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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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auffordern. Korn ist beinahe stimulos geworden und dient schon
zweiundvierzig Jahre, Löwe's lyrisches Feuer wird jetzt schon zuweilen
zur vis comica, und Herr Lucas hat nur ein kleines Rollenfach, in
dem er wirklich anspricht, und auch er zählt schon einige vierzig Le¬
bensjahre. So ist denn der liebenswürdige und vielseitige Fichtner die
einzige Stütze der wichtigsten Partien des Repertoire's, nachdem ein
Herr Richter aus Bremen, den jetzt die Leipziger Bühne engagirt hat,
weil er keine kleinen Rollen spielen wollte, ausgeschieden. An Damen
gebricht es dem Burgtheater freilich nicht. -- Saphir hat einen sehr
angenehmen Beweis seiner Beliebtheit erhalten. Gewöhnt, auf einem
glänzenden Fuß zu leben und den Werth des Geldes en gontillinmino
zu betrachten, sind ihm Verlegenheiten :>, 1:< mon-ne:!lip "I'^sri.ixnk
nicht gespart worden. Dieser ist er nun durch das Einschreiten seiner
AnHanger enthoben worden. Seit einiger Zeit lies't man in hiesigen
Blättern die Aufforderung des Advocaten i"r. Neumann an alle Gläu¬
biger des Herrn Saphir, mit ihren Forderungen sich an ihn zu wen¬
den. Diese Forderungen sollen -- wenn anders die Volksstimme Got¬
tes Stimme ist -- auf ein ziemlich bedeutendes Kapital sich belaufen.
Alles wird bezahlt. Es ist nämlich eine Gesellschaft aus den reichsten
hiesigen Finanziers zusammengetreten und hat eine unverzinsliche An¬
leihe subscribirt, aus der die verschiedenen Gläubiger befriedigt werden
sollen, so daß die gute Laune und die bürgerliche Stellung ihres
Lieblings nicht ferner getrübt werde. Als Garantie für diese Anleihe
wird Saphir's Journal, der "Humorist", in Zukunft von Seiten der
Actionäre verwaltet werden; Saphir erhält für seine persönliche Re¬
daction monatlich die Summe von 2W Gulden C.M. und jeden
Druckbogen insbesondere mit vierzig Gulden C.M. honorirt. Man
erzählt einige sehr lustige Bonmots, die Saphir bei dieser Gelegen¬
heit den Actionären applicirt haben soll. Ich würde Ihnen diese klei¬
nen Details nicht mittheilen, wenn sie nicht eine der wenigen Per¬
sönlichkeiten unserer Wiener Journalistik betrafen, an denen man im
Auslande auch Antheil nimmt, insbesondere aber weil Saphir wenig¬
stens gewohnt ist, daß man etwas über ihn schreibt, sei es nun Lob
oder Tadel. Der größte Theil unserer übrigen Literaten ist von ei¬
ner Empfindlichkeit gegen die kleinste Polemik, von der man sicherlich
in der deutschen Presse keinen Begriff hat. Dadurch, daß diese Her¬
ren gewohnt sind, daß man von der Censur aus jede Reibung und
jeden Angriff zu verhindern sucht, ist ihre Haut so butterweich gewor¬
den, daß der kleinste Hieb ihnen ein Geschrei auspreßt, als stacken sie
am Spieße. Da werden dicke Stoßseufzer über den Mangel an freie¬
rer Prcßbewegung ausgestoßen, und wie Jemand in einem "ausländi¬
schen" oder inländischen Blatt einen motivieren Tadel etwas derb aus¬
spricht, so heulen sie wie die kleinen Kinder. Ich will ein kleines
Beispiel anführen. Ein junger Literat, Namens Sieglander, but in


auffordern. Korn ist beinahe stimulos geworden und dient schon
zweiundvierzig Jahre, Löwe's lyrisches Feuer wird jetzt schon zuweilen
zur vis comica, und Herr Lucas hat nur ein kleines Rollenfach, in
dem er wirklich anspricht, und auch er zählt schon einige vierzig Le¬
bensjahre. So ist denn der liebenswürdige und vielseitige Fichtner die
einzige Stütze der wichtigsten Partien des Repertoire's, nachdem ein
Herr Richter aus Bremen, den jetzt die Leipziger Bühne engagirt hat,
weil er keine kleinen Rollen spielen wollte, ausgeschieden. An Damen
gebricht es dem Burgtheater freilich nicht. — Saphir hat einen sehr
angenehmen Beweis seiner Beliebtheit erhalten. Gewöhnt, auf einem
glänzenden Fuß zu leben und den Werth des Geldes en gontillinmino
zu betrachten, sind ihm Verlegenheiten :>, 1:< mon-ne:!lip «I'^sri.ixnk
nicht gespart worden. Dieser ist er nun durch das Einschreiten seiner
AnHanger enthoben worden. Seit einiger Zeit lies't man in hiesigen
Blättern die Aufforderung des Advocaten i»r. Neumann an alle Gläu¬
biger des Herrn Saphir, mit ihren Forderungen sich an ihn zu wen¬
den. Diese Forderungen sollen — wenn anders die Volksstimme Got¬
tes Stimme ist — auf ein ziemlich bedeutendes Kapital sich belaufen.
Alles wird bezahlt. Es ist nämlich eine Gesellschaft aus den reichsten
hiesigen Finanziers zusammengetreten und hat eine unverzinsliche An¬
leihe subscribirt, aus der die verschiedenen Gläubiger befriedigt werden
sollen, so daß die gute Laune und die bürgerliche Stellung ihres
Lieblings nicht ferner getrübt werde. Als Garantie für diese Anleihe
wird Saphir's Journal, der „Humorist", in Zukunft von Seiten der
Actionäre verwaltet werden; Saphir erhält für seine persönliche Re¬
daction monatlich die Summe von 2W Gulden C.M. und jeden
Druckbogen insbesondere mit vierzig Gulden C.M. honorirt. Man
erzählt einige sehr lustige Bonmots, die Saphir bei dieser Gelegen¬
heit den Actionären applicirt haben soll. Ich würde Ihnen diese klei¬
nen Details nicht mittheilen, wenn sie nicht eine der wenigen Per¬
sönlichkeiten unserer Wiener Journalistik betrafen, an denen man im
Auslande auch Antheil nimmt, insbesondere aber weil Saphir wenig¬
stens gewohnt ist, daß man etwas über ihn schreibt, sei es nun Lob
oder Tadel. Der größte Theil unserer übrigen Literaten ist von ei¬
ner Empfindlichkeit gegen die kleinste Polemik, von der man sicherlich
in der deutschen Presse keinen Begriff hat. Dadurch, daß diese Her¬
ren gewohnt sind, daß man von der Censur aus jede Reibung und
jeden Angriff zu verhindern sucht, ist ihre Haut so butterweich gewor¬
den, daß der kleinste Hieb ihnen ein Geschrei auspreßt, als stacken sie
am Spieße. Da werden dicke Stoßseufzer über den Mangel an freie¬
rer Prcßbewegung ausgestoßen, und wie Jemand in einem „ausländi¬
schen" oder inländischen Blatt einen motivieren Tadel etwas derb aus¬
spricht, so heulen sie wie die kleinen Kinder. Ich will ein kleines
Beispiel anführen. Ein junger Literat, Namens Sieglander, but in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/92>, abgerufen am 22.12.2024.