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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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-- Sie schliefen recht gut und sanft, erwiederte ich, gleichfalls
lachend, vielleicht hat Friedrich Sie doch in Ihrer Ruhe gestört?

-- Nein, nein! ich bin sehr froh, daß ich so unerwartet geweckt
worden bin, und fühle mich so munter und leicht, daß ich mit Fried¬
rich tanzen könnte. Dabei sprang mein Kranker vom Bette herab
und hüpfte vergnügt in der Stube umher.

Plötzlich schien es ihm einzufallen, daß er sich in Schönbrunn
befinde, und welche Zufälle ihn am Morgen auf das Lager gewor¬
fen hatten. Er blieb stehen, legte die Hand an die Stirn, und sein
Auge verdüsterte sich. O Gott, murmelte er, wie kann man doch
so leichtsinnig sein und seinem Feinde solche Blößen geben?

-- Glück auf, Herr Professor! sprach ich und reichte ihm freund¬
lich die Hand. Lassen Sie uns vergessen, was dahinten liegt, und
freudig die Gegenwart genießen. Ich habe für Sie eine Mahlzeit
bestellt, die Ihnen zuträglich sein wird, da Sie doch einmal die Mit¬
tagsstunde verschlafen haben; nachher machen wir einen Gang in'ö
Freie. Sie werden alte Bekannte treffen, die Frau Fvrsträthin, welche
jeden Satz mit "bei uns" anfängt, und deren reizende Nichte. Ich
habe mit ihnen an der Wirthstafel gegessen und versprochen, sis
auf den Abend abzuholen.

Es war Manches, was meinem Patienten Bedenklichkeiten
machte in meinem Vorschlage, besonders schien es ihm zu gewagt,
sich am Abend dem Staubteufel bloszustellen, der eigentlich ein Geist
der Finsterniß sei und dessen Herrschaft nur am hellen Mittag we¬
niger zu fürchten. Aber wozu kann ein Verliebter, und ein solcher
war ich damals, nicht überreden? das Aufheiternde neuer Umgebun¬
gen und eines Glases guten Weins kam noch hinzu, und so ließ sich
der Professor endlich Alles gefallen. Die Damen erwarteten uns
schon, und so wanderten wir sämmtlich in'ö Freie. Robert mit der
Tante ergoß sich über Licht- und Schattenmassen, über.Baumschlag,
Luft- und Linearpcrspective und über hundert andere Gegenstände
mit der Beredsamkeit und dem Feuer eines Künstlers, daß die gute
Tante nur zuweilen ein "bei uns" einschieben, aber nie ihren Satz
vollenden und angeben konnte, wie es denn eigentlich "bei uns
wäre?

Bei uns d. h. bei mir und der schönen Wilhelmine standen die
Sachen vortrefflich. Je mehr der Professor declamirte und mit der


— Sie schliefen recht gut und sanft, erwiederte ich, gleichfalls
lachend, vielleicht hat Friedrich Sie doch in Ihrer Ruhe gestört?

— Nein, nein! ich bin sehr froh, daß ich so unerwartet geweckt
worden bin, und fühle mich so munter und leicht, daß ich mit Fried¬
rich tanzen könnte. Dabei sprang mein Kranker vom Bette herab
und hüpfte vergnügt in der Stube umher.

Plötzlich schien es ihm einzufallen, daß er sich in Schönbrunn
befinde, und welche Zufälle ihn am Morgen auf das Lager gewor¬
fen hatten. Er blieb stehen, legte die Hand an die Stirn, und sein
Auge verdüsterte sich. O Gott, murmelte er, wie kann man doch
so leichtsinnig sein und seinem Feinde solche Blößen geben?

— Glück auf, Herr Professor! sprach ich und reichte ihm freund¬
lich die Hand. Lassen Sie uns vergessen, was dahinten liegt, und
freudig die Gegenwart genießen. Ich habe für Sie eine Mahlzeit
bestellt, die Ihnen zuträglich sein wird, da Sie doch einmal die Mit¬
tagsstunde verschlafen haben; nachher machen wir einen Gang in'ö
Freie. Sie werden alte Bekannte treffen, die Frau Fvrsträthin, welche
jeden Satz mit „bei uns" anfängt, und deren reizende Nichte. Ich
habe mit ihnen an der Wirthstafel gegessen und versprochen, sis
auf den Abend abzuholen.

Es war Manches, was meinem Patienten Bedenklichkeiten
machte in meinem Vorschlage, besonders schien es ihm zu gewagt,
sich am Abend dem Staubteufel bloszustellen, der eigentlich ein Geist
der Finsterniß sei und dessen Herrschaft nur am hellen Mittag we¬
niger zu fürchten. Aber wozu kann ein Verliebter, und ein solcher
war ich damals, nicht überreden? das Aufheiternde neuer Umgebun¬
gen und eines Glases guten Weins kam noch hinzu, und so ließ sich
der Professor endlich Alles gefallen. Die Damen erwarteten uns
schon, und so wanderten wir sämmtlich in'ö Freie. Robert mit der
Tante ergoß sich über Licht- und Schattenmassen, über.Baumschlag,
Luft- und Linearpcrspective und über hundert andere Gegenstände
mit der Beredsamkeit und dem Feuer eines Künstlers, daß die gute
Tante nur zuweilen ein „bei uns" einschieben, aber nie ihren Satz
vollenden und angeben konnte, wie es denn eigentlich „bei uns
wäre?

Bei uns d. h. bei mir und der schönen Wilhelmine standen die
Sachen vortrefflich. Je mehr der Professor declamirte und mit der


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[0118] — Sie schliefen recht gut und sanft, erwiederte ich, gleichfalls lachend, vielleicht hat Friedrich Sie doch in Ihrer Ruhe gestört? — Nein, nein! ich bin sehr froh, daß ich so unerwartet geweckt worden bin, und fühle mich so munter und leicht, daß ich mit Fried¬ rich tanzen könnte. Dabei sprang mein Kranker vom Bette herab und hüpfte vergnügt in der Stube umher. Plötzlich schien es ihm einzufallen, daß er sich in Schönbrunn befinde, und welche Zufälle ihn am Morgen auf das Lager gewor¬ fen hatten. Er blieb stehen, legte die Hand an die Stirn, und sein Auge verdüsterte sich. O Gott, murmelte er, wie kann man doch so leichtsinnig sein und seinem Feinde solche Blößen geben? — Glück auf, Herr Professor! sprach ich und reichte ihm freund¬ lich die Hand. Lassen Sie uns vergessen, was dahinten liegt, und freudig die Gegenwart genießen. Ich habe für Sie eine Mahlzeit bestellt, die Ihnen zuträglich sein wird, da Sie doch einmal die Mit¬ tagsstunde verschlafen haben; nachher machen wir einen Gang in'ö Freie. Sie werden alte Bekannte treffen, die Frau Fvrsträthin, welche jeden Satz mit „bei uns" anfängt, und deren reizende Nichte. Ich habe mit ihnen an der Wirthstafel gegessen und versprochen, sis auf den Abend abzuholen. Es war Manches, was meinem Patienten Bedenklichkeiten machte in meinem Vorschlage, besonders schien es ihm zu gewagt, sich am Abend dem Staubteufel bloszustellen, der eigentlich ein Geist der Finsterniß sei und dessen Herrschaft nur am hellen Mittag we¬ niger zu fürchten. Aber wozu kann ein Verliebter, und ein solcher war ich damals, nicht überreden? das Aufheiternde neuer Umgebun¬ gen und eines Glases guten Weins kam noch hinzu, und so ließ sich der Professor endlich Alles gefallen. Die Damen erwarteten uns schon, und so wanderten wir sämmtlich in'ö Freie. Robert mit der Tante ergoß sich über Licht- und Schattenmassen, über.Baumschlag, Luft- und Linearpcrspective und über hundert andere Gegenstände mit der Beredsamkeit und dem Feuer eines Künstlers, daß die gute Tante nur zuweilen ein „bei uns" einschieben, aber nie ihren Satz vollenden und angeben konnte, wie es denn eigentlich „bei uns wäre? Bei uns d. h. bei mir und der schönen Wilhelmine standen die Sachen vortrefflich. Je mehr der Professor declamirte und mit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/118>, abgerufen am 27.07.2024.