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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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kothek beschreibt,, ganz in derselben Weise, wie ich in meinem bereits
dem Jahre 1837 angehörigen Büchlein "Bücher und Menschen" ein
ähnliches phantastisches Gezeuge geschildert habe. In einem "Nächt¬
liche Bilderschau" betitelten Aufsatze ließ ich die Hauptbilder des
Berliner Museums lebendig aus ihren Nahmen hervor und mit den
sie besuchenden Hauptgemälden der Kunstausstellung in Verkehr und
dramatische Handlung treten. Wer denkt des Erfinders, während
man jetzt der phantastischen Idee der Dame Beifall zulächelt? Doch
ich beklage mich nicht über das schlechte Gedächtniß unserer Leser und
Journalisten, die, außer an sich, auch noch an so vieles Andere zu
denken haben; aber glücklich preise ich die Dame, die jetzt noch den
Muth und die Neigung hat, sich vor dem lichten Tage der kritischen
Wahrheit in das heimlich unheimliche Zwielicht der Phantastik zu
flüchten. Mir sind die Flügel zu einem solchen Wagniß von der
Gluth des Tages schon längst versengt und ich fühle die Nadel,
welche mir mehr als eine muthwillige Büberei durch die Brust ge¬
stochen. Die Thräne, die ich, leider noch manchmal sentimentaler
Mensch, jetzt weinen möchte, fällt nun freilich vielleicht Manchem
zum Aerger und Schmerz als kritischer Gifttropfen auf das Papier
nieder mit ätzender Schärfe. Vielleicht erzähle ich einmal später der
Welt, wie man Kritiker wird; es greift dies vielleicht tiefer in den
faulen Zustand der moralischen, gesellschaftlichen und literarischen
Dinge ein, als der leichte und flache Sinn der Menge meint. Und
welche Hetzereien, Plackereien, gemeine Zu- und Anmuthungcn, Un¬
dank und Unredlichkeit, lügnerische Huldigungen, Intriguen, Perfidien,
lächelnde Schurkereien und possierliche Jämmerlichkeiten und Eitelkei¬
ten könnte nicht ein Kritiker in seinen Memorabilien der Welt auf¬
decken! --

Was unsere Theaterdichter anlangt, so ist es unter ihnen nur
den Vertretern der Lustspielmuse gelungen, im deutschen Auslande
populär zu werden. Besonders ist der gewandte Bühnenschriftsteller,
Johann von Plötz, zu nennen, dessen Lustspiele, z.B. "das Aben¬
teuer in der Neujahrsnacht", "die Hintertreppe", neulich noch "der
verwunschene Prinz" u. s. w. die Runde über alle deutschen Bühnen
gemacht haben. Tiefer in die modernen Conflicte griff er mit seinem
Stück: "Der Kaufmann, oder Stolz der Geburt und Stolz des Gel¬
des" ein, welches, wie ich aus Fernau's Schrift über München er-


kothek beschreibt,, ganz in derselben Weise, wie ich in meinem bereits
dem Jahre 1837 angehörigen Büchlein „Bücher und Menschen" ein
ähnliches phantastisches Gezeuge geschildert habe. In einem „Nächt¬
liche Bilderschau" betitelten Aufsatze ließ ich die Hauptbilder des
Berliner Museums lebendig aus ihren Nahmen hervor und mit den
sie besuchenden Hauptgemälden der Kunstausstellung in Verkehr und
dramatische Handlung treten. Wer denkt des Erfinders, während
man jetzt der phantastischen Idee der Dame Beifall zulächelt? Doch
ich beklage mich nicht über das schlechte Gedächtniß unserer Leser und
Journalisten, die, außer an sich, auch noch an so vieles Andere zu
denken haben; aber glücklich preise ich die Dame, die jetzt noch den
Muth und die Neigung hat, sich vor dem lichten Tage der kritischen
Wahrheit in das heimlich unheimliche Zwielicht der Phantastik zu
flüchten. Mir sind die Flügel zu einem solchen Wagniß von der
Gluth des Tages schon längst versengt und ich fühle die Nadel,
welche mir mehr als eine muthwillige Büberei durch die Brust ge¬
stochen. Die Thräne, die ich, leider noch manchmal sentimentaler
Mensch, jetzt weinen möchte, fällt nun freilich vielleicht Manchem
zum Aerger und Schmerz als kritischer Gifttropfen auf das Papier
nieder mit ätzender Schärfe. Vielleicht erzähle ich einmal später der
Welt, wie man Kritiker wird; es greift dies vielleicht tiefer in den
faulen Zustand der moralischen, gesellschaftlichen und literarischen
Dinge ein, als der leichte und flache Sinn der Menge meint. Und
welche Hetzereien, Plackereien, gemeine Zu- und Anmuthungcn, Un¬
dank und Unredlichkeit, lügnerische Huldigungen, Intriguen, Perfidien,
lächelnde Schurkereien und possierliche Jämmerlichkeiten und Eitelkei¬
ten könnte nicht ein Kritiker in seinen Memorabilien der Welt auf¬
decken! —

Was unsere Theaterdichter anlangt, so ist es unter ihnen nur
den Vertretern der Lustspielmuse gelungen, im deutschen Auslande
populär zu werden. Besonders ist der gewandte Bühnenschriftsteller,
Johann von Plötz, zu nennen, dessen Lustspiele, z.B. „das Aben¬
teuer in der Neujahrsnacht", „die Hintertreppe", neulich noch „der
verwunschene Prinz" u. s. w. die Runde über alle deutschen Bühnen
gemacht haben. Tiefer in die modernen Conflicte griff er mit seinem
Stück: „Der Kaufmann, oder Stolz der Geburt und Stolz des Gel¬
des" ein, welches, wie ich aus Fernau's Schrift über München er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/560>, abgerufen am 23.07.2024.