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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Feste des Königs und des Gewerbevereins abwarten wollten, dann
wird selbst das bekanntlich für seine Einwohnerzahl viel zu weitschich¬
tige Berlin ein enges Wohnhaus; indessen wird der Frcmdenandrang
jetzt wohl seinen Höhepunkt erreicht haben, da die GeWerbeausstellung
am 20. October geschlossen und auch die Jahreszeit immer unfreund¬
licher für den Aufenthalt in einer fremden Stadt wird. -- Das Fest,
das der König den fremden und einheimischen Industriellen in Pots¬
dam veranstaltet hat, gleicht ganz dem zu ähnlichen Zwecke von Lud¬
wig Philipp in Versailles gegebenen. Es ist damit eine theatralische
Borstellung im sogenannten neuen Palais verbunden; auch wird heute
der alte Landsitz Friedrich's des Großen, das schöne Sanssouci mit
seiner prachtvollen Terrasse glänzend erleuchtet sein. Ueber das große
Fest, welches der Gewerbeverein in diesen Tagen den fremden Indu¬
striellen und Technikern im Kroll'schen Locale veranstaltet, hoffe ich,
Ihnen Näheres schreiben zu können, da ich, obwohl weder zu den
Einen, noch zu den Andern gehörend, doch von einem gewerbfleißigen
Freunde dazu eingeladen worden bin. -- Von unseren Ministcrver-
anderungen, sowohl von den bereits eingetretenen, als von denen in
"no mag ich Sie nicht unterhalten, da Sie hierüber doch nur zu viel
schon in den politischen Blattern zu lesen bekommen und am Ende
doch Alles beim Alten bleibt. Den neuen königlichen sächsischen Mi¬
nister, Herrn von Falckenstein, der zur GeWerbeausstellung hierher ge¬
kommen war, haben wir als einen hochgebildeten und allem Anscheine
nach seine Zeit und die Forderungen derselben sehr wohl begreifenden
Mann kennen gelernt. Wir können nicht sagen, daß wir dieselbe Be¬
merkung auch bei einem zu demselben Zwecke hierher gekommenen
Minister Ernst August's, bei einem College-: des Herrn von Scheele,
gemacht, welcher letztere jetzt vor einem Richterstuhle steht, vor wel¬
chem auch die unverantwortlichen Minister des Königs von Hanno¬
ver verantwortlich sind.

Recht überrascht haben hier die kürzlich eingetroffenen Zeitgedichte
von Freiligrath, die er unter dem Titel "Ein Glaubensbekenntniß"
bei Victor von Aabern in Mainz herausgegeben. Wir haben nie auf¬
gehört, Freiligrath für einen Ehrenmann zu halten und ihn mehr zu
schätzen als seine pochenden und prahlenden Gegner, die es ihm nicht
verzeihen konnten, daß ihm der König von Preußen aus freien Stücken
eine Penston von dreihundert Thaler bewilligt hatte. Jetzt erfahren
wir, daß er die vielbesprochene kleine Pension in die Hände des Kö¬
nigs zurückgegeben und sie seit Neujahr 1844 nicht mehr erhebe. Erbat in
jenem "Glaubensbekenntniß", in welchem er sich offen und entschie¬
den zur Opposition bekennt, neben den unzweideutigen Lauten der letz¬
teren auch die Gedichte der vorangegangenen Periode mitgetheilt, in
welcher er noch geschwankt und gehofft hat, aber nie seine Ueberzeu¬
gungen verläugnete. Jetzt ist sein Gesicht nur der Zukunft zuge-


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Feste des Königs und des Gewerbevereins abwarten wollten, dann
wird selbst das bekanntlich für seine Einwohnerzahl viel zu weitschich¬
tige Berlin ein enges Wohnhaus; indessen wird der Frcmdenandrang
jetzt wohl seinen Höhepunkt erreicht haben, da die GeWerbeausstellung
am 20. October geschlossen und auch die Jahreszeit immer unfreund¬
licher für den Aufenthalt in einer fremden Stadt wird. — Das Fest,
das der König den fremden und einheimischen Industriellen in Pots¬
dam veranstaltet hat, gleicht ganz dem zu ähnlichen Zwecke von Lud¬
wig Philipp in Versailles gegebenen. Es ist damit eine theatralische
Borstellung im sogenannten neuen Palais verbunden; auch wird heute
der alte Landsitz Friedrich's des Großen, das schöne Sanssouci mit
seiner prachtvollen Terrasse glänzend erleuchtet sein. Ueber das große
Fest, welches der Gewerbeverein in diesen Tagen den fremden Indu¬
striellen und Technikern im Kroll'schen Locale veranstaltet, hoffe ich,
Ihnen Näheres schreiben zu können, da ich, obwohl weder zu den
Einen, noch zu den Andern gehörend, doch von einem gewerbfleißigen
Freunde dazu eingeladen worden bin. — Von unseren Ministcrver-
anderungen, sowohl von den bereits eingetretenen, als von denen in
«no mag ich Sie nicht unterhalten, da Sie hierüber doch nur zu viel
schon in den politischen Blattern zu lesen bekommen und am Ende
doch Alles beim Alten bleibt. Den neuen königlichen sächsischen Mi¬
nister, Herrn von Falckenstein, der zur GeWerbeausstellung hierher ge¬
kommen war, haben wir als einen hochgebildeten und allem Anscheine
nach seine Zeit und die Forderungen derselben sehr wohl begreifenden
Mann kennen gelernt. Wir können nicht sagen, daß wir dieselbe Be¬
merkung auch bei einem zu demselben Zwecke hierher gekommenen
Minister Ernst August's, bei einem College-: des Herrn von Scheele,
gemacht, welcher letztere jetzt vor einem Richterstuhle steht, vor wel¬
chem auch die unverantwortlichen Minister des Königs von Hanno¬
ver verantwortlich sind.

Recht überrascht haben hier die kürzlich eingetroffenen Zeitgedichte
von Freiligrath, die er unter dem Titel „Ein Glaubensbekenntniß"
bei Victor von Aabern in Mainz herausgegeben. Wir haben nie auf¬
gehört, Freiligrath für einen Ehrenmann zu halten und ihn mehr zu
schätzen als seine pochenden und prahlenden Gegner, die es ihm nicht
verzeihen konnten, daß ihm der König von Preußen aus freien Stücken
eine Penston von dreihundert Thaler bewilligt hatte. Jetzt erfahren
wir, daß er die vielbesprochene kleine Pension in die Hände des Kö¬
nigs zurückgegeben und sie seit Neujahr 1844 nicht mehr erhebe. Erbat in
jenem „Glaubensbekenntniß", in welchem er sich offen und entschie¬
den zur Opposition bekennt, neben den unzweideutigen Lauten der letz¬
teren auch die Gedichte der vorangegangenen Periode mitgetheilt, in
welcher er noch geschwankt und gehofft hat, aber nie seine Ueberzeu¬
gungen verläugnete. Jetzt ist sein Gesicht nur der Zukunft zuge-


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[0141] Feste des Königs und des Gewerbevereins abwarten wollten, dann wird selbst das bekanntlich für seine Einwohnerzahl viel zu weitschich¬ tige Berlin ein enges Wohnhaus; indessen wird der Frcmdenandrang jetzt wohl seinen Höhepunkt erreicht haben, da die GeWerbeausstellung am 20. October geschlossen und auch die Jahreszeit immer unfreund¬ licher für den Aufenthalt in einer fremden Stadt wird. — Das Fest, das der König den fremden und einheimischen Industriellen in Pots¬ dam veranstaltet hat, gleicht ganz dem zu ähnlichen Zwecke von Lud¬ wig Philipp in Versailles gegebenen. Es ist damit eine theatralische Borstellung im sogenannten neuen Palais verbunden; auch wird heute der alte Landsitz Friedrich's des Großen, das schöne Sanssouci mit seiner prachtvollen Terrasse glänzend erleuchtet sein. Ueber das große Fest, welches der Gewerbeverein in diesen Tagen den fremden Indu¬ striellen und Technikern im Kroll'schen Locale veranstaltet, hoffe ich, Ihnen Näheres schreiben zu können, da ich, obwohl weder zu den Einen, noch zu den Andern gehörend, doch von einem gewerbfleißigen Freunde dazu eingeladen worden bin. — Von unseren Ministcrver- anderungen, sowohl von den bereits eingetretenen, als von denen in «no mag ich Sie nicht unterhalten, da Sie hierüber doch nur zu viel schon in den politischen Blattern zu lesen bekommen und am Ende doch Alles beim Alten bleibt. Den neuen königlichen sächsischen Mi¬ nister, Herrn von Falckenstein, der zur GeWerbeausstellung hierher ge¬ kommen war, haben wir als einen hochgebildeten und allem Anscheine nach seine Zeit und die Forderungen derselben sehr wohl begreifenden Mann kennen gelernt. Wir können nicht sagen, daß wir dieselbe Be¬ merkung auch bei einem zu demselben Zwecke hierher gekommenen Minister Ernst August's, bei einem College-: des Herrn von Scheele, gemacht, welcher letztere jetzt vor einem Richterstuhle steht, vor wel¬ chem auch die unverantwortlichen Minister des Königs von Hanno¬ ver verantwortlich sind. Recht überrascht haben hier die kürzlich eingetroffenen Zeitgedichte von Freiligrath, die er unter dem Titel „Ein Glaubensbekenntniß" bei Victor von Aabern in Mainz herausgegeben. Wir haben nie auf¬ gehört, Freiligrath für einen Ehrenmann zu halten und ihn mehr zu schätzen als seine pochenden und prahlenden Gegner, die es ihm nicht verzeihen konnten, daß ihm der König von Preußen aus freien Stücken eine Penston von dreihundert Thaler bewilligt hatte. Jetzt erfahren wir, daß er die vielbesprochene kleine Pension in die Hände des Kö¬ nigs zurückgegeben und sie seit Neujahr 1844 nicht mehr erhebe. Erbat in jenem „Glaubensbekenntniß", in welchem er sich offen und entschie¬ den zur Opposition bekennt, neben den unzweideutigen Lauten der letz¬ teren auch die Gedichte der vorangegangenen Periode mitgetheilt, in welcher er noch geschwankt und gehofft hat, aber nie seine Ueberzeu¬ gungen verläugnete. Jetzt ist sein Gesicht nur der Zukunft zuge- <«rc»zbote» I»i4. II.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/141>, abgerufen am 27.07.2024.