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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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fasser der auch in's Deutsche übersetzten "Abhandlung über die Tracht
der alten Völker und des Versuchs über den guten Geschmack in
der Malerei,) konnten eben so wenig als sein trockener, poesieloser
Pinsel dem nationalen Geschmack auf die Beine helfen. Als um
vollends der bei allen seinen starren Irrthümern dennoch so gro߬
artige und gewaltige David, der Maler der Revolution und der
Kaiserzeit, die Kunstwelt Europas zu beherrschen begann, wie die
Armeen seines Vaterlandes die Schlachtfelder beherrschten, da untere
lag auch der letzte Rest von Anhänglichkeit an die nationale Kunst
in Belgien; die Truppen Frankreichs besetzten das Land, seine Prä-
fekten proscribirten die nationale Sprache, seine Commissäre entführten
die nationalen Kunstoenkmäler nach Paris und seine Maler verwehr¬
ten jede Rückkehr zu den alten einheimischen Kunst-Traditionen. Noch
mehr, während zur Zeit der Restauration in Frankreich eine neue
Schule emporkam, und Gros, Gerard und Prudhon ihren Leh¬
rer David verdrängten, war dieser nach Brüssel übergesiedelt und
hielt daselbst durch das Gewicht seiner Anwesenheit und seiner Per¬
sönlichkeit jeden andern Keim neben sich nieder.

So kam das Jahr 1830 heran und es ereignete sich plötzlich
ein Zufall, ein Schicksal, wenn man will, das in der Geschichte der
Kunst zu einem der seltsamsten gehört. Die politische Gereiztheit der
Belgier gegen die Hegemonie der Holländer hatte ihren Gipfel er¬
reicht. Alles, was die Nationalität des niederländischen Südens
aufstacheln, erhitzen und begeistern konnte, war von den Führern
der belgischen Presse und Kammernopposition aufgeboten worden.
In den Straßen Brüssels rollte es bereits dumpf, die Luft war schwül,
wie am Vorabend verhängnißvoller Ereignisse, Alles ahnte, daß eine
politische Krisis vor der Thür sei, die auch richtig in den letzten Ta¬
gen des Septembers zum Ausbruch kam.

Einen Monat früher, d. h. im August 1830, wurde in Brüssel
herkömmlicherweise die Kunstausstellung eröffnet. Die Zahl der ein¬
geschickten Gemälde war sehr groß. Die Nachzügler der französischen
Kunst hatten sich breiter als je gemacht, abgesehen von einigen Land¬
schaften und Genrebildern, waren alle Wände mit Mythologie, mit
griechischer und römischer Geschichte wie ausgetäfelt; da fanden sich
alle Gräuel des Atreus, Agamemnon mit seinem ganzen Hause,


fasser der auch in's Deutsche übersetzten „Abhandlung über die Tracht
der alten Völker und des Versuchs über den guten Geschmack in
der Malerei,) konnten eben so wenig als sein trockener, poesieloser
Pinsel dem nationalen Geschmack auf die Beine helfen. Als um
vollends der bei allen seinen starren Irrthümern dennoch so gro߬
artige und gewaltige David, der Maler der Revolution und der
Kaiserzeit, die Kunstwelt Europas zu beherrschen begann, wie die
Armeen seines Vaterlandes die Schlachtfelder beherrschten, da untere
lag auch der letzte Rest von Anhänglichkeit an die nationale Kunst
in Belgien; die Truppen Frankreichs besetzten das Land, seine Prä-
fekten proscribirten die nationale Sprache, seine Commissäre entführten
die nationalen Kunstoenkmäler nach Paris und seine Maler verwehr¬
ten jede Rückkehr zu den alten einheimischen Kunst-Traditionen. Noch
mehr, während zur Zeit der Restauration in Frankreich eine neue
Schule emporkam, und Gros, Gerard und Prudhon ihren Leh¬
rer David verdrängten, war dieser nach Brüssel übergesiedelt und
hielt daselbst durch das Gewicht seiner Anwesenheit und seiner Per¬
sönlichkeit jeden andern Keim neben sich nieder.

So kam das Jahr 1830 heran und es ereignete sich plötzlich
ein Zufall, ein Schicksal, wenn man will, das in der Geschichte der
Kunst zu einem der seltsamsten gehört. Die politische Gereiztheit der
Belgier gegen die Hegemonie der Holländer hatte ihren Gipfel er¬
reicht. Alles, was die Nationalität des niederländischen Südens
aufstacheln, erhitzen und begeistern konnte, war von den Führern
der belgischen Presse und Kammernopposition aufgeboten worden.
In den Straßen Brüssels rollte es bereits dumpf, die Luft war schwül,
wie am Vorabend verhängnißvoller Ereignisse, Alles ahnte, daß eine
politische Krisis vor der Thür sei, die auch richtig in den letzten Ta¬
gen des Septembers zum Ausbruch kam.

Einen Monat früher, d. h. im August 1830, wurde in Brüssel
herkömmlicherweise die Kunstausstellung eröffnet. Die Zahl der ein¬
geschickten Gemälde war sehr groß. Die Nachzügler der französischen
Kunst hatten sich breiter als je gemacht, abgesehen von einigen Land¬
schaften und Genrebildern, waren alle Wände mit Mythologie, mit
griechischer und römischer Geschichte wie ausgetäfelt; da fanden sich
alle Gräuel des Atreus, Agamemnon mit seinem ganzen Hause,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/69>, abgerufen am 23.12.2024.