Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Naczynski s Gemäldegalerie in Berlin.
Bon
Ban S " Y d e r S. ")



I.

Ich kam von der Kunstausstellung aus der Akademie. Ich hatte
mich zwei Stunden dort herumstoßen lassen, hatte um Entschuldigung
gebeten und Entschuldigungen in Empfang genommen, hatte mich
gefreut und geärgert, dies und jenes, am allerwenigsten aber das
gethan, was ich mir vorgenommen, nämlich Bilder gesehen. Was
denn? wird man fragen, -- viel, sehr viel. -- Wer je eine große
Ausstellung in Berlin besucht hat, wird wissen, daß dort eigentlich
Nichts schwerer ist, als ein Bild zu sehen zu bekommen. Da sind
so viel Menschen, die gesehen sein wollen und sich vor Euere Augen
stellen; da sind Hunderte von Damen, die verlangen, daß Ihr nicht
nur sie selbst, sondern auch ihre Toilette bewundert; da sind abge¬
schmackte Alte und naseweise Jungen, die Euch durch ihre dum¬
men Bemerkungen verjagen, wenn Ihr eben vor ein Bild getreten
seid, vor dem Ihr eine Viertelstunde Oueue machtet; da sind tau¬
send andere Dinge, die es nicht zulassen, daß Ihr nur fünf Minu¬
ten ungestört betrachten könnt. Gerade heute schienen sich diese klei¬
nen Leiden gegen mich verschworen zu haben; ich ließ mich zehn Mal
unterbrechen, aber das eilfte Mal war meine Geduld zu Ende, und
ich beschloß, mich den lebenden Bildern zuzuwenden, die leider nur
zu sehr schnatterten, um viel von einem Bilde zu haben. Ich schlen¬
derte aus einem Saale in den anderen, ich sah überall hin, nur



Die Red-
*) Dieselbe Feder hat uns bereits die permanente Kuhr'sche Ausstelln".,
>" Berlin geschildert.
Greuzbvtcn ,8/./.. II. 19
Naczynski s Gemäldegalerie in Berlin.
Bon
Ban S » Y d e r S. »)



I.

Ich kam von der Kunstausstellung aus der Akademie. Ich hatte
mich zwei Stunden dort herumstoßen lassen, hatte um Entschuldigung
gebeten und Entschuldigungen in Empfang genommen, hatte mich
gefreut und geärgert, dies und jenes, am allerwenigsten aber das
gethan, was ich mir vorgenommen, nämlich Bilder gesehen. Was
denn? wird man fragen, — viel, sehr viel. — Wer je eine große
Ausstellung in Berlin besucht hat, wird wissen, daß dort eigentlich
Nichts schwerer ist, als ein Bild zu sehen zu bekommen. Da sind
so viel Menschen, die gesehen sein wollen und sich vor Euere Augen
stellen; da sind Hunderte von Damen, die verlangen, daß Ihr nicht
nur sie selbst, sondern auch ihre Toilette bewundert; da sind abge¬
schmackte Alte und naseweise Jungen, die Euch durch ihre dum¬
men Bemerkungen verjagen, wenn Ihr eben vor ein Bild getreten
seid, vor dem Ihr eine Viertelstunde Oueue machtet; da sind tau¬
send andere Dinge, die es nicht zulassen, daß Ihr nur fünf Minu¬
ten ungestört betrachten könnt. Gerade heute schienen sich diese klei¬
nen Leiden gegen mich verschworen zu haben; ich ließ mich zehn Mal
unterbrechen, aber das eilfte Mal war meine Geduld zu Ende, und
ich beschloß, mich den lebenden Bildern zuzuwenden, die leider nur
zu sehr schnatterten, um viel von einem Bilde zu haben. Ich schlen¬
derte aus einem Saale in den anderen, ich sah überall hin, nur



Die Red-
*) Dieselbe Feder hat uns bereits die permanente Kuhr'sche Ausstelln».,
>» Berlin geschildert.
Greuzbvtcn ,8/./.. II. 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181333"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Naczynski s Gemäldegalerie in Berlin.<lb/><note type="byline"> Bon<lb/>
Ban S » Y d e r S. »)</note></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> I.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_454" next="#ID_455"> Ich kam von der Kunstausstellung aus der Akademie. Ich hatte<lb/>
mich zwei Stunden dort herumstoßen lassen, hatte um Entschuldigung<lb/>
gebeten und Entschuldigungen in Empfang genommen, hatte mich<lb/>
gefreut und geärgert, dies und jenes, am allerwenigsten aber das<lb/>
gethan, was ich mir vorgenommen, nämlich Bilder gesehen. Was<lb/>
denn? wird man fragen, &#x2014; viel, sehr viel. &#x2014; Wer je eine große<lb/>
Ausstellung in Berlin besucht hat, wird wissen, daß dort eigentlich<lb/>
Nichts schwerer ist, als ein Bild zu sehen zu bekommen. Da sind<lb/>
so viel Menschen, die gesehen sein wollen und sich vor Euere Augen<lb/>
stellen; da sind Hunderte von Damen, die verlangen, daß Ihr nicht<lb/>
nur sie selbst, sondern auch ihre Toilette bewundert; da sind abge¬<lb/>
schmackte Alte und naseweise Jungen, die Euch durch ihre dum¬<lb/>
men Bemerkungen verjagen, wenn Ihr eben vor ein Bild getreten<lb/>
seid, vor dem Ihr eine Viertelstunde Oueue machtet; da sind tau¬<lb/>
send andere Dinge, die es nicht zulassen, daß Ihr nur fünf Minu¬<lb/>
ten ungestört betrachten könnt. Gerade heute schienen sich diese klei¬<lb/>
nen Leiden gegen mich verschworen zu haben; ich ließ mich zehn Mal<lb/>
unterbrechen, aber das eilfte Mal war meine Geduld zu Ende, und<lb/>
ich beschloß, mich den lebenden Bildern zuzuwenden, die leider nur<lb/>
zu sehr schnatterten, um viel von einem Bilde zu haben. Ich schlen¬<lb/>
derte aus einem Saale in den anderen, ich sah überall hin, nur</p><lb/>
            <note xml:id="FID_7" place="foot"> *) Dieselbe Feder hat uns bereits die permanente Kuhr'sche Ausstelln».,<lb/>
&gt;» Berlin geschildert.</note><lb/>
            <note type="byline"> Die Red-</note><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Greuzbvtcn ,8/./..  II. 19</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0149] Naczynski s Gemäldegalerie in Berlin. Bon Ban S » Y d e r S. ») I. Ich kam von der Kunstausstellung aus der Akademie. Ich hatte mich zwei Stunden dort herumstoßen lassen, hatte um Entschuldigung gebeten und Entschuldigungen in Empfang genommen, hatte mich gefreut und geärgert, dies und jenes, am allerwenigsten aber das gethan, was ich mir vorgenommen, nämlich Bilder gesehen. Was denn? wird man fragen, — viel, sehr viel. — Wer je eine große Ausstellung in Berlin besucht hat, wird wissen, daß dort eigentlich Nichts schwerer ist, als ein Bild zu sehen zu bekommen. Da sind so viel Menschen, die gesehen sein wollen und sich vor Euere Augen stellen; da sind Hunderte von Damen, die verlangen, daß Ihr nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Toilette bewundert; da sind abge¬ schmackte Alte und naseweise Jungen, die Euch durch ihre dum¬ men Bemerkungen verjagen, wenn Ihr eben vor ein Bild getreten seid, vor dem Ihr eine Viertelstunde Oueue machtet; da sind tau¬ send andere Dinge, die es nicht zulassen, daß Ihr nur fünf Minu¬ ten ungestört betrachten könnt. Gerade heute schienen sich diese klei¬ nen Leiden gegen mich verschworen zu haben; ich ließ mich zehn Mal unterbrechen, aber das eilfte Mal war meine Geduld zu Ende, und ich beschloß, mich den lebenden Bildern zuzuwenden, die leider nur zu sehr schnatterten, um viel von einem Bilde zu haben. Ich schlen¬ derte aus einem Saale in den anderen, ich sah überall hin, nur Die Red- *) Dieselbe Feder hat uns bereits die permanente Kuhr'sche Ausstelln»., >» Berlin geschildert. Greuzbvtcn ,8/./.. II. 19

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/149
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/149>, abgerufen am 27.07.2024.