Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Herrn Steub fallen, ein Manuscript bei einem Verleger loszuschla¬ , Herrn Steub fallen, ein Manuscript bei einem Verleger loszuschla¬ , <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0559" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181118"/> <p xml:id="ID_1364" prev="#ID_1363"> Herrn Steub fallen, ein Manuscript bei einem Verleger loszuschla¬<lb/> gen! Man nenne einen Schriftsteller gemein, trivial, gesinnungslos,<lb/> frivol, dumm, frech, aber für die Menge unterhaltend, und der Buch¬<lb/> händler der gewöhnlichen Art wird mit allen zehn Fingern zugreifen;<lb/> man nenne ihn genial, und er wird die zehn Finger nur brauchen<lb/> um das Manuscript verächtlich von sich zu stoßen. Wie es Vogel¬<lb/> scheuchen gibt, so ist das Prädicat „genial" die Buchhändlerscheuche.<lb/> — Auch befindet sich hier der norddeutsche Historiograph Dönni-<lb/> ges, mein Landsmann, ferner der bekannte, viel genannte, auch wohl<lb/> viel angefeindete Publizist, G. Bacherer, jetzt hiesiger Hausbesitzer;<lb/> doch kann ich von ihm eben so wenig, als von allen übrigen hier<lb/> lebenden Schriftstellern sagen, mit welcher literarischen Arbeit sie jetzt<lb/> guter Hoffnung sind. Man hat hier nicht so das Herz auf der<lb/> Zunge, wie in Leipzig, und eine kameradschaftliche Mittheilungslust<lb/> findet hier nicht in gleichem Grade statt. Der sehr talentvolle Ver><lb/> fasser des Romans „Ritter und Bauer", Lentner, ist ein südbaie--<lb/> rischer Autochthone und zuweilen, wie ich höre, auch besuchsweise in<lb/> München. Noch muß ich Ihnen den hier lebenden Fallmerayer<lb/> nennen, der Ihnen durch seine Versuche, die jetzigen Griechen im<lb/> Schmelztiegel seiner Reflexionen und Untersuchungen in Slaven um¬<lb/> zuformen, bekannt sein wird. Uebrigens ein origineller Kopf, mit<lb/> den Eigenthümlichkeiten des Orients genau vertraut, voll Leben und<lb/> Geist und, wie mehrere seiner Skizzen aus dem Morgenlande dar-<lb/> taten trefflicher Stylist und tüchtiger Schilderer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1365" next="#ID_1366"> ,<lb/> Ferner vermuthe ich, daß die liebenswürdige Pseudonyme Schrift¬<lb/> stellerin, Emma von Niendorf, eine Frau von Suckow, sich<lb/> häusig und für längere Zeit hier aufhält. Ich kenne von ihr einige<lb/> reizende lyrische Sachen und mehrere Redeschriften, in denen sich eine<lb/> naive Tiefe des Gemüths offenbart, ein fast mystisches Geheim- und<lb/> Jnstchhincinleben, wodurch sie sich wesentlich und in echt weiblicher<lb/> Liebenswürdigkeit von mehreren norddeutschen Schriftstellerinnen un¬<lb/> terscheidet, welche, pikant-geistreich und coquett-suffisant und mÄiscmt,<lb/> meist an der Oberfläche der äußeren Erscheinung hängen bleiben'<lb/> wie der Schmetterling an der Blume, nicht wie der Rosenkäfer wel¬<lb/> cher sich tief in das Herzblut der Blume einsenkt und vergräbt.'Neu¬<lb/> lich las ich von ihr einen phantastischen Aufsatz in der Europa, wo¬<lb/> rin diese Dame einen nächtlichen Bilderspuk in der Münchner Pina-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0559]
Herrn Steub fallen, ein Manuscript bei einem Verleger loszuschla¬
gen! Man nenne einen Schriftsteller gemein, trivial, gesinnungslos,
frivol, dumm, frech, aber für die Menge unterhaltend, und der Buch¬
händler der gewöhnlichen Art wird mit allen zehn Fingern zugreifen;
man nenne ihn genial, und er wird die zehn Finger nur brauchen
um das Manuscript verächtlich von sich zu stoßen. Wie es Vogel¬
scheuchen gibt, so ist das Prädicat „genial" die Buchhändlerscheuche.
— Auch befindet sich hier der norddeutsche Historiograph Dönni-
ges, mein Landsmann, ferner der bekannte, viel genannte, auch wohl
viel angefeindete Publizist, G. Bacherer, jetzt hiesiger Hausbesitzer;
doch kann ich von ihm eben so wenig, als von allen übrigen hier
lebenden Schriftstellern sagen, mit welcher literarischen Arbeit sie jetzt
guter Hoffnung sind. Man hat hier nicht so das Herz auf der
Zunge, wie in Leipzig, und eine kameradschaftliche Mittheilungslust
findet hier nicht in gleichem Grade statt. Der sehr talentvolle Ver>
fasser des Romans „Ritter und Bauer", Lentner, ist ein südbaie--
rischer Autochthone und zuweilen, wie ich höre, auch besuchsweise in
München. Noch muß ich Ihnen den hier lebenden Fallmerayer
nennen, der Ihnen durch seine Versuche, die jetzigen Griechen im
Schmelztiegel seiner Reflexionen und Untersuchungen in Slaven um¬
zuformen, bekannt sein wird. Uebrigens ein origineller Kopf, mit
den Eigenthümlichkeiten des Orients genau vertraut, voll Leben und
Geist und, wie mehrere seiner Skizzen aus dem Morgenlande dar-
taten trefflicher Stylist und tüchtiger Schilderer.
,
Ferner vermuthe ich, daß die liebenswürdige Pseudonyme Schrift¬
stellerin, Emma von Niendorf, eine Frau von Suckow, sich
häusig und für längere Zeit hier aufhält. Ich kenne von ihr einige
reizende lyrische Sachen und mehrere Redeschriften, in denen sich eine
naive Tiefe des Gemüths offenbart, ein fast mystisches Geheim- und
Jnstchhincinleben, wodurch sie sich wesentlich und in echt weiblicher
Liebenswürdigkeit von mehreren norddeutschen Schriftstellerinnen un¬
terscheidet, welche, pikant-geistreich und coquett-suffisant und mÄiscmt,
meist an der Oberfläche der äußeren Erscheinung hängen bleiben'
wie der Schmetterling an der Blume, nicht wie der Rosenkäfer wel¬
cher sich tief in das Herzblut der Blume einsenkt und vergräbt.'Neu¬
lich las ich von ihr einen phantastischen Aufsatz in der Europa, wo¬
rin diese Dame einen nächtlichen Bilderspuk in der Münchner Pina-
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