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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Die Concurrenz schafft nicht blos Armuth, sie vergiftet diese noch.
Sie spielt mit dem Hunger, mit dem Leben des Arbeiters und hat
ihn vollständig in die Hand eines Einzelnen geworfen, der wieder
nur die Concurrenz über sich anerkennt und ihrem Schrecken, seinem
eigenen Ruin, dadurch zu begegnen sucht, daß er alle ihre bösen Fol-
gen aus seine besitzlosen Arbeiter überträgt und sie für dieselben ver¬
antwortlich macht. Um sich für eine falsche Spekulation, für eine,
durch Concurrenz hervorgerufene Preiserniedrigung zu entschädigen,
hält sich der Fabrikant an seine Arbeiter. Auf sie fällt der ganze,
letzte Druck, sie haben Niemand, bei dem sie sich für all den Druck
von oben entschädigen konnten; denn sie haben kein weiteres Unten,
sie sind das letzte Unten.

Bei einem solchen Zustande ist es wenig zu verwundern, daß
sich die Wuth der Arbeiter immer für's Erste gegen die Maschinen
kehrt, und daß sie größtentheils der beharrlichen Meinung sind, mit
der Vernichtung dieser Symbole und Producte des Menschengeistes
werde Alles wieder gut. Thörichter Wahn! Nicht diese Maschinen
bringen Unglück, nur die Bedingungen, unter denen sie den Triumph
des menschlichen Geistes darstellen; hebt diese Bedingungen auf, und
die Maschinen, welche oft mehr als philosophische Lehrsätze beweisen,
sind Altäre geworden. Die Organisation der Arbeit bedarf der Ma¬
schinen und ist erst durch sie möglich. Wer aber kann von dem Un¬
glücklichen, der unter dem Drucke der ganzen Pyramide hinkriecht,
verlangen, daß er ihren Bau übersehe? Wen kann es wundern, wenn
er Mittel und Ursachen verwechselt? Er greift nach dein Messer, wel¬
ches ihn verwundet. Er haßt diese Maschinen, deren großartigen
und erfindungsreichen Bau die feine Welt auf der GewerbeauSstcl-
lung nicht genug bewundern kann, er haßt sie mit Unrecht, aber er
haßt sie, um einen Gegenstand für seinen Haß und vielleicht auch
für seine Rache zu haben.

Die Concurrenz, welche den Arbeiter drückt, ist eine doppelte;
er concurrirt nicht nur mit Seinesgleichen, er concurrirt auch mit
den Maschinen. Während die steigende Population immer mehr ar¬
beitsuchende Hände, immer mehr hungernde Mäuler zum Vorschein
bringt, machen die Maschinen immer mehr Hände überflüssig. So
durch Armuth an die Scholle gefesselt, wo sie geboren worden, durch


Die Concurrenz schafft nicht blos Armuth, sie vergiftet diese noch.
Sie spielt mit dem Hunger, mit dem Leben des Arbeiters und hat
ihn vollständig in die Hand eines Einzelnen geworfen, der wieder
nur die Concurrenz über sich anerkennt und ihrem Schrecken, seinem
eigenen Ruin, dadurch zu begegnen sucht, daß er alle ihre bösen Fol-
gen aus seine besitzlosen Arbeiter überträgt und sie für dieselben ver¬
antwortlich macht. Um sich für eine falsche Spekulation, für eine,
durch Concurrenz hervorgerufene Preiserniedrigung zu entschädigen,
hält sich der Fabrikant an seine Arbeiter. Auf sie fällt der ganze,
letzte Druck, sie haben Niemand, bei dem sie sich für all den Druck
von oben entschädigen konnten; denn sie haben kein weiteres Unten,
sie sind das letzte Unten.

Bei einem solchen Zustande ist es wenig zu verwundern, daß
sich die Wuth der Arbeiter immer für's Erste gegen die Maschinen
kehrt, und daß sie größtentheils der beharrlichen Meinung sind, mit
der Vernichtung dieser Symbole und Producte des Menschengeistes
werde Alles wieder gut. Thörichter Wahn! Nicht diese Maschinen
bringen Unglück, nur die Bedingungen, unter denen sie den Triumph
des menschlichen Geistes darstellen; hebt diese Bedingungen auf, und
die Maschinen, welche oft mehr als philosophische Lehrsätze beweisen,
sind Altäre geworden. Die Organisation der Arbeit bedarf der Ma¬
schinen und ist erst durch sie möglich. Wer aber kann von dem Un¬
glücklichen, der unter dem Drucke der ganzen Pyramide hinkriecht,
verlangen, daß er ihren Bau übersehe? Wen kann es wundern, wenn
er Mittel und Ursachen verwechselt? Er greift nach dein Messer, wel¬
ches ihn verwundet. Er haßt diese Maschinen, deren großartigen
und erfindungsreichen Bau die feine Welt auf der GewerbeauSstcl-
lung nicht genug bewundern kann, er haßt sie mit Unrecht, aber er
haßt sie, um einen Gegenstand für seinen Haß und vielleicht auch
für seine Rache zu haben.

Die Concurrenz, welche den Arbeiter drückt, ist eine doppelte;
er concurrirt nicht nur mit Seinesgleichen, er concurrirt auch mit
den Maschinen. Während die steigende Population immer mehr ar¬
beitsuchende Hände, immer mehr hungernde Mäuler zum Vorschein
bringt, machen die Maschinen immer mehr Hände überflüssig. So
durch Armuth an die Scholle gefesselt, wo sie geboren worden, durch


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[0174] Die Concurrenz schafft nicht blos Armuth, sie vergiftet diese noch. Sie spielt mit dem Hunger, mit dem Leben des Arbeiters und hat ihn vollständig in die Hand eines Einzelnen geworfen, der wieder nur die Concurrenz über sich anerkennt und ihrem Schrecken, seinem eigenen Ruin, dadurch zu begegnen sucht, daß er alle ihre bösen Fol- gen aus seine besitzlosen Arbeiter überträgt und sie für dieselben ver¬ antwortlich macht. Um sich für eine falsche Spekulation, für eine, durch Concurrenz hervorgerufene Preiserniedrigung zu entschädigen, hält sich der Fabrikant an seine Arbeiter. Auf sie fällt der ganze, letzte Druck, sie haben Niemand, bei dem sie sich für all den Druck von oben entschädigen konnten; denn sie haben kein weiteres Unten, sie sind das letzte Unten. Bei einem solchen Zustande ist es wenig zu verwundern, daß sich die Wuth der Arbeiter immer für's Erste gegen die Maschinen kehrt, und daß sie größtentheils der beharrlichen Meinung sind, mit der Vernichtung dieser Symbole und Producte des Menschengeistes werde Alles wieder gut. Thörichter Wahn! Nicht diese Maschinen bringen Unglück, nur die Bedingungen, unter denen sie den Triumph des menschlichen Geistes darstellen; hebt diese Bedingungen auf, und die Maschinen, welche oft mehr als philosophische Lehrsätze beweisen, sind Altäre geworden. Die Organisation der Arbeit bedarf der Ma¬ schinen und ist erst durch sie möglich. Wer aber kann von dem Un¬ glücklichen, der unter dem Drucke der ganzen Pyramide hinkriecht, verlangen, daß er ihren Bau übersehe? Wen kann es wundern, wenn er Mittel und Ursachen verwechselt? Er greift nach dein Messer, wel¬ ches ihn verwundet. Er haßt diese Maschinen, deren großartigen und erfindungsreichen Bau die feine Welt auf der GewerbeauSstcl- lung nicht genug bewundern kann, er haßt sie mit Unrecht, aber er haßt sie, um einen Gegenstand für seinen Haß und vielleicht auch für seine Rache zu haben. Die Concurrenz, welche den Arbeiter drückt, ist eine doppelte; er concurrirt nicht nur mit Seinesgleichen, er concurrirt auch mit den Maschinen. Während die steigende Population immer mehr ar¬ beitsuchende Hände, immer mehr hungernde Mäuler zum Vorschein bringt, machen die Maschinen immer mehr Hände überflüssig. So durch Armuth an die Scholle gefesselt, wo sie geboren worden, durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/174>, abgerufen am 01.09.2024.