Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Trieft wollte man nun/ in gemeinsamer Besprechung mit den dort
versammelten Fürsten und Staatsmännern Italiens, die Angelegenheit
eines italienischen Zollvereins in's Reine bringen, der schon lange Zeit
in der italienischen Presse lebhafte Erörterung findet und günz beson¬
ders, wie man nicht vergessen darf, in der Mailänder Journalistik
große Fürsprecher gewonnen hat. Das Project in seiner idealen
Größe ist indeß an den politischen Bedenken der neapolitanischen und
römischen Regierung gescheitert, welche die österreichischen Waarenballen
ebenso ungern sehen, als die österreichischen Bajonette; man hat sich
mit partiellen Vortheilen begnügen müssen, die demnächst an's Licht
treten werden. Hier war es nun auch, wo die deutsche Partei, wenn
man sie schon so nennen will, nachdem das italienische Project ein¬
mal zu Boden gefallen, mit ihren Handelsplänen entschieden hervor¬
trat und die Verhältnisse zum deutschen Zollverein zur Sprache brachte.
Weil man die Schwierigkeiten kannte, die der vollständigen und un¬
verzüglichen Durchführung derselben unübersteiglich im Wege stehen,
so wurden die nach dieser Richtung zielenden Vorschläge wie eine bit¬
tere Pille, die der Kranke nur höchst ungern verschluckt, in den Sy-
rup probeweiser Schritte gehüllt, die man ja im Nothfall wieder
zurückmachen könne. Unter diesen Pillen spielte der Anschluß Böh¬
mens eine Hauptrolle, da man hiebei zugleich den Einfluß der freiern
Concurrenz auf die Verhältnisse des Proletariats studiren und prak¬
tisch erproben würde. Ein geistvoller Staatsmann, der vordem Oberst¬
burggraf in Böhmen gewesen und welchen die nationale Partei in
diesem Lande noch immer als ihren Sprecher am Throne des Kaisers
betrachtet, soll sich da lebhaft dagegen erklärt haben, wobei die natio¬
nalen und politischen Bedenken über das Finanzielle und Commerzielle
den Sieg davon getragen haben dürften. Daraus entstand die Sage
von dem Rücktritt des Grafen Kolowrat und der Beförderung des
Hofkammerpräfldenten Baron Kübeck zum Staatsminister, die sich
mit Blitzesschnelle nach Wien verbreitete und selbst ihren Weg in die
deutsche Presse gefunden hat. Man scheut indeß höchsten Orts derlei
populäre Kundgebungen politischer Meinungsverschiedenheit ungemein
und hat es darum vorgezogen, die Sache für den Augenblick ruhen
zu lassen und sie auf dem Wege allmäliger Verständigung zu ordnen.
Wer sich erinnert, welchen Ausgang die Tariffrage genommen hat,
gegen welche sich der Fabrikantenstand so laut erhob und die jetzt im¬
mer mehr ihrer Lösung entgegenschreitet, wird kaum darüber einen
ernstlichen Zweifel hegen können, auf wessen Seite sich die Schale
senken wird. Darum halten wir die Meinung derjenigen für unbe¬
gründet, welche aus der plötzlichen Stille, in welche die böhmische
Änschlußftage gehüllt worden, den Schluß ableiten, die Sache sei ent¬
weder von vornherein aus der Lust gegriffen oder wenigstens ein¬
geschlafen.


Trieft wollte man nun/ in gemeinsamer Besprechung mit den dort
versammelten Fürsten und Staatsmännern Italiens, die Angelegenheit
eines italienischen Zollvereins in's Reine bringen, der schon lange Zeit
in der italienischen Presse lebhafte Erörterung findet und günz beson¬
ders, wie man nicht vergessen darf, in der Mailänder Journalistik
große Fürsprecher gewonnen hat. Das Project in seiner idealen
Größe ist indeß an den politischen Bedenken der neapolitanischen und
römischen Regierung gescheitert, welche die österreichischen Waarenballen
ebenso ungern sehen, als die österreichischen Bajonette; man hat sich
mit partiellen Vortheilen begnügen müssen, die demnächst an's Licht
treten werden. Hier war es nun auch, wo die deutsche Partei, wenn
man sie schon so nennen will, nachdem das italienische Project ein¬
mal zu Boden gefallen, mit ihren Handelsplänen entschieden hervor¬
trat und die Verhältnisse zum deutschen Zollverein zur Sprache brachte.
Weil man die Schwierigkeiten kannte, die der vollständigen und un¬
verzüglichen Durchführung derselben unübersteiglich im Wege stehen,
so wurden die nach dieser Richtung zielenden Vorschläge wie eine bit¬
tere Pille, die der Kranke nur höchst ungern verschluckt, in den Sy-
rup probeweiser Schritte gehüllt, die man ja im Nothfall wieder
zurückmachen könne. Unter diesen Pillen spielte der Anschluß Böh¬
mens eine Hauptrolle, da man hiebei zugleich den Einfluß der freiern
Concurrenz auf die Verhältnisse des Proletariats studiren und prak¬
tisch erproben würde. Ein geistvoller Staatsmann, der vordem Oberst¬
burggraf in Böhmen gewesen und welchen die nationale Partei in
diesem Lande noch immer als ihren Sprecher am Throne des Kaisers
betrachtet, soll sich da lebhaft dagegen erklärt haben, wobei die natio¬
nalen und politischen Bedenken über das Finanzielle und Commerzielle
den Sieg davon getragen haben dürften. Daraus entstand die Sage
von dem Rücktritt des Grafen Kolowrat und der Beförderung des
Hofkammerpräfldenten Baron Kübeck zum Staatsminister, die sich
mit Blitzesschnelle nach Wien verbreitete und selbst ihren Weg in die
deutsche Presse gefunden hat. Man scheut indeß höchsten Orts derlei
populäre Kundgebungen politischer Meinungsverschiedenheit ungemein
und hat es darum vorgezogen, die Sache für den Augenblick ruhen
zu lassen und sie auf dem Wege allmäliger Verständigung zu ordnen.
Wer sich erinnert, welchen Ausgang die Tariffrage genommen hat,
gegen welche sich der Fabrikantenstand so laut erhob und die jetzt im¬
mer mehr ihrer Lösung entgegenschreitet, wird kaum darüber einen
ernstlichen Zweifel hegen können, auf wessen Seite sich die Schale
senken wird. Darum halten wir die Meinung derjenigen für unbe¬
gründet, welche aus der plötzlichen Stille, in welche die böhmische
Änschlußftage gehüllt worden, den Schluß ableiten, die Sache sei ent¬
weder von vornherein aus der Lust gegriffen oder wenigstens ein¬
geschlafen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181465"/>
            <p xml:id="ID_770" prev="#ID_769" next="#ID_771"> Trieft wollte man nun/ in gemeinsamer Besprechung mit den dort<lb/>
versammelten Fürsten und Staatsmännern Italiens, die Angelegenheit<lb/>
eines italienischen Zollvereins in's Reine bringen, der schon lange Zeit<lb/>
in der italienischen Presse lebhafte Erörterung findet und günz beson¬<lb/>
ders, wie man nicht vergessen darf, in der Mailänder Journalistik<lb/>
große Fürsprecher gewonnen hat. Das Project in seiner idealen<lb/>
Größe ist indeß an den politischen Bedenken der neapolitanischen und<lb/>
römischen Regierung gescheitert, welche die österreichischen Waarenballen<lb/>
ebenso ungern sehen, als die österreichischen Bajonette; man hat sich<lb/>
mit partiellen Vortheilen begnügen müssen, die demnächst an's Licht<lb/>
treten werden. Hier war es nun auch, wo die deutsche Partei, wenn<lb/>
man sie schon so nennen will, nachdem das italienische Project ein¬<lb/>
mal zu Boden gefallen, mit ihren Handelsplänen entschieden hervor¬<lb/>
trat und die Verhältnisse zum deutschen Zollverein zur Sprache brachte.<lb/>
Weil man die Schwierigkeiten kannte, die der vollständigen und un¬<lb/>
verzüglichen Durchführung derselben unübersteiglich im Wege stehen,<lb/>
so wurden die nach dieser Richtung zielenden Vorschläge wie eine bit¬<lb/>
tere Pille, die der Kranke nur höchst ungern verschluckt, in den Sy-<lb/>
rup probeweiser Schritte gehüllt, die man ja im Nothfall wieder<lb/>
zurückmachen könne. Unter diesen Pillen spielte der Anschluß Böh¬<lb/>
mens eine Hauptrolle, da man hiebei zugleich den Einfluß der freiern<lb/>
Concurrenz auf die Verhältnisse des Proletariats studiren und prak¬<lb/>
tisch erproben würde. Ein geistvoller Staatsmann, der vordem Oberst¬<lb/>
burggraf in Böhmen gewesen und welchen die nationale Partei in<lb/>
diesem Lande noch immer als ihren Sprecher am Throne des Kaisers<lb/>
betrachtet, soll sich da lebhaft dagegen erklärt haben, wobei die natio¬<lb/>
nalen und politischen Bedenken über das Finanzielle und Commerzielle<lb/>
den Sieg davon getragen haben dürften. Daraus entstand die Sage<lb/>
von dem Rücktritt des Grafen Kolowrat und der Beförderung des<lb/>
Hofkammerpräfldenten Baron Kübeck zum Staatsminister, die sich<lb/>
mit Blitzesschnelle nach Wien verbreitete und selbst ihren Weg in die<lb/>
deutsche Presse gefunden hat. Man scheut indeß höchsten Orts derlei<lb/>
populäre Kundgebungen politischer Meinungsverschiedenheit ungemein<lb/>
und hat es darum vorgezogen, die Sache für den Augenblick ruhen<lb/>
zu lassen und sie auf dem Wege allmäliger Verständigung zu ordnen.<lb/>
Wer sich erinnert, welchen Ausgang die Tariffrage genommen hat,<lb/>
gegen welche sich der Fabrikantenstand so laut erhob und die jetzt im¬<lb/>
mer mehr ihrer Lösung entgegenschreitet, wird kaum darüber einen<lb/>
ernstlichen Zweifel hegen können, auf wessen Seite sich die Schale<lb/>
senken wird. Darum halten wir die Meinung derjenigen für unbe¬<lb/>
gründet, welche aus der plötzlichen Stille, in welche die böhmische<lb/>
Änschlußftage gehüllt worden, den Schluß ableiten, die Sache sei ent¬<lb/>
weder von vornherein aus der Lust gegriffen oder wenigstens ein¬<lb/>
geschlafen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0281] Trieft wollte man nun/ in gemeinsamer Besprechung mit den dort versammelten Fürsten und Staatsmännern Italiens, die Angelegenheit eines italienischen Zollvereins in's Reine bringen, der schon lange Zeit in der italienischen Presse lebhafte Erörterung findet und günz beson¬ ders, wie man nicht vergessen darf, in der Mailänder Journalistik große Fürsprecher gewonnen hat. Das Project in seiner idealen Größe ist indeß an den politischen Bedenken der neapolitanischen und römischen Regierung gescheitert, welche die österreichischen Waarenballen ebenso ungern sehen, als die österreichischen Bajonette; man hat sich mit partiellen Vortheilen begnügen müssen, die demnächst an's Licht treten werden. Hier war es nun auch, wo die deutsche Partei, wenn man sie schon so nennen will, nachdem das italienische Project ein¬ mal zu Boden gefallen, mit ihren Handelsplänen entschieden hervor¬ trat und die Verhältnisse zum deutschen Zollverein zur Sprache brachte. Weil man die Schwierigkeiten kannte, die der vollständigen und un¬ verzüglichen Durchführung derselben unübersteiglich im Wege stehen, so wurden die nach dieser Richtung zielenden Vorschläge wie eine bit¬ tere Pille, die der Kranke nur höchst ungern verschluckt, in den Sy- rup probeweiser Schritte gehüllt, die man ja im Nothfall wieder zurückmachen könne. Unter diesen Pillen spielte der Anschluß Böh¬ mens eine Hauptrolle, da man hiebei zugleich den Einfluß der freiern Concurrenz auf die Verhältnisse des Proletariats studiren und prak¬ tisch erproben würde. Ein geistvoller Staatsmann, der vordem Oberst¬ burggraf in Böhmen gewesen und welchen die nationale Partei in diesem Lande noch immer als ihren Sprecher am Throne des Kaisers betrachtet, soll sich da lebhaft dagegen erklärt haben, wobei die natio¬ nalen und politischen Bedenken über das Finanzielle und Commerzielle den Sieg davon getragen haben dürften. Daraus entstand die Sage von dem Rücktritt des Grafen Kolowrat und der Beförderung des Hofkammerpräfldenten Baron Kübeck zum Staatsminister, die sich mit Blitzesschnelle nach Wien verbreitete und selbst ihren Weg in die deutsche Presse gefunden hat. Man scheut indeß höchsten Orts derlei populäre Kundgebungen politischer Meinungsverschiedenheit ungemein und hat es darum vorgezogen, die Sache für den Augenblick ruhen zu lassen und sie auf dem Wege allmäliger Verständigung zu ordnen. Wer sich erinnert, welchen Ausgang die Tariffrage genommen hat, gegen welche sich der Fabrikantenstand so laut erhob und die jetzt im¬ mer mehr ihrer Lösung entgegenschreitet, wird kaum darüber einen ernstlichen Zweifel hegen können, auf wessen Seite sich die Schale senken wird. Darum halten wir die Meinung derjenigen für unbe¬ gründet, welche aus der plötzlichen Stille, in welche die böhmische Änschlußftage gehüllt worden, den Schluß ableiten, die Sache sei ent¬ weder von vornherein aus der Lust gegriffen oder wenigstens ein¬ geschlafen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/281
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/281>, abgerufen am 06.10.2024.