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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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und war, was man zu sagen pflegt, kreuzfidel. Er faßte jetzt des
erröthenden Mädchens Hand, kam auf mich zu und sagte: Herr
Doctor, oder richtiger, Herr Sohn, denn daß Ihr beide Eucl/gut
seid, das habe ich längst gemerkt, Sie werden sich erinnern, was ich
Ihnen noch vor Kurzem geoffenbart habe? Es ist nur ein Glück,
daß Sie die abschlägige Antwort, die Ihnen schon auf den Lippen
schwebte, nicht aussprachen, sonst dürste ich Ihnen wahrlich meine
Toni nicht geben. -- Doch, wie hab ich's alter Mann verdient, daß
mir der Himmel noch so viel Freude schenkt? Darum nehmen Sie
nur das Mädchen und mich dazu. Wir ziehen dann selbander nach
Birkenfeld und, leben vergnügt; denn in Euerer Gesellschaft fürchte
ich mich selbst vor Beelzebub nicht. --

-- Und nun, Kinder, rief der fröhliche Alte, laßt uns auch
munter sein! Wir feiern heute das Verlobungsfest meiner Toni.
Wer so wie ich die Tücke des Lebens erfahren hat und mit einem
Fuße schon im Grabe steht, der darf nicht lange zögern,

-- DaS Anordnen des Festes überlaßt mir, rief Wendelin, ich
fordere weiter Nichts, als daß die Gesellschaft sich Nachmittags prä¬
cis zwei Uhr bereit halte.

Damit entfernte sich der wackere Freund, auch die Tante schützte
Geschäfte vor, und so blieben wir Drei allein. Wir wußten nicht,
wie uns die flüchtigen Stunden dahingeschwunden waren, und hat¬
ten in traulichem Kosen und Plaudern die ganze Welt vergessen, so
daß unH Wendelin'ö Mahnung zum Aufbruch immer noch zu früh kam.

Ein Paar bequeme Wagen mit raschen Pferden brachten uns
schnell nach dem ungefähr zwei Stunden entfernten Louisenthal, einen,
einsam und malerisch gelegenen Dörfchen, das Wendelin zu dieser
Feier erkoren hatte. Ein einfaches und geschmackvolles Mahl war
umer einer schattigen Linde bereitet, die, aus einer Anhöhe stehend,
zugleich eine reizende Aussicht auf grünende Felder und Wiesen bot

Der Becher kreiste fröhlich in der Runde und beschwichtigte
selbst den Aerger der Tante, die dem Herrn Schwager die dringend¬
sten Vorstellungen machte, wenn er seine Tochter Toni nannte, und
immer hinzusetzte- Bei uns ist sie ja Wilhelmine genannt worden.-
Die drückende Schwüle des Tages wich allmälig einer angenehmen
und wohlthuenden Frische, nur erhoben sich auch gegen Abend leichte


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und war, was man zu sagen pflegt, kreuzfidel. Er faßte jetzt des
erröthenden Mädchens Hand, kam auf mich zu und sagte: Herr
Doctor, oder richtiger, Herr Sohn, denn daß Ihr beide Eucl/gut
seid, das habe ich längst gemerkt, Sie werden sich erinnern, was ich
Ihnen noch vor Kurzem geoffenbart habe? Es ist nur ein Glück,
daß Sie die abschlägige Antwort, die Ihnen schon auf den Lippen
schwebte, nicht aussprachen, sonst dürste ich Ihnen wahrlich meine
Toni nicht geben. — Doch, wie hab ich's alter Mann verdient, daß
mir der Himmel noch so viel Freude schenkt? Darum nehmen Sie
nur das Mädchen und mich dazu. Wir ziehen dann selbander nach
Birkenfeld und, leben vergnügt; denn in Euerer Gesellschaft fürchte
ich mich selbst vor Beelzebub nicht. —

— Und nun, Kinder, rief der fröhliche Alte, laßt uns auch
munter sein! Wir feiern heute das Verlobungsfest meiner Toni.
Wer so wie ich die Tücke des Lebens erfahren hat und mit einem
Fuße schon im Grabe steht, der darf nicht lange zögern,

— DaS Anordnen des Festes überlaßt mir, rief Wendelin, ich
fordere weiter Nichts, als daß die Gesellschaft sich Nachmittags prä¬
cis zwei Uhr bereit halte.

Damit entfernte sich der wackere Freund, auch die Tante schützte
Geschäfte vor, und so blieben wir Drei allein. Wir wußten nicht,
wie uns die flüchtigen Stunden dahingeschwunden waren, und hat¬
ten in traulichem Kosen und Plaudern die ganze Welt vergessen, so
daß unH Wendelin'ö Mahnung zum Aufbruch immer noch zu früh kam.

Ein Paar bequeme Wagen mit raschen Pferden brachten uns
schnell nach dem ungefähr zwei Stunden entfernten Louisenthal, einen,
einsam und malerisch gelegenen Dörfchen, das Wendelin zu dieser
Feier erkoren hatte. Ein einfaches und geschmackvolles Mahl war
umer einer schattigen Linde bereitet, die, aus einer Anhöhe stehend,
zugleich eine reizende Aussicht auf grünende Felder und Wiesen bot

Der Becher kreiste fröhlich in der Runde und beschwichtigte
selbst den Aerger der Tante, die dem Herrn Schwager die dringend¬
sten Vorstellungen machte, wenn er seine Tochter Toni nannte, und
immer hinzusetzte- Bei uns ist sie ja Wilhelmine genannt worden.-
Die drückende Schwüle des Tages wich allmälig einer angenehmen
und wohlthuenden Frische, nur erhoben sich auch gegen Abend leichte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/127>, abgerufen am 01.09.2024.