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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Orts für veraltet erklärt und durch neuere ersetzt worden waren,
gleichwohl an die auswärtigen Schulbehörden zu senden und dafür
das Geld einzustreichen, indeß dieselben Bücher in den Rechnungen
als vertilgt figurirten, was allerdings ein artiges Sümmchen abwer¬
fen mochte, das in die Taschen des Herrn Administrators und seiner
controlirenden Beamten floß. Nach dem alten Sprichwort kam aber
auch dieser Faden an die Sonne, und es ward eine Untersuchung ein¬
geleitet, wahrend welcher der einstweilen in Ruhestand versetzte Admi¬
nistrator, ein siebzigjähriger Greis, mit Tode abging. Die nächste
Folge davon war, daß die Aufmerksamkeit des Fürsten Metternich auf
das Institut der Staats-Druckerei gelenkt wurde und dieses eine voll-
ständige Organisation erlitt, wobei Herr Auer als Director und der
Dichter Kaltenbrunner als Vicedirector berufen wurden. Die Admini¬
stration des Schulbücherverschleißes aber ward gänzlich aufgelöst und
der Debit der nach wie vor in der k. k. Staats-Druckerei gedruckten
Lehrbücher den Buchhandlungen gegen billigen Rabbar überlassen, was
nicht nur dem Staate förderlich sein dürfte, der dadurch die Besoldung
von zehn Beamten erspart, sondern auch dem Publicum selbst, das
seine Einkäufe nach Bequemlichkeit machen kann und an kein bestimmtes
Locale gebunden ist..

Die diesjährigen Kriegsübungen im größeren Maßstabe, welche
regelmäßig im Herbste wiederkehren und wozu die hiesige Garnison
durch den Heranzug benachbarter Truppenabtheilungen verstärkt wird,
sind nach den üblichen drei Scheingefechten beschlossen worden und die
Massen der in den Vorstädten einquartirten Soldaten -- denn die in¬
nere Stadt hat sich durch den auf ihre Kosten bewerkstelligten Bau
einer großartigen Kaserne auf immerwährende Zeiten von der Last der
Einquartirung befreit -- haben sich nach allen Winden zerstreut. Die
Manöver sind ohne erhebliche Unglücksfälle vorübergegangen, und ganz
besonders verdient es rühmende Hervorhebung, daß zum ersten Male
das Terrain nicht wie vordem mittelst einer Postenkette abgeschlossen
und dem Haufen der Zuschauer unzugänglich gemacht worden war.
Höchst komische Verwickelungen und hogarthische Austritte brachte das
vor der sogenannten Favoritenlinie in der Gegend von Larenburg statt-
gefundene Scheingefecht mit sich, wo kaiserliches Jagdrecht ist und Fel¬
der und Wälder von Hasen und Wild aller Art wimmeln. Kaum
singen die Musketen zu knallen und die Geschütze zu donner an, kaum
rasselten die eisernen Reihen der Cavallerie durch die Ebene, so husch¬
ten aus jeder Hecke, aus jeder Ackerfurche, aus jeder Grube zahllose
Rebhühner, Hasen u. s. w, hervor, welche nach allen Seiten hin Rei߬
aus nahmen und von den lustigen Tirailleurs bald mit dem Bajon-
net gespießt, bald Zerschossen, bald mit dem Gewehrkolben erschlagen,
oder mit den Füßen zertreten wurden. Was den Händen der Krie¬
ger entrann, das siel in die der zahlreichen Zuschauer aus den unteren


Orts für veraltet erklärt und durch neuere ersetzt worden waren,
gleichwohl an die auswärtigen Schulbehörden zu senden und dafür
das Geld einzustreichen, indeß dieselben Bücher in den Rechnungen
als vertilgt figurirten, was allerdings ein artiges Sümmchen abwer¬
fen mochte, das in die Taschen des Herrn Administrators und seiner
controlirenden Beamten floß. Nach dem alten Sprichwort kam aber
auch dieser Faden an die Sonne, und es ward eine Untersuchung ein¬
geleitet, wahrend welcher der einstweilen in Ruhestand versetzte Admi¬
nistrator, ein siebzigjähriger Greis, mit Tode abging. Die nächste
Folge davon war, daß die Aufmerksamkeit des Fürsten Metternich auf
das Institut der Staats-Druckerei gelenkt wurde und dieses eine voll-
ständige Organisation erlitt, wobei Herr Auer als Director und der
Dichter Kaltenbrunner als Vicedirector berufen wurden. Die Admini¬
stration des Schulbücherverschleißes aber ward gänzlich aufgelöst und
der Debit der nach wie vor in der k. k. Staats-Druckerei gedruckten
Lehrbücher den Buchhandlungen gegen billigen Rabbar überlassen, was
nicht nur dem Staate förderlich sein dürfte, der dadurch die Besoldung
von zehn Beamten erspart, sondern auch dem Publicum selbst, das
seine Einkäufe nach Bequemlichkeit machen kann und an kein bestimmtes
Locale gebunden ist..

Die diesjährigen Kriegsübungen im größeren Maßstabe, welche
regelmäßig im Herbste wiederkehren und wozu die hiesige Garnison
durch den Heranzug benachbarter Truppenabtheilungen verstärkt wird,
sind nach den üblichen drei Scheingefechten beschlossen worden und die
Massen der in den Vorstädten einquartirten Soldaten — denn die in¬
nere Stadt hat sich durch den auf ihre Kosten bewerkstelligten Bau
einer großartigen Kaserne auf immerwährende Zeiten von der Last der
Einquartirung befreit — haben sich nach allen Winden zerstreut. Die
Manöver sind ohne erhebliche Unglücksfälle vorübergegangen, und ganz
besonders verdient es rühmende Hervorhebung, daß zum ersten Male
das Terrain nicht wie vordem mittelst einer Postenkette abgeschlossen
und dem Haufen der Zuschauer unzugänglich gemacht worden war.
Höchst komische Verwickelungen und hogarthische Austritte brachte das
vor der sogenannten Favoritenlinie in der Gegend von Larenburg statt-
gefundene Scheingefecht mit sich, wo kaiserliches Jagdrecht ist und Fel¬
der und Wälder von Hasen und Wild aller Art wimmeln. Kaum
singen die Musketen zu knallen und die Geschütze zu donner an, kaum
rasselten die eisernen Reihen der Cavallerie durch die Ebene, so husch¬
ten aus jeder Hecke, aus jeder Ackerfurche, aus jeder Grube zahllose
Rebhühner, Hasen u. s. w, hervor, welche nach allen Seiten hin Rei߬
aus nahmen und von den lustigen Tirailleurs bald mit dem Bajon-
net gespießt, bald Zerschossen, bald mit dem Gewehrkolben erschlagen,
oder mit den Füßen zertreten wurden. Was den Händen der Krie¬
ger entrann, das siel in die der zahlreichen Zuschauer aus den unteren


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[0283] Orts für veraltet erklärt und durch neuere ersetzt worden waren, gleichwohl an die auswärtigen Schulbehörden zu senden und dafür das Geld einzustreichen, indeß dieselben Bücher in den Rechnungen als vertilgt figurirten, was allerdings ein artiges Sümmchen abwer¬ fen mochte, das in die Taschen des Herrn Administrators und seiner controlirenden Beamten floß. Nach dem alten Sprichwort kam aber auch dieser Faden an die Sonne, und es ward eine Untersuchung ein¬ geleitet, wahrend welcher der einstweilen in Ruhestand versetzte Admi¬ nistrator, ein siebzigjähriger Greis, mit Tode abging. Die nächste Folge davon war, daß die Aufmerksamkeit des Fürsten Metternich auf das Institut der Staats-Druckerei gelenkt wurde und dieses eine voll- ständige Organisation erlitt, wobei Herr Auer als Director und der Dichter Kaltenbrunner als Vicedirector berufen wurden. Die Admini¬ stration des Schulbücherverschleißes aber ward gänzlich aufgelöst und der Debit der nach wie vor in der k. k. Staats-Druckerei gedruckten Lehrbücher den Buchhandlungen gegen billigen Rabbar überlassen, was nicht nur dem Staate förderlich sein dürfte, der dadurch die Besoldung von zehn Beamten erspart, sondern auch dem Publicum selbst, das seine Einkäufe nach Bequemlichkeit machen kann und an kein bestimmtes Locale gebunden ist.. Die diesjährigen Kriegsübungen im größeren Maßstabe, welche regelmäßig im Herbste wiederkehren und wozu die hiesige Garnison durch den Heranzug benachbarter Truppenabtheilungen verstärkt wird, sind nach den üblichen drei Scheingefechten beschlossen worden und die Massen der in den Vorstädten einquartirten Soldaten — denn die in¬ nere Stadt hat sich durch den auf ihre Kosten bewerkstelligten Bau einer großartigen Kaserne auf immerwährende Zeiten von der Last der Einquartirung befreit — haben sich nach allen Winden zerstreut. Die Manöver sind ohne erhebliche Unglücksfälle vorübergegangen, und ganz besonders verdient es rühmende Hervorhebung, daß zum ersten Male das Terrain nicht wie vordem mittelst einer Postenkette abgeschlossen und dem Haufen der Zuschauer unzugänglich gemacht worden war. Höchst komische Verwickelungen und hogarthische Austritte brachte das vor der sogenannten Favoritenlinie in der Gegend von Larenburg statt- gefundene Scheingefecht mit sich, wo kaiserliches Jagdrecht ist und Fel¬ der und Wälder von Hasen und Wild aller Art wimmeln. Kaum singen die Musketen zu knallen und die Geschütze zu donner an, kaum rasselten die eisernen Reihen der Cavallerie durch die Ebene, so husch¬ ten aus jeder Hecke, aus jeder Ackerfurche, aus jeder Grube zahllose Rebhühner, Hasen u. s. w, hervor, welche nach allen Seiten hin Rei߬ aus nahmen und von den lustigen Tirailleurs bald mit dem Bajon- net gespießt, bald Zerschossen, bald mit dem Gewehrkolben erschlagen, oder mit den Füßen zertreten wurden. Was den Händen der Krie¬ ger entrann, das siel in die der zahlreichen Zuschauer aus den unteren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/283>, abgerufen am 27.07.2024.