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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Krankheit, kurz vor Weihnachten stürzte noch ihre beste Kuh und an
eine Christbescherung zum Weihnachtsfest war nicht zu denken. Der
Vater hielt den Walen für die Ursache an all diesem Unglück.

Acht Tage vor dem Christfest saß die Mutter auf der Ofen¬
bank und weinte, der Vater lag im Bette und war seit langer Zeit
zum ersten Male wieder fest eingeschlafen. Der kleine Christoffel sagte
theilnehmend: Mutter, weine doch nicht, sonst muß ich mitweinen!

Da sagte die Mutter: Ach, Ihr armen Kinder, ich muß wohl
weinen, denn wir haben nicht einmal Geld, um zum heiligen Christ
ein Paar Aepfel und Nüsse kaufen zu können. Hätte nur der Vater
das Geld behalten! Mußtest Du eS denn gleich in den Tümpel
werfen?

Da lachte Christoffel und sagte: Mutter, wenn's weiter Nichts
ist, so lache nur wieder, das Geld ist noch da, ich habe mich nur
nicht getraut, es Euch zu sagen.

-- El, Du Herzensjunge! sagte die Mutter und schloß Christoph
in ihre Arme, der aber sprang fort, ging an den Bach, grub ein Loch
in einem hohlen Weiterbauen auf und zog einen schweren Beutel
heraus, den er zu Hause verstohlen seiner Mutter gab. Nun war
wieder Freude im Haus.

Der Schlaf hatte den alten Gorge,so gestärkt, daß er immer
besser wurde, und die Kraftsuppen, die seine Frau ihm kochte, brach¬
ten ihn wieder so weit auf, daß noch vor dem Christfest fein Bett
aus der Stube in die Kammer gesetzt werden konnte.

Am Christmorgen such, wie es noch ganz finster war, stand die
Mutter auf, kam aber bald wieder hinauf und rief: Vater, Christoph,
Christel, steht auf, der heilige Christ hat beschert! Und wie sie'her¬
unter kamen, brannte ein schön geputzter Tannenbaum mit vielen
Lichtern auf dem Tisch, und da lagen für Vater, Mutter und Kin¬
der neue Kleider und Aepfel und Nüsse und noch viele schöne Ge¬
schenke; sogar das kleine Häuschen, das noch nicht ein Jahr alt
war, war nicht vergessen. Das war ein Jubel, der Vater wurde
vor Freuden wieder ganz gesund, und die Mutter schlug immer vor
Verwunderung die Hände zusammen, denn sie stellte sich, als wisse
sie nicht, wo das Alles hergekommen sei. Wie sie nun Alle dastan¬
den und den Christstollen kosteten und Christel ihre schöne Pupp"
bewunderte, hörten sie eine Kuh im Stalle brüllen.


Krankheit, kurz vor Weihnachten stürzte noch ihre beste Kuh und an
eine Christbescherung zum Weihnachtsfest war nicht zu denken. Der
Vater hielt den Walen für die Ursache an all diesem Unglück.

Acht Tage vor dem Christfest saß die Mutter auf der Ofen¬
bank und weinte, der Vater lag im Bette und war seit langer Zeit
zum ersten Male wieder fest eingeschlafen. Der kleine Christoffel sagte
theilnehmend: Mutter, weine doch nicht, sonst muß ich mitweinen!

Da sagte die Mutter: Ach, Ihr armen Kinder, ich muß wohl
weinen, denn wir haben nicht einmal Geld, um zum heiligen Christ
ein Paar Aepfel und Nüsse kaufen zu können. Hätte nur der Vater
das Geld behalten! Mußtest Du eS denn gleich in den Tümpel
werfen?

Da lachte Christoffel und sagte: Mutter, wenn's weiter Nichts
ist, so lache nur wieder, das Geld ist noch da, ich habe mich nur
nicht getraut, es Euch zu sagen.

— El, Du Herzensjunge! sagte die Mutter und schloß Christoph
in ihre Arme, der aber sprang fort, ging an den Bach, grub ein Loch
in einem hohlen Weiterbauen auf und zog einen schweren Beutel
heraus, den er zu Hause verstohlen seiner Mutter gab. Nun war
wieder Freude im Haus.

Der Schlaf hatte den alten Gorge,so gestärkt, daß er immer
besser wurde, und die Kraftsuppen, die seine Frau ihm kochte, brach¬
ten ihn wieder so weit auf, daß noch vor dem Christfest fein Bett
aus der Stube in die Kammer gesetzt werden konnte.

Am Christmorgen such, wie es noch ganz finster war, stand die
Mutter auf, kam aber bald wieder hinauf und rief: Vater, Christoph,
Christel, steht auf, der heilige Christ hat beschert! Und wie sie'her¬
unter kamen, brannte ein schön geputzter Tannenbaum mit vielen
Lichtern auf dem Tisch, und da lagen für Vater, Mutter und Kin¬
der neue Kleider und Aepfel und Nüsse und noch viele schöne Ge¬
schenke; sogar das kleine Häuschen, das noch nicht ein Jahr alt
war, war nicht vergessen. Das war ein Jubel, der Vater wurde
vor Freuden wieder ganz gesund, und die Mutter schlug immer vor
Verwunderung die Hände zusammen, denn sie stellte sich, als wisse
sie nicht, wo das Alles hergekommen sei. Wie sie nun Alle dastan¬
den und den Christstollen kosteten und Christel ihre schöne Pupp«
bewunderte, hörten sie eine Kuh im Stalle brüllen.


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[0544] Krankheit, kurz vor Weihnachten stürzte noch ihre beste Kuh und an eine Christbescherung zum Weihnachtsfest war nicht zu denken. Der Vater hielt den Walen für die Ursache an all diesem Unglück. Acht Tage vor dem Christfest saß die Mutter auf der Ofen¬ bank und weinte, der Vater lag im Bette und war seit langer Zeit zum ersten Male wieder fest eingeschlafen. Der kleine Christoffel sagte theilnehmend: Mutter, weine doch nicht, sonst muß ich mitweinen! Da sagte die Mutter: Ach, Ihr armen Kinder, ich muß wohl weinen, denn wir haben nicht einmal Geld, um zum heiligen Christ ein Paar Aepfel und Nüsse kaufen zu können. Hätte nur der Vater das Geld behalten! Mußtest Du eS denn gleich in den Tümpel werfen? Da lachte Christoffel und sagte: Mutter, wenn's weiter Nichts ist, so lache nur wieder, das Geld ist noch da, ich habe mich nur nicht getraut, es Euch zu sagen. — El, Du Herzensjunge! sagte die Mutter und schloß Christoph in ihre Arme, der aber sprang fort, ging an den Bach, grub ein Loch in einem hohlen Weiterbauen auf und zog einen schweren Beutel heraus, den er zu Hause verstohlen seiner Mutter gab. Nun war wieder Freude im Haus. Der Schlaf hatte den alten Gorge,so gestärkt, daß er immer besser wurde, und die Kraftsuppen, die seine Frau ihm kochte, brach¬ ten ihn wieder so weit auf, daß noch vor dem Christfest fein Bett aus der Stube in die Kammer gesetzt werden konnte. Am Christmorgen such, wie es noch ganz finster war, stand die Mutter auf, kam aber bald wieder hinauf und rief: Vater, Christoph, Christel, steht auf, der heilige Christ hat beschert! Und wie sie'her¬ unter kamen, brannte ein schön geputzter Tannenbaum mit vielen Lichtern auf dem Tisch, und da lagen für Vater, Mutter und Kin¬ der neue Kleider und Aepfel und Nüsse und noch viele schöne Ge¬ schenke; sogar das kleine Häuschen, das noch nicht ein Jahr alt war, war nicht vergessen. Das war ein Jubel, der Vater wurde vor Freuden wieder ganz gesund, und die Mutter schlug immer vor Verwunderung die Hände zusammen, denn sie stellte sich, als wisse sie nicht, wo das Alles hergekommen sei. Wie sie nun Alle dastan¬ den und den Christstollen kosteten und Christel ihre schöne Pupp« bewunderte, hörten sie eine Kuh im Stalle brüllen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/544>, abgerufen am 23.07.2024.