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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Naturbestimmung, welche das fürstliche Element in sich schließe, mit
diesem gemein habe."^) Aber die Nothwendigkeit dieser Vermittlung
ist durchaus kein auf spekulativem Wege errungenes Ergebniß, son¬
dern ein in die Sache selbst erst hineingetragenes Moment. Denn
schon daß die fürstliche Gewalt und das ständische Princip mit einan¬
der verglichen werden, ist ein Act der Willkür des Denkers, die,
wenn auch sonst gerechtfertigt, doch nimmer vor der Idee zulässig ist.
-- Was aber die Vermittlung selbst betrifft, so ist, ganz abgesehen
davon, daß ein durch Geburt und Erbschaft erlangter Beruf zum
Gesetzgeber dem Begriffe der Souveränetät, wie er festgesetzt ward,
zuwiderläuft, eine solche doch wahrlich darin nicht zu finden, daß das
ständische Princip dem monarchischen an Unabhängigkeit gleichgestellt
wird. Vielmehr stoßen gleiche Pole in der Regel einander ab. Der
Gesetzgeber als dazu geborner, nicht durch irgend eine objective
Qualität dazu Berechtigter und Erkorener ist wie der Monarch "un¬
mittelbare Einzelheit" und "abstracte, insofern grundlose Selbstbestim¬
mung." In dieser neuen starren Einzelheit, die für ihren Willen
keinen andern Grund hat, als ihren Willen, die eben nur will, weil
sie will, ist der Monarch nur vervielfältigt worden -- aber diese
Vielheit von lauter absoluten Einheiten hat wesentlich auch nicht das
geringste Bindemittel, nicht den geringstell inneren Zusammenhalt; sie
fallen atomistisch aus einander und haben jede nur das Interesse ihrer
Partikularität. Und so stehen denn also in diesem idealen Staate,
;u dem die Spekulation den Grundriß entworfen, das Princip der
Allgemeinheit und das der ausschließenden Einzelheit auf's Starrste
einander gegenüber, und jene Vermittlungsstufe einer ersten Kammer
hat die Schroffheit dieses Gegensatzes nur vermehrt, indem sie der
einen Seite und gerade dem Auseinanderfallen in den einzelnen Per¬
sönlichkeiten das Gewicht der Vielheit verschafft.

Nun ist es freilich ganz richtig, daß das Leben und die politi¬
schen Sitten eines Volkes solche Institutionen ganz wesentlich be¬
dingen und sich unterwerfen, nichts desto weniger aber ist dies im¬
mer einem gewissen zufälligen Entschlüsse der Subjecte überlassen,
und die Idee fordert---objective Geometrie. Ist es aber nicht vielleicht
gerade recht bezeichnend, daß sie die allergleichgiltigste Aeußerlichkctt




*) Hegel Rechtsphilos. §. 305.
**) Ebert. §. 277. 278.

Naturbestimmung, welche das fürstliche Element in sich schließe, mit
diesem gemein habe."^) Aber die Nothwendigkeit dieser Vermittlung
ist durchaus kein auf spekulativem Wege errungenes Ergebniß, son¬
dern ein in die Sache selbst erst hineingetragenes Moment. Denn
schon daß die fürstliche Gewalt und das ständische Princip mit einan¬
der verglichen werden, ist ein Act der Willkür des Denkers, die,
wenn auch sonst gerechtfertigt, doch nimmer vor der Idee zulässig ist.
— Was aber die Vermittlung selbst betrifft, so ist, ganz abgesehen
davon, daß ein durch Geburt und Erbschaft erlangter Beruf zum
Gesetzgeber dem Begriffe der Souveränetät, wie er festgesetzt ward,
zuwiderläuft, eine solche doch wahrlich darin nicht zu finden, daß das
ständische Princip dem monarchischen an Unabhängigkeit gleichgestellt
wird. Vielmehr stoßen gleiche Pole in der Regel einander ab. Der
Gesetzgeber als dazu geborner, nicht durch irgend eine objective
Qualität dazu Berechtigter und Erkorener ist wie der Monarch „un¬
mittelbare Einzelheit" und „abstracte, insofern grundlose Selbstbestim¬
mung." In dieser neuen starren Einzelheit, die für ihren Willen
keinen andern Grund hat, als ihren Willen, die eben nur will, weil
sie will, ist der Monarch nur vervielfältigt worden — aber diese
Vielheit von lauter absoluten Einheiten hat wesentlich auch nicht das
geringste Bindemittel, nicht den geringstell inneren Zusammenhalt; sie
fallen atomistisch aus einander und haben jede nur das Interesse ihrer
Partikularität. Und so stehen denn also in diesem idealen Staate,
;u dem die Spekulation den Grundriß entworfen, das Princip der
Allgemeinheit und das der ausschließenden Einzelheit auf's Starrste
einander gegenüber, und jene Vermittlungsstufe einer ersten Kammer
hat die Schroffheit dieses Gegensatzes nur vermehrt, indem sie der
einen Seite und gerade dem Auseinanderfallen in den einzelnen Per¬
sönlichkeiten das Gewicht der Vielheit verschafft.

Nun ist es freilich ganz richtig, daß das Leben und die politi¬
schen Sitten eines Volkes solche Institutionen ganz wesentlich be¬
dingen und sich unterwerfen, nichts desto weniger aber ist dies im¬
mer einem gewissen zufälligen Entschlüsse der Subjecte überlassen,
und die Idee fordert-—objective Geometrie. Ist es aber nicht vielleicht
gerade recht bezeichnend, daß sie die allergleichgiltigste Aeußerlichkctt




*) Hegel Rechtsphilos. §. 305.
**) Ebert. §. 277. 278.
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[0310] Naturbestimmung, welche das fürstliche Element in sich schließe, mit diesem gemein habe."^) Aber die Nothwendigkeit dieser Vermittlung ist durchaus kein auf spekulativem Wege errungenes Ergebniß, son¬ dern ein in die Sache selbst erst hineingetragenes Moment. Denn schon daß die fürstliche Gewalt und das ständische Princip mit einan¬ der verglichen werden, ist ein Act der Willkür des Denkers, die, wenn auch sonst gerechtfertigt, doch nimmer vor der Idee zulässig ist. — Was aber die Vermittlung selbst betrifft, so ist, ganz abgesehen davon, daß ein durch Geburt und Erbschaft erlangter Beruf zum Gesetzgeber dem Begriffe der Souveränetät, wie er festgesetzt ward, zuwiderläuft, eine solche doch wahrlich darin nicht zu finden, daß das ständische Princip dem monarchischen an Unabhängigkeit gleichgestellt wird. Vielmehr stoßen gleiche Pole in der Regel einander ab. Der Gesetzgeber als dazu geborner, nicht durch irgend eine objective Qualität dazu Berechtigter und Erkorener ist wie der Monarch „un¬ mittelbare Einzelheit" und „abstracte, insofern grundlose Selbstbestim¬ mung." In dieser neuen starren Einzelheit, die für ihren Willen keinen andern Grund hat, als ihren Willen, die eben nur will, weil sie will, ist der Monarch nur vervielfältigt worden — aber diese Vielheit von lauter absoluten Einheiten hat wesentlich auch nicht das geringste Bindemittel, nicht den geringstell inneren Zusammenhalt; sie fallen atomistisch aus einander und haben jede nur das Interesse ihrer Partikularität. Und so stehen denn also in diesem idealen Staate, ;u dem die Spekulation den Grundriß entworfen, das Princip der Allgemeinheit und das der ausschließenden Einzelheit auf's Starrste einander gegenüber, und jene Vermittlungsstufe einer ersten Kammer hat die Schroffheit dieses Gegensatzes nur vermehrt, indem sie der einen Seite und gerade dem Auseinanderfallen in den einzelnen Per¬ sönlichkeiten das Gewicht der Vielheit verschafft. Nun ist es freilich ganz richtig, daß das Leben und die politi¬ schen Sitten eines Volkes solche Institutionen ganz wesentlich be¬ dingen und sich unterwerfen, nichts desto weniger aber ist dies im¬ mer einem gewissen zufälligen Entschlüsse der Subjecte überlassen, und die Idee fordert-—objective Geometrie. Ist es aber nicht vielleicht gerade recht bezeichnend, daß sie die allergleichgiltigste Aeußerlichkctt *) Hegel Rechtsphilos. §. 305. **) Ebert. §. 277. 278.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/310>, abgerufen am 27.07.2024.