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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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die Disciplin darunter; denn ein Anderer, der sich streng nach Vor¬
schrift und Reglement hält, kann 5ann mit der verwöhnten Mann¬
schaft, bei aller Energie, Nichts ausrichten, muß Strafen eintreten
lassen und zieht sich unschuldigerweise noch Vorwürfe von seinen
Vorgesetzten zu. Z. B. Einem scheint die Arbeit zu schwer, oder er
ist zu faul, so treibt er ihn nicht zur Arbeit ein, oder schickt ihn in
Arrest. Nein! er Muß auf der Stelle nach Hause gehen und sich
krank melden, und wenn er es nicht thut, dann wird er erst gestraft
wegen Faulheit, wegen Raisonniren und derlei Anschuldigungen. Die
Uebrigen lachen ihn dann aus, -- er ist längere Zeit dem Spotte
preisgegeben, -- und seine Kameraden, weit entfernt, darüber böse
zu sein, daß sie für einen solchen Faullenzer arbeiten müssen, vor-
doppeln ihre Kräfte, um ähnlicher Schmach zu entgehen. -- Solche
Beispiele bizarrer Art könnte ich Ihnen Hunderte für eins erzählen!
Man kann ihm nicht beikommen, aber darum kann ihm kein Kame¬
rad gewogen sein, und wenn dieses Benehmen, oder diese Hand¬
lungsweise einem Commandanten gleichgiltig sein müßte, so muß er
doch dagegen arbeiten, weil dadurch die Mannschaft verdorben, die
Offiziere >unter 'einander entzweit und gewissermaßen Parteien gebil¬
det werden, die ein Commandant durchaus nicht leiden darf.

"Anderer Seits ist dieser Lieutenant gegen seine Vorgesetzten äu¬
ßerst artig keck und weiß seine Worte so zu stellen, daß man seine
Keckheiten wegen der eingehüllten Artigkeiten durchaus nicht zurück¬
weisen kann, und man daher immer am besten thut, -wenn man seine
Gesellschaft fo viel als möglich meidet, um diesen Verlegenheiten aus¬
zuweichen. Er lobt Einen tadelnd und tadelt Einen lobend, und mit
einer solchen kunstreichen Mimik, daß kein Mensch unterscheiden kann,
ob es Dummheit oder Bosheit sei. Weh aber einem Vorgesetzten,
wenn er seine Schwächen ausspäht, oder ihn wohl gar bei einem
Unrecht ertappt, dann kennt er keine Schranken! Ihm gilt dann kein
Reglement, kein Gesetz, keine Autorität, kein Vorgesetzter, -- er spricht
dann ganz parallel-insolent! Er schert sich dann um keinen Men¬
schen, um seine Charge gar nicht, -- er trägt, wie er sagt, sein
Quittirungsgesuch immer im Sacke, und Letzteres ist auch wahr.

"Bei dem letzten Affront, den er mit dem Haupunann Kregler
in Brescia gehabt hat, hatte er seine Frechheit so weit getrieben,
daß er sogar sein Quittinmasgesuch, und wie er sich ausdrückte: ,.dn6


die Disciplin darunter; denn ein Anderer, der sich streng nach Vor¬
schrift und Reglement hält, kann 5ann mit der verwöhnten Mann¬
schaft, bei aller Energie, Nichts ausrichten, muß Strafen eintreten
lassen und zieht sich unschuldigerweise noch Vorwürfe von seinen
Vorgesetzten zu. Z. B. Einem scheint die Arbeit zu schwer, oder er
ist zu faul, so treibt er ihn nicht zur Arbeit ein, oder schickt ihn in
Arrest. Nein! er Muß auf der Stelle nach Hause gehen und sich
krank melden, und wenn er es nicht thut, dann wird er erst gestraft
wegen Faulheit, wegen Raisonniren und derlei Anschuldigungen. Die
Uebrigen lachen ihn dann aus, — er ist längere Zeit dem Spotte
preisgegeben, — und seine Kameraden, weit entfernt, darüber böse
zu sein, daß sie für einen solchen Faullenzer arbeiten müssen, vor-
doppeln ihre Kräfte, um ähnlicher Schmach zu entgehen. — Solche
Beispiele bizarrer Art könnte ich Ihnen Hunderte für eins erzählen!
Man kann ihm nicht beikommen, aber darum kann ihm kein Kame¬
rad gewogen sein, und wenn dieses Benehmen, oder diese Hand¬
lungsweise einem Commandanten gleichgiltig sein müßte, so muß er
doch dagegen arbeiten, weil dadurch die Mannschaft verdorben, die
Offiziere >unter 'einander entzweit und gewissermaßen Parteien gebil¬
det werden, die ein Commandant durchaus nicht leiden darf.

„Anderer Seits ist dieser Lieutenant gegen seine Vorgesetzten äu¬
ßerst artig keck und weiß seine Worte so zu stellen, daß man seine
Keckheiten wegen der eingehüllten Artigkeiten durchaus nicht zurück¬
weisen kann, und man daher immer am besten thut, -wenn man seine
Gesellschaft fo viel als möglich meidet, um diesen Verlegenheiten aus¬
zuweichen. Er lobt Einen tadelnd und tadelt Einen lobend, und mit
einer solchen kunstreichen Mimik, daß kein Mensch unterscheiden kann,
ob es Dummheit oder Bosheit sei. Weh aber einem Vorgesetzten,
wenn er seine Schwächen ausspäht, oder ihn wohl gar bei einem
Unrecht ertappt, dann kennt er keine Schranken! Ihm gilt dann kein
Reglement, kein Gesetz, keine Autorität, kein Vorgesetzter, — er spricht
dann ganz parallel-insolent! Er schert sich dann um keinen Men¬
schen, um seine Charge gar nicht, — er trägt, wie er sagt, sein
Quittirungsgesuch immer im Sacke, und Letzteres ist auch wahr.

„Bei dem letzten Affront, den er mit dem Haupunann Kregler
in Brescia gehabt hat, hatte er seine Frechheit so weit getrieben,
daß er sogar sein Quittinmasgesuch, und wie er sich ausdrückte: ,.dn6


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[0602] die Disciplin darunter; denn ein Anderer, der sich streng nach Vor¬ schrift und Reglement hält, kann 5ann mit der verwöhnten Mann¬ schaft, bei aller Energie, Nichts ausrichten, muß Strafen eintreten lassen und zieht sich unschuldigerweise noch Vorwürfe von seinen Vorgesetzten zu. Z. B. Einem scheint die Arbeit zu schwer, oder er ist zu faul, so treibt er ihn nicht zur Arbeit ein, oder schickt ihn in Arrest. Nein! er Muß auf der Stelle nach Hause gehen und sich krank melden, und wenn er es nicht thut, dann wird er erst gestraft wegen Faulheit, wegen Raisonniren und derlei Anschuldigungen. Die Uebrigen lachen ihn dann aus, — er ist längere Zeit dem Spotte preisgegeben, — und seine Kameraden, weit entfernt, darüber böse zu sein, daß sie für einen solchen Faullenzer arbeiten müssen, vor- doppeln ihre Kräfte, um ähnlicher Schmach zu entgehen. — Solche Beispiele bizarrer Art könnte ich Ihnen Hunderte für eins erzählen! Man kann ihm nicht beikommen, aber darum kann ihm kein Kame¬ rad gewogen sein, und wenn dieses Benehmen, oder diese Hand¬ lungsweise einem Commandanten gleichgiltig sein müßte, so muß er doch dagegen arbeiten, weil dadurch die Mannschaft verdorben, die Offiziere >unter 'einander entzweit und gewissermaßen Parteien gebil¬ det werden, die ein Commandant durchaus nicht leiden darf. „Anderer Seits ist dieser Lieutenant gegen seine Vorgesetzten äu¬ ßerst artig keck und weiß seine Worte so zu stellen, daß man seine Keckheiten wegen der eingehüllten Artigkeiten durchaus nicht zurück¬ weisen kann, und man daher immer am besten thut, -wenn man seine Gesellschaft fo viel als möglich meidet, um diesen Verlegenheiten aus¬ zuweichen. Er lobt Einen tadelnd und tadelt Einen lobend, und mit einer solchen kunstreichen Mimik, daß kein Mensch unterscheiden kann, ob es Dummheit oder Bosheit sei. Weh aber einem Vorgesetzten, wenn er seine Schwächen ausspäht, oder ihn wohl gar bei einem Unrecht ertappt, dann kennt er keine Schranken! Ihm gilt dann kein Reglement, kein Gesetz, keine Autorität, kein Vorgesetzter, — er spricht dann ganz parallel-insolent! Er schert sich dann um keinen Men¬ schen, um seine Charge gar nicht, — er trägt, wie er sagt, sein Quittirungsgesuch immer im Sacke, und Letzteres ist auch wahr. „Bei dem letzten Affront, den er mit dem Haupunann Kregler in Brescia gehabt hat, hatte er seine Frechheit so weit getrieben, daß er sogar sein Quittinmasgesuch, und wie er sich ausdrückte: ,.dn6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/602>, abgerufen am 23.07.2024.