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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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zur Anwendung gekommen wäre. In den Organen für den Buch¬
handel und in anderen literarischen Anzeigeblättern begegnet man
fortwährend langen Reihen von Schriften zum Theil sehr geachteter
Autoren, welche mit tiefer Preisherabsetzung ausgeboten werden. Am
ärgsten ist es bei den Taschenbüchern, diesen nur noch schwach ath¬
menden, sonst so blühenden literarischen Modekindern. Manche, die
im laufenden Jahre zwei, drei und mehr Thaler zum Ladenpreise ha¬
ben, sinken schon im anderen Jahre bis zu einem halben Thaler im
Werthe herab, und der Laie fragt mit Recht: wie ist eine solche
Verschleuderung möglich? -- Die Antwort ist: Ganz gut. Denn
wenn bei den hohen Preisen anfangs unverhältnißmäßig gewonnen
wird, so ist die spätere Verschleuderung schon im Voraus damit aus¬
geglichen.

Bei dem jetzigen Verfahren und der eigenthümlich vorherrschen¬
den Uebersetzungsliteratur aber ist der Ruin unseres ganzen natio¬
nalen Literaturzweiges vorauszusehen. Die Leihbibliothekare werden
immer weniger deutsche Schriften kaufen, Privatpersonen gar keine,
und der ganze Verkehr darin wird sich in Neuigkeiten auf wenige
ausgezeichnete Namen beschränken, die noch eine Absatzhoffnung der
Verleger hervorzurufen im Stande sind. Junge, aufstrebende Talente
werden sich selbst mit untergeordneten Novellenarbeiten in den Ta¬
schenbüchern und belletristischen Journalen nicht mehr geltend machen
können, weil diese sich auch, zur Ersparung des Honorars, mit wohl¬
feilen Übersetzungen behelfen und vielleicht bald ganz aufhören oder
die Tendenz ändern werden, die jetzt schon schwierig gewordenen
Verleger selbständiger Schriften aber für jeden Neuling völlig unzu¬
gänglich sein, wenn er nicht etwa, bei der Vcrzichtung auf Honorar,
auch die Druckkosten seines Werkes decken will. Dagegen wird man
auf die Räumung der Vorräthe belletristischer Schriften nur um so
eifriger bedacht sein, und die unsolide Maßregel der Preisherabsetzun¬
gen bis zum Gespött des Auslandes fortsetzen. Kein Verleger wird
dabei an die verletzte Würde der eigenen Firma und die der deut¬
schen Literatur, an den mittelbaren Nachtheil und die Demüthigung
der Autoren denken, welche für ihn arbeiteten und nur einen leidi¬
gen Trost in der großen Zahl ihrer Schicksalsgenossen finden können.
Man wird bei dem allgemeinen Ausverkaufe der deutschen Belletri-


zur Anwendung gekommen wäre. In den Organen für den Buch¬
handel und in anderen literarischen Anzeigeblättern begegnet man
fortwährend langen Reihen von Schriften zum Theil sehr geachteter
Autoren, welche mit tiefer Preisherabsetzung ausgeboten werden. Am
ärgsten ist es bei den Taschenbüchern, diesen nur noch schwach ath¬
menden, sonst so blühenden literarischen Modekindern. Manche, die
im laufenden Jahre zwei, drei und mehr Thaler zum Ladenpreise ha¬
ben, sinken schon im anderen Jahre bis zu einem halben Thaler im
Werthe herab, und der Laie fragt mit Recht: wie ist eine solche
Verschleuderung möglich? — Die Antwort ist: Ganz gut. Denn
wenn bei den hohen Preisen anfangs unverhältnißmäßig gewonnen
wird, so ist die spätere Verschleuderung schon im Voraus damit aus¬
geglichen.

Bei dem jetzigen Verfahren und der eigenthümlich vorherrschen¬
den Uebersetzungsliteratur aber ist der Ruin unseres ganzen natio¬
nalen Literaturzweiges vorauszusehen. Die Leihbibliothekare werden
immer weniger deutsche Schriften kaufen, Privatpersonen gar keine,
und der ganze Verkehr darin wird sich in Neuigkeiten auf wenige
ausgezeichnete Namen beschränken, die noch eine Absatzhoffnung der
Verleger hervorzurufen im Stande sind. Junge, aufstrebende Talente
werden sich selbst mit untergeordneten Novellenarbeiten in den Ta¬
schenbüchern und belletristischen Journalen nicht mehr geltend machen
können, weil diese sich auch, zur Ersparung des Honorars, mit wohl¬
feilen Übersetzungen behelfen und vielleicht bald ganz aufhören oder
die Tendenz ändern werden, die jetzt schon schwierig gewordenen
Verleger selbständiger Schriften aber für jeden Neuling völlig unzu¬
gänglich sein, wenn er nicht etwa, bei der Vcrzichtung auf Honorar,
auch die Druckkosten seines Werkes decken will. Dagegen wird man
auf die Räumung der Vorräthe belletristischer Schriften nur um so
eifriger bedacht sein, und die unsolide Maßregel der Preisherabsetzun¬
gen bis zum Gespött des Auslandes fortsetzen. Kein Verleger wird
dabei an die verletzte Würde der eigenen Firma und die der deut¬
schen Literatur, an den mittelbaren Nachtheil und die Demüthigung
der Autoren denken, welche für ihn arbeiteten und nur einen leidi¬
gen Trost in der großen Zahl ihrer Schicksalsgenossen finden können.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/30>, abgerufen am 01.09.2024.