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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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nicht nach den Gemälden, und da sprangen mir unter anderm recht
die verschiedenen Motive in die Augen, welche das Publicum zum
Besuch der Ausstellung treiben. -- Bemerkbar sind auf jeder Berli¬
ner Ausstellung die jungen Kunstjünger, das heißt Schüler ver Aka¬
demie oder einzelne Professoren. Sie zeichnen sich durch mehr oder
weniger langes Haar und Henri quatre aus, welchen letzteren sie
beständig drehen. Außerdem haben sie sonst immer eine Mappe un¬
ter dem linken Arm, Stock und Mütze in der rechten Hand. Man
wird sie schwerlich verkennen. Vor den Franzosen und vor All dem,
was hübsch gemacht ist, stehen sie andächtig und bewundernd still;
Niemand läßt einen Laut hören, bis Einer aus die bezügliche Stelle
des Bildes hindeutend sagt: Teufel! wie ist das gemacht, . . . .
wie keck, wie dreist! -- Hast Du schon den Riedel gesehen? fragt
ein Anderer; er ist sehr fein in Farbe. An die schlechteren Bilder,
besonders an die schlechter gemalten, machen sie sich mit unbarmher¬
ziger Schärfe. Von der Seele eines Bildes, von dem Gedanken
wissen sie wenig oder Nichts, während sie in die Technik, in das
Handwerk der Kunst schon etwas eingeweiht sind. -- Wie lächer¬
lich diese Landschaft ist! . . . Eier und Spinat ... und sieh nur
den furchtbaren Perspectivfehler. Es ist entsetzlich, daß so etwas an¬
genommen wird! -- Der lange Bengel, welcher dies sagte, gehört
zu den unglücklichen Einsendern, deren Bilder nicht angenommen
wurden. -- Zu den komischen Figuren auf einer Ausstellung gehö¬
ren ferner die, deren Porträts dort sind. Sehen Sie diese nicht
mehr ganz junge Dame, welche durch ihre gesuchte Toilette auffällt.
Sie tritt in den ersten Saal .... nicht da? ... . Weiter! Sie
läuft von Saal zu Saal, ohne die Bilder mehr als eines Blickes
zu würdigen. Ihr kleiner Herr Gemahl vermag ihr kaum zu folgen,
und überdies knarren seine Stiefel so sehr, daß er nicht ordentlich
aufzutreten wagt. Endlich treten sie in eines der letzten Zimmer, und
die Dame läuft auf ein abscheuliches Porträt zu, indem sie trium-
phirend ausruft: Ach! da bin ich ja! Die Anwesenden sehen sich
um und betrachten die Dame, die so schreit. Sie bemerkt eS und
leitet die Blicke Aller dadurch aus ihr Porträt, daß sie zu ihrem
Mann sagt: Wie schlecht ich placirt bin, . . . aber es thut Nichts,
es ist doch ein schönes Bild! ... ich bin sehr getroffen, ... zum
Sprechen ähnlich! Die Umstehenden werfen einen Blick auf das


nicht nach den Gemälden, und da sprangen mir unter anderm recht
die verschiedenen Motive in die Augen, welche das Publicum zum
Besuch der Ausstellung treiben. — Bemerkbar sind auf jeder Berli¬
ner Ausstellung die jungen Kunstjünger, das heißt Schüler ver Aka¬
demie oder einzelne Professoren. Sie zeichnen sich durch mehr oder
weniger langes Haar und Henri quatre aus, welchen letzteren sie
beständig drehen. Außerdem haben sie sonst immer eine Mappe un¬
ter dem linken Arm, Stock und Mütze in der rechten Hand. Man
wird sie schwerlich verkennen. Vor den Franzosen und vor All dem,
was hübsch gemacht ist, stehen sie andächtig und bewundernd still;
Niemand läßt einen Laut hören, bis Einer aus die bezügliche Stelle
des Bildes hindeutend sagt: Teufel! wie ist das gemacht, . . . .
wie keck, wie dreist! — Hast Du schon den Riedel gesehen? fragt
ein Anderer; er ist sehr fein in Farbe. An die schlechteren Bilder,
besonders an die schlechter gemalten, machen sie sich mit unbarmher¬
ziger Schärfe. Von der Seele eines Bildes, von dem Gedanken
wissen sie wenig oder Nichts, während sie in die Technik, in das
Handwerk der Kunst schon etwas eingeweiht sind. — Wie lächer¬
lich diese Landschaft ist! . . . Eier und Spinat ... und sieh nur
den furchtbaren Perspectivfehler. Es ist entsetzlich, daß so etwas an¬
genommen wird! — Der lange Bengel, welcher dies sagte, gehört
zu den unglücklichen Einsendern, deren Bilder nicht angenommen
wurden. — Zu den komischen Figuren auf einer Ausstellung gehö¬
ren ferner die, deren Porträts dort sind. Sehen Sie diese nicht
mehr ganz junge Dame, welche durch ihre gesuchte Toilette auffällt.
Sie tritt in den ersten Saal .... nicht da? ... . Weiter! Sie
läuft von Saal zu Saal, ohne die Bilder mehr als eines Blickes
zu würdigen. Ihr kleiner Herr Gemahl vermag ihr kaum zu folgen,
und überdies knarren seine Stiefel so sehr, daß er nicht ordentlich
aufzutreten wagt. Endlich treten sie in eines der letzten Zimmer, und
die Dame läuft auf ein abscheuliches Porträt zu, indem sie trium-
phirend ausruft: Ach! da bin ich ja! Die Anwesenden sehen sich
um und betrachten die Dame, die so schreit. Sie bemerkt eS und
leitet die Blicke Aller dadurch aus ihr Porträt, daß sie zu ihrem
Mann sagt: Wie schlecht ich placirt bin, . . . aber es thut Nichts,
es ist doch ein schönes Bild! ... ich bin sehr getroffen, ... zum
Sprechen ähnlich! Die Umstehenden werfen einen Blick auf das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/150>, abgerufen am 01.09.2024.