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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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hohen Beamten, der, der Veruntreuung angeklagt, von seinen Kolle¬
gen gern geschont werden wollte, in strengste Untersuchung gezogen
und einer gerechten Behandlung unterworfen. -- Für die arme Classe
wird immer noch wenig oder gar Nichts gethan, sie muß der kleine¬
ren verzehrenden Kaste allmälig übet den Kopf wachsen, und wird
es dann nicht zu spät sein, das Jahrhunderte lang gereifte Uebel mit
einem Streiche auszumerzen?


III.

Ncuczechischc Literaten-. -- Die Alten. -- Die Jungen. -- Die Geistlichen.--
Die ttiiiversitat. -- Der neue Schulplan. -- Die Jesuiten; I>. Schalk. --
Die Rvsenkranzgesellschaft.

Von der neuczechischen Literatur behauptete unlängst ein Slavo-
mane, sie sei wenigstens noch einmal so glänzend, als die gesammte
deutsche, denn was hätten denn die Deutschen, etwa Schiller und
Göthe ausgenommen? Das ist leider die Meinung eines großen
Theils der Czechen. Was der Czechc weiß, will er von Franzosen,
Engländern und Italiern gelernt haben, bei Leibe von keinem Deut¬
schen. Damit hilft er sich freilich am besten, er läugnet den mächti¬
gen deutschen Einfluß, dem er in Wirklichkeit nicht entgehen kann,
frisch weg. Es ist allerdings ehrenhaft, das Erwachen einer vater¬
ländischen Literatur mit patriotischem Enthusiasmus zu begrüßen, und
es ist zu entschuloigen, wenn die Vaterfreude aus Sternen sechster
und eilfter Größe Gestirne erster Größe macht; aber es ist lächer¬
lich, sich gegen die anerkannte Wahrheit, daß man von Anderen ge¬
lernt hat, sträuben zu wollen. Abneigung gegen das Deutsche trifft
man überhaupt bei slavischen Nationen. Auch der Pole sympathisirt
mehr mit den Franzosen, als mit uns. Davon trägt die beständige
Vorstellung des Deutschen als eines Unterdrückers, Schuld. Wenn
aber hier der Ort wäre, auf historische Thatsachen einzugehen, wie
er es nicht ist, so würde eS sich leicht herausstellen, daß die Ober¬
herrschaft des Deutschen meist nur eine in geistigen Interessen wal¬
tende war, und daß Cultur und Bildung deS Landes erst durch ei¬
gens berufene deutsche Kolonisten gehoben wurde. Indeß mögen
historische Thatsachen in Frieden ruhen, -- hier, wo es für die Gegen¬
wart nur darum sich handelt, Einigkeit und Frieden zwischen den
streitenden Parteien herzustellen, statt längstvernarbte Wunden aufzu-


hohen Beamten, der, der Veruntreuung angeklagt, von seinen Kolle¬
gen gern geschont werden wollte, in strengste Untersuchung gezogen
und einer gerechten Behandlung unterworfen. — Für die arme Classe
wird immer noch wenig oder gar Nichts gethan, sie muß der kleine¬
ren verzehrenden Kaste allmälig übet den Kopf wachsen, und wird
es dann nicht zu spät sein, das Jahrhunderte lang gereifte Uebel mit
einem Streiche auszumerzen?


III.

Ncuczechischc Literaten-. — Die Alten. — Die Jungen. — Die Geistlichen.—
Die ttiiiversitat. — Der neue Schulplan. — Die Jesuiten; I>. Schalk. —
Die Rvsenkranzgesellschaft.

Von der neuczechischen Literatur behauptete unlängst ein Slavo-
mane, sie sei wenigstens noch einmal so glänzend, als die gesammte
deutsche, denn was hätten denn die Deutschen, etwa Schiller und
Göthe ausgenommen? Das ist leider die Meinung eines großen
Theils der Czechen. Was der Czechc weiß, will er von Franzosen,
Engländern und Italiern gelernt haben, bei Leibe von keinem Deut¬
schen. Damit hilft er sich freilich am besten, er läugnet den mächti¬
gen deutschen Einfluß, dem er in Wirklichkeit nicht entgehen kann,
frisch weg. Es ist allerdings ehrenhaft, das Erwachen einer vater¬
ländischen Literatur mit patriotischem Enthusiasmus zu begrüßen, und
es ist zu entschuloigen, wenn die Vaterfreude aus Sternen sechster
und eilfter Größe Gestirne erster Größe macht; aber es ist lächer¬
lich, sich gegen die anerkannte Wahrheit, daß man von Anderen ge¬
lernt hat, sträuben zu wollen. Abneigung gegen das Deutsche trifft
man überhaupt bei slavischen Nationen. Auch der Pole sympathisirt
mehr mit den Franzosen, als mit uns. Davon trägt die beständige
Vorstellung des Deutschen als eines Unterdrückers, Schuld. Wenn
aber hier der Ort wäre, auf historische Thatsachen einzugehen, wie
er es nicht ist, so würde eS sich leicht herausstellen, daß die Ober¬
herrschaft des Deutschen meist nur eine in geistigen Interessen wal¬
tende war, und daß Cultur und Bildung deS Landes erst durch ei¬
gens berufene deutsche Kolonisten gehoben wurde. Indeß mögen
historische Thatsachen in Frieden ruhen, — hier, wo es für die Gegen¬
wart nur darum sich handelt, Einigkeit und Frieden zwischen den
streitenden Parteien herzustellen, statt längstvernarbte Wunden aufzu-


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[0163] hohen Beamten, der, der Veruntreuung angeklagt, von seinen Kolle¬ gen gern geschont werden wollte, in strengste Untersuchung gezogen und einer gerechten Behandlung unterworfen. — Für die arme Classe wird immer noch wenig oder gar Nichts gethan, sie muß der kleine¬ ren verzehrenden Kaste allmälig übet den Kopf wachsen, und wird es dann nicht zu spät sein, das Jahrhunderte lang gereifte Uebel mit einem Streiche auszumerzen? III. Ncuczechischc Literaten-. — Die Alten. — Die Jungen. — Die Geistlichen.— Die ttiiiversitat. — Der neue Schulplan. — Die Jesuiten; I>. Schalk. — Die Rvsenkranzgesellschaft. Von der neuczechischen Literatur behauptete unlängst ein Slavo- mane, sie sei wenigstens noch einmal so glänzend, als die gesammte deutsche, denn was hätten denn die Deutschen, etwa Schiller und Göthe ausgenommen? Das ist leider die Meinung eines großen Theils der Czechen. Was der Czechc weiß, will er von Franzosen, Engländern und Italiern gelernt haben, bei Leibe von keinem Deut¬ schen. Damit hilft er sich freilich am besten, er läugnet den mächti¬ gen deutschen Einfluß, dem er in Wirklichkeit nicht entgehen kann, frisch weg. Es ist allerdings ehrenhaft, das Erwachen einer vater¬ ländischen Literatur mit patriotischem Enthusiasmus zu begrüßen, und es ist zu entschuloigen, wenn die Vaterfreude aus Sternen sechster und eilfter Größe Gestirne erster Größe macht; aber es ist lächer¬ lich, sich gegen die anerkannte Wahrheit, daß man von Anderen ge¬ lernt hat, sträuben zu wollen. Abneigung gegen das Deutsche trifft man überhaupt bei slavischen Nationen. Auch der Pole sympathisirt mehr mit den Franzosen, als mit uns. Davon trägt die beständige Vorstellung des Deutschen als eines Unterdrückers, Schuld. Wenn aber hier der Ort wäre, auf historische Thatsachen einzugehen, wie er es nicht ist, so würde eS sich leicht herausstellen, daß die Ober¬ herrschaft des Deutschen meist nur eine in geistigen Interessen wal¬ tende war, und daß Cultur und Bildung deS Landes erst durch ei¬ gens berufene deutsche Kolonisten gehoben wurde. Indeß mögen historische Thatsachen in Frieden ruhen, — hier, wo es für die Gegen¬ wart nur darum sich handelt, Einigkeit und Frieden zwischen den streitenden Parteien herzustellen, statt längstvernarbte Wunden aufzu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/163>, abgerufen am 27.07.2024.