¬
theilt und auf die ganze Ewigkeit jedes Avancements-Anspruchs be¬
raubt.-- Marieschka hatte das Unglück, bei einer Parade einem
Heiligen in die Augen zu stechen. Dieser Heilige verfolgte sie bei
jeder Gelegenheit, wo er sich ihr nähern konnte, mit seinen Zudring¬
lichkeiten. Endlich erdreistete er sich mit Anträgen herauszurücken,
die das Ohr eines jeden rechtschaffenen Engels beleidigt hätten. Sie
verwies ihm seine brutalen Zumuthungen ganz gehörig. Aber die
geistlichen Heiligen legen selbst im Himmel ihre Nachsucht nicht ab,


hatten Marieschka entweder vergessen oder an Zahlungsstatt zurück¬
gelassen. Ihr letzter Liebhaber erzählte jedoch ihre Lebensgeschichte
anders:

Marieschka ist ein verwunschener Engel. — Einige Jahre
vor dem Anfange der Ewigkeit, als es Jehovah einfiel, zu seiner
Leibwache Engel zu creiren, wurde Marieschka zugleich mit den er¬
sten Engeln erschaffen. Sie diente unter dem Commando des Erz¬
engels Michael in dem ersten himmlischen Leibhusaren-Regiment als
gemeiner Husaren-Engel. Bei dem Abfall des Satanas und seiner
Mitverschworenen, wurde sie statt Beelzebub Corpora! und erfreute
sich stets der Gunst aller Vorgesetzten. Man sollte nicht denken, daß
im Himmel, am göttlichen Hofe, Chicanen und Intriguen herrschen,
und es soll dort Anfangs auch recht ruhig und ehrbar zugegangen
sein. Seitdem aber jede» Augenblick allerlei curiose Heilige in
Himmel kommen und sich allerhand Gesinde! dort eingeschwärzt hat,
ist es manchmal dort zum Teufelholen; besonders seit der Zeit, als
Ignaz Loyola im Himmel ankam. Er hat vom Pabste ein eigen¬
händiges Empfehlungsschreiben an Gott Vater mitgebracht, und ohn¬
geachtet aller Cabalen wurde er vermöge seiner jesuitischen Ränke als
himmlischer Polizei-Director angestellt. Natürlicherweise haben sich
die Jesuiten der ganzen himmlischen Polizei bemächtiget, und der
ihnen nicht schmeichelt, huldiget oder wohl gar ihr falsches Spiel
durchschaut, der wird nun denuncirt und verleumdet. Kein Tag ver¬
geht, wo nicht den Engeln und Heiligen Verweise und Strafen we¬
gen Nichts und wieder Nichts ertheilt werden, und man muß sich
daher gar nicht wundern, daß einmal eine ganze Compagnie Sera¬
phinen defertiren wollte. Die treulose Schaar wurde aber eingeholt,
und der zehnte Seraphim mußte Gassen laufen. Die das Glück hat¬
ten, dem Gassenlaufen zu entgehen, wurden in andere Legionen ver¬
theilt und auf die ganze Ewigkeit jedes Avancements-Anspruchs be¬
raubt.— Marieschka hatte das Unglück, bei einer Parade einem
Heiligen in die Augen zu stechen. Dieser Heilige verfolgte sie bei
jeder Gelegenheit, wo er sich ihr nähern konnte, mit seinen Zudring¬
lichkeiten. Endlich erdreistete er sich mit Anträgen herauszurücken,
die das Ohr eines jeden rechtschaffenen Engels beleidigt hätten. Sie
verwies ihm seine brutalen Zumuthungen ganz gehörig. Aber die
geistlichen Heiligen legen selbst im Himmel ihre Nachsucht nicht ab,


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[0313] hatten Marieschka entweder vergessen oder an Zahlungsstatt zurück¬ gelassen. Ihr letzter Liebhaber erzählte jedoch ihre Lebensgeschichte anders: Marieschka ist ein verwunschener Engel. — Einige Jahre vor dem Anfange der Ewigkeit, als es Jehovah einfiel, zu seiner Leibwache Engel zu creiren, wurde Marieschka zugleich mit den er¬ sten Engeln erschaffen. Sie diente unter dem Commando des Erz¬ engels Michael in dem ersten himmlischen Leibhusaren-Regiment als gemeiner Husaren-Engel. Bei dem Abfall des Satanas und seiner Mitverschworenen, wurde sie statt Beelzebub Corpora! und erfreute sich stets der Gunst aller Vorgesetzten. Man sollte nicht denken, daß im Himmel, am göttlichen Hofe, Chicanen und Intriguen herrschen, und es soll dort Anfangs auch recht ruhig und ehrbar zugegangen sein. Seitdem aber jede» Augenblick allerlei curiose Heilige in Himmel kommen und sich allerhand Gesinde! dort eingeschwärzt hat, ist es manchmal dort zum Teufelholen; besonders seit der Zeit, als Ignaz Loyola im Himmel ankam. Er hat vom Pabste ein eigen¬ händiges Empfehlungsschreiben an Gott Vater mitgebracht, und ohn¬ geachtet aller Cabalen wurde er vermöge seiner jesuitischen Ränke als himmlischer Polizei-Director angestellt. Natürlicherweise haben sich die Jesuiten der ganzen himmlischen Polizei bemächtiget, und der ihnen nicht schmeichelt, huldiget oder wohl gar ihr falsches Spiel durchschaut, der wird nun denuncirt und verleumdet. Kein Tag ver¬ geht, wo nicht den Engeln und Heiligen Verweise und Strafen we¬ gen Nichts und wieder Nichts ertheilt werden, und man muß sich daher gar nicht wundern, daß einmal eine ganze Compagnie Sera¬ phinen defertiren wollte. Die treulose Schaar wurde aber eingeholt, und der zehnte Seraphim mußte Gassen laufen. Die das Glück hat¬ ten, dem Gassenlaufen zu entgehen, wurden in andere Legionen ver¬ theilt und auf die ganze Ewigkeit jedes Avancements-Anspruchs be¬ raubt.— Marieschka hatte das Unglück, bei einer Parade einem Heiligen in die Augen zu stechen. Dieser Heilige verfolgte sie bei jeder Gelegenheit, wo er sich ihr nähern konnte, mit seinen Zudring¬ lichkeiten. Endlich erdreistete er sich mit Anträgen herauszurücken, die das Ohr eines jeden rechtschaffenen Engels beleidigt hätten. Sie verwies ihm seine brutalen Zumuthungen ganz gehörig. Aber die geistlichen Heiligen legen selbst im Himmel ihre Nachsucht nicht ab,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/313>, abgerufen am 27.07.2024.