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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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ihrem Leben noch keinen gesehen hatten. Die Leute rissen alle die
Fenster auf und wußten nicht, was das in ihrem abgelegenen Dorfe
zu bedeuten habe. Der Wagen, von vier stolzen Rappen gezogen,
rollte heran und hielt vor Georg'S Vaterhaus still. Die Alten wu߬
ten nicht, was sie denken sollten, Christel mit ihrem Liebsten kam auch
heraus. Aus dem Wagen stieg ein junger Mann in fremdländischer
Kleidung von Sammet und Seide, mit Gold gestickt, und hob eine
junge Dame heraus, über deren Schönheit sich die armen Dorfbe¬
wohner, die von allen Enden herzuliefen, nicht genug wundern
konnten. Ein kleiner Bube fragte seine Mutter, die ihn an der Hand
führre: Mutter, das ist wohl ein Engel? Die beiden Alten standen
an der Thüre und warteten der Dinge, die da kommen sollten. Der
junge Mann wandte sich jetzt an den alten Georg und fragte: Kennt
Ihr mich nicht mehr, Vater?

-- Georg! schrien Vater, Mutter, Schwester, ist'S möglich? und
die Freude war grenzenlos.

-- Ich bin'6, sagte Georg und fiel ihnen um den Hals, und
das ist meine junge Frau!

Wie nun der erste Jubel vorbei war, gingen sie zusammen in
das Haus, und alle guten Freunde und Bekannten strömten schaaren-
weis herbei, um das Wunderkind Georg und seine schöne Frau zu
sehen. Jetzt erst fand Georg seine Schwester Christel heraus und
fragte, indem er auf Friedrich deutete: Ist das Christoph?

-- Ach nein! sagte der Alte, der ist nicht zu Haus; es ist der
Liebhaber der Christel, sein Vater aber will's nicht zugeben, daß sie
sich nehmen, weil Christel ihm zu arm ist. Er ist der einzige Sohn
und erbt einmal zweitausend Thaler.

-- Nun, ist's weiter Nichts, sagte Georg lächelnd, und sind
sich die Leute wirklich gut, so soll Christel dreitausend haben!

Diese Freude hättet Ihr wohl mit ansehen mögen?

Christoph und der zehnjährige Hans, der noch in der Wiege
gelegen hatte, als Georg fortging, machten gar große Augen, wie
sie vor ihres Vaters Haus den schönen Wagen, den Kutscher und
Diener sahen, die die herrlichsten Reisegeräthschaften auspackten und
in das Haus trugen. Noch mehr aber staunten sie, als sie in die
Stube traten und Alles erfuhren. Es läßt sich denken!

Georg blieb über einen Monat mit Laura, der das gemüthliche


ihrem Leben noch keinen gesehen hatten. Die Leute rissen alle die
Fenster auf und wußten nicht, was das in ihrem abgelegenen Dorfe
zu bedeuten habe. Der Wagen, von vier stolzen Rappen gezogen,
rollte heran und hielt vor Georg'S Vaterhaus still. Die Alten wu߬
ten nicht, was sie denken sollten, Christel mit ihrem Liebsten kam auch
heraus. Aus dem Wagen stieg ein junger Mann in fremdländischer
Kleidung von Sammet und Seide, mit Gold gestickt, und hob eine
junge Dame heraus, über deren Schönheit sich die armen Dorfbe¬
wohner, die von allen Enden herzuliefen, nicht genug wundern
konnten. Ein kleiner Bube fragte seine Mutter, die ihn an der Hand
führre: Mutter, das ist wohl ein Engel? Die beiden Alten standen
an der Thüre und warteten der Dinge, die da kommen sollten. Der
junge Mann wandte sich jetzt an den alten Georg und fragte: Kennt
Ihr mich nicht mehr, Vater?

— Georg! schrien Vater, Mutter, Schwester, ist'S möglich? und
die Freude war grenzenlos.

— Ich bin'6, sagte Georg und fiel ihnen um den Hals, und
das ist meine junge Frau!

Wie nun der erste Jubel vorbei war, gingen sie zusammen in
das Haus, und alle guten Freunde und Bekannten strömten schaaren-
weis herbei, um das Wunderkind Georg und seine schöne Frau zu
sehen. Jetzt erst fand Georg seine Schwester Christel heraus und
fragte, indem er auf Friedrich deutete: Ist das Christoph?

— Ach nein! sagte der Alte, der ist nicht zu Haus; es ist der
Liebhaber der Christel, sein Vater aber will's nicht zugeben, daß sie
sich nehmen, weil Christel ihm zu arm ist. Er ist der einzige Sohn
und erbt einmal zweitausend Thaler.

— Nun, ist's weiter Nichts, sagte Georg lächelnd, und sind
sich die Leute wirklich gut, so soll Christel dreitausend haben!

Diese Freude hättet Ihr wohl mit ansehen mögen?

Christoph und der zehnjährige Hans, der noch in der Wiege
gelegen hatte, als Georg fortging, machten gar große Augen, wie
sie vor ihres Vaters Haus den schönen Wagen, den Kutscher und
Diener sahen, die die herrlichsten Reisegeräthschaften auspackten und
in das Haus trugen. Noch mehr aber staunten sie, als sie in die
Stube traten und Alles erfuhren. Es läßt sich denken!

Georg blieb über einen Monat mit Laura, der das gemüthliche


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[0597] ihrem Leben noch keinen gesehen hatten. Die Leute rissen alle die Fenster auf und wußten nicht, was das in ihrem abgelegenen Dorfe zu bedeuten habe. Der Wagen, von vier stolzen Rappen gezogen, rollte heran und hielt vor Georg'S Vaterhaus still. Die Alten wu߬ ten nicht, was sie denken sollten, Christel mit ihrem Liebsten kam auch heraus. Aus dem Wagen stieg ein junger Mann in fremdländischer Kleidung von Sammet und Seide, mit Gold gestickt, und hob eine junge Dame heraus, über deren Schönheit sich die armen Dorfbe¬ wohner, die von allen Enden herzuliefen, nicht genug wundern konnten. Ein kleiner Bube fragte seine Mutter, die ihn an der Hand führre: Mutter, das ist wohl ein Engel? Die beiden Alten standen an der Thüre und warteten der Dinge, die da kommen sollten. Der junge Mann wandte sich jetzt an den alten Georg und fragte: Kennt Ihr mich nicht mehr, Vater? — Georg! schrien Vater, Mutter, Schwester, ist'S möglich? und die Freude war grenzenlos. — Ich bin'6, sagte Georg und fiel ihnen um den Hals, und das ist meine junge Frau! Wie nun der erste Jubel vorbei war, gingen sie zusammen in das Haus, und alle guten Freunde und Bekannten strömten schaaren- weis herbei, um das Wunderkind Georg und seine schöne Frau zu sehen. Jetzt erst fand Georg seine Schwester Christel heraus und fragte, indem er auf Friedrich deutete: Ist das Christoph? — Ach nein! sagte der Alte, der ist nicht zu Haus; es ist der Liebhaber der Christel, sein Vater aber will's nicht zugeben, daß sie sich nehmen, weil Christel ihm zu arm ist. Er ist der einzige Sohn und erbt einmal zweitausend Thaler. — Nun, ist's weiter Nichts, sagte Georg lächelnd, und sind sich die Leute wirklich gut, so soll Christel dreitausend haben! Diese Freude hättet Ihr wohl mit ansehen mögen? Christoph und der zehnjährige Hans, der noch in der Wiege gelegen hatte, als Georg fortging, machten gar große Augen, wie sie vor ihres Vaters Haus den schönen Wagen, den Kutscher und Diener sahen, die die herrlichsten Reisegeräthschaften auspackten und in das Haus trugen. Noch mehr aber staunten sie, als sie in die Stube traten und Alles erfuhren. Es läßt sich denken! Georg blieb über einen Monat mit Laura, der das gemüthliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/597>, abgerufen am 26.08.2024.