Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Häßlichkeit an- parlamentarische Principien, sondern wegen übereilter Häßlichkeit an- parlamentarische Principien, sondern wegen übereilter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0570" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181129"/> <p xml:id="ID_1389" prev="#ID_1388" next="#ID_1390"> Häßlichkeit an- parlamentarische Principien, sondern wegen übereilter<lb/> Reduction des Zinsfußes der Staatsschuld. Alle disponiblen Fonds,<lb/> mit ihnen die von den- Standen zum Beginn der Eisenbahnbauten<lb/> bewilligten drei Millionen zweimalhunderttausend Gulden mußten zur<lb/> Heimzahlung verwendet werden. Ganz richtig haben viele Blätter<lb/> behauptet, daß die in Rede stehende Reduction weit eher ein Ge¬<lb/> genstand der parlamentarischen Berathung gewesen, als die Ab¬<lb/> weisung von Privatgesellschaften zur Uebernahme der Eisenbahnbauten.<lb/> Um so bemerkenswevther ist, daß seiner officiellen Entlassung selbst der<lb/> übliche Beisatz „in Gnaden" fehlt, als eben jene Reduction, höherew<lb/> Orts projectirt, nur durch die unzeitige Nachgiebigkeit die Ursache sei¬<lb/> nes Falles' geworden. Dem Vernehmen nach bezeichnet man ihn als<lb/> künftiges Mitglied für die Kammer, was dem neuen Ministerium ei¬<lb/> nen schwierigen Standpunkt schaffen würde. Glaubwürdiger Quel¬<lb/> len zufolge soll der gegenwärtige Hosßammerprasidcnt, von Gärtner,<lb/> der Nachfolger im Ministerium sein. Unter den localen Verhält¬<lb/> nissen verdient eine seit kurzer Zeit eingerissen Vereinswuth eine auf¬<lb/> merksame Beachtung. Die Stadt zählt über fünfzig Leichemassenver-<lb/> eitte und eine wenig geringere Anzahl von Wöchnerin-Unterstützungs-<lb/> Kindbettcassen und Aussteuervereinen, deren hauptsächliche Tendenz<lb/> doch die indirecte Nutzziehting der Gründer ist und in der Folge eine<lb/> unversiegbare Quelle von Mißbräuchen und Betrügereien sein wird.<lb/> Die Giftmischerin Rudhard äußerte: „sie habe ihren Alten in drei<lb/> Leichencassen." Die Regierung dürfte wahrscheinlich einschreiten, um<lb/> die Mitglieder solcher Lassen durch strenge Beaufsichtigung der Vor¬<lb/> steher wo möglich sicher zu stellen. — Der ehemalige Stadtrichter und<lb/> Verordnete, von Rümelin, wurde unweit Uhlbach erstochen gefunden.<lb/> Die Umstände zeugten für Selbstmord und widrige Familienverhält¬<lb/> nisse werden als Motiv angegeben. — Vom geheimen Legationsrath<lb/> Friedrich Kölle, der durch seine „Betrachtungen über Diplomatie" und<lb/> die „Aufzeichnungen eines nachgebocnen Prinzen" eine namhafte Lücke<lb/> in unserer Literatur ausfüllte und den französischen Diplomaten Flas-<lb/> sant an Gewandtheit der Darstellung, scharfer Auffassung der Ver¬<lb/> hältnisse und diplomatischer Induction weit hinter sich läßt, steht ein<lb/> neues Werk über Italien zu erwarten. Die eigenthümliche, in bei¬<lb/> nahe macchiavellistischen Geiste gehaltene Weise seiner Schreibart, ver¬<lb/> eint mit den ihm auch zu Gebote stehenden geistigen, so wie mate¬<lb/> riellen Mitteln (Kölle war stebenzchn Jahre würtembergischer Ge¬<lb/> schäftsträger am römischen Hofe) berechtigen zu großen Erwartungen.<lb/> — Zum Schluß dieser Zeilen einige Worte über die Sommervorstel¬<lb/> lungen im Theater zu Kannstadt. Dieselben waren im Verhältnisse<lb/> zu der Abwesenheit der vorzüglichsten Mitglieder der Oper und des<lb/> Schauspiels noch immer für ein besseres Badepublicum anziehend,<lb/> vorzüglich sind die Aufführungen der kleineren Opern zu erwähnen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0570]
Häßlichkeit an- parlamentarische Principien, sondern wegen übereilter
Reduction des Zinsfußes der Staatsschuld. Alle disponiblen Fonds,
mit ihnen die von den- Standen zum Beginn der Eisenbahnbauten
bewilligten drei Millionen zweimalhunderttausend Gulden mußten zur
Heimzahlung verwendet werden. Ganz richtig haben viele Blätter
behauptet, daß die in Rede stehende Reduction weit eher ein Ge¬
genstand der parlamentarischen Berathung gewesen, als die Ab¬
weisung von Privatgesellschaften zur Uebernahme der Eisenbahnbauten.
Um so bemerkenswevther ist, daß seiner officiellen Entlassung selbst der
übliche Beisatz „in Gnaden" fehlt, als eben jene Reduction, höherew
Orts projectirt, nur durch die unzeitige Nachgiebigkeit die Ursache sei¬
nes Falles' geworden. Dem Vernehmen nach bezeichnet man ihn als
künftiges Mitglied für die Kammer, was dem neuen Ministerium ei¬
nen schwierigen Standpunkt schaffen würde. Glaubwürdiger Quel¬
len zufolge soll der gegenwärtige Hosßammerprasidcnt, von Gärtner,
der Nachfolger im Ministerium sein. Unter den localen Verhält¬
nissen verdient eine seit kurzer Zeit eingerissen Vereinswuth eine auf¬
merksame Beachtung. Die Stadt zählt über fünfzig Leichemassenver-
eitte und eine wenig geringere Anzahl von Wöchnerin-Unterstützungs-
Kindbettcassen und Aussteuervereinen, deren hauptsächliche Tendenz
doch die indirecte Nutzziehting der Gründer ist und in der Folge eine
unversiegbare Quelle von Mißbräuchen und Betrügereien sein wird.
Die Giftmischerin Rudhard äußerte: „sie habe ihren Alten in drei
Leichencassen." Die Regierung dürfte wahrscheinlich einschreiten, um
die Mitglieder solcher Lassen durch strenge Beaufsichtigung der Vor¬
steher wo möglich sicher zu stellen. — Der ehemalige Stadtrichter und
Verordnete, von Rümelin, wurde unweit Uhlbach erstochen gefunden.
Die Umstände zeugten für Selbstmord und widrige Familienverhält¬
nisse werden als Motiv angegeben. — Vom geheimen Legationsrath
Friedrich Kölle, der durch seine „Betrachtungen über Diplomatie" und
die „Aufzeichnungen eines nachgebocnen Prinzen" eine namhafte Lücke
in unserer Literatur ausfüllte und den französischen Diplomaten Flas-
sant an Gewandtheit der Darstellung, scharfer Auffassung der Ver¬
hältnisse und diplomatischer Induction weit hinter sich läßt, steht ein
neues Werk über Italien zu erwarten. Die eigenthümliche, in bei¬
nahe macchiavellistischen Geiste gehaltene Weise seiner Schreibart, ver¬
eint mit den ihm auch zu Gebote stehenden geistigen, so wie mate¬
riellen Mitteln (Kölle war stebenzchn Jahre würtembergischer Ge¬
schäftsträger am römischen Hofe) berechtigen zu großen Erwartungen.
— Zum Schluß dieser Zeilen einige Worte über die Sommervorstel¬
lungen im Theater zu Kannstadt. Dieselben waren im Verhältnisse
zu der Abwesenheit der vorzüglichsten Mitglieder der Oper und des
Schauspiels noch immer für ein besseres Badepublicum anziehend,
vorzüglich sind die Aufführungen der kleineren Opern zu erwähnen.
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