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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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-- Ach nein, entgegnete ich, ich thue das nur so, weil es mir
dann ist, als erlebte ich Alles selber.

-- Ja, ja! gerade so machte es mein Traugott auch, sagte sie,

und wischte wieder eine Thräne vom Auge.
Nach einer Pause fuhr sie sort:

Am nächsten Morgen standen die Eltern ans und wunderten
sich, daß ihr Gorge noch nicht munter war, wie sie herunter kamen
in die Wohnstube. Der Vater rüste zur Treppe hinauf: Gorge, steh'
auf! Aber wer nicht kam, war Gorge. Statt seiner wurden die
kleineren Kinder munter und kamen herab, weil sie glaubten, der
Vater habe sie gerufen.

-- Warum schläft denn der Große so lang? fragte der Vater.

-- Gorge ist schon aufgestanden, wie es noch ganz finster war,
und ist die Treppe herunter und zur Hausthür hinausgegangen. Es
war noch Jemand dabei, ich dachte, es wäre der Vater, erzählte
die kleine Christel.

Das war dem alten Georg bedenklich. Er ging hinauf in die
Kammer, sah seines Sohnes leeres Bette und vermißte die Sonn¬
tagskleider. Da erschrack er sehr, aber als er nun in die Kammer
des Venetianers kam, und auch die leer stand, fing er an zu schreien,
zu beten und zu fluchen durch einander, daß seine Frau sich entsetzte
und schnell die Treppe hinauf rannte. Als nun auch die den Jam¬
mer sah, war die Wuth gegen den Fremden groß. Der Vater tobte,
die Mutter jammerte, die Kinder heulten und schrieen, sogar
die Kühe im Stalle brüllten und der Hund winselte. Das war
ein Lärm!

-- Vater, da ist ein Brief und ein Beutel mit Geld! rief jetzt
der kleine Christoph, und zeigte auf einen Stuhl neben dem Bett
des Walen.

-- Was! der Satan will uns Geld geben für unsern Jungen?
schrie der Vater wüthend. Christoph, trage den Beutel gleich ins Wasser.

Der Sohn nahm den Beutel und trug ihn fort, die Mutter schickte
die Christel gleich nach dem Schulmeister, der den Brief lesen sollte.

Als der Schulmeister kam, hatte sich der erste Sturm gelegt,
doch wie sie ihm den Vorgang erzählten, fing es wieder tüchtig an
zu donnern und zu blitzen. Der Schulmeister suchte sie zu beruhigen
und las endlich den Brief. Darin hatte der Italiener geschrieben,


— Ach nein, entgegnete ich, ich thue das nur so, weil es mir
dann ist, als erlebte ich Alles selber.

— Ja, ja! gerade so machte es mein Traugott auch, sagte sie,

und wischte wieder eine Thräne vom Auge.
Nach einer Pause fuhr sie sort:

Am nächsten Morgen standen die Eltern ans und wunderten
sich, daß ihr Gorge noch nicht munter war, wie sie herunter kamen
in die Wohnstube. Der Vater rüste zur Treppe hinauf: Gorge, steh'
auf! Aber wer nicht kam, war Gorge. Statt seiner wurden die
kleineren Kinder munter und kamen herab, weil sie glaubten, der
Vater habe sie gerufen.

— Warum schläft denn der Große so lang? fragte der Vater.

— Gorge ist schon aufgestanden, wie es noch ganz finster war,
und ist die Treppe herunter und zur Hausthür hinausgegangen. Es
war noch Jemand dabei, ich dachte, es wäre der Vater, erzählte
die kleine Christel.

Das war dem alten Georg bedenklich. Er ging hinauf in die
Kammer, sah seines Sohnes leeres Bette und vermißte die Sonn¬
tagskleider. Da erschrack er sehr, aber als er nun in die Kammer
des Venetianers kam, und auch die leer stand, fing er an zu schreien,
zu beten und zu fluchen durch einander, daß seine Frau sich entsetzte
und schnell die Treppe hinauf rannte. Als nun auch die den Jam¬
mer sah, war die Wuth gegen den Fremden groß. Der Vater tobte,
die Mutter jammerte, die Kinder heulten und schrieen, sogar
die Kühe im Stalle brüllten und der Hund winselte. Das war
ein Lärm!

— Vater, da ist ein Brief und ein Beutel mit Geld! rief jetzt
der kleine Christoph, und zeigte auf einen Stuhl neben dem Bett
des Walen.

— Was! der Satan will uns Geld geben für unsern Jungen?
schrie der Vater wüthend. Christoph, trage den Beutel gleich ins Wasser.

Der Sohn nahm den Beutel und trug ihn fort, die Mutter schickte
die Christel gleich nach dem Schulmeister, der den Brief lesen sollte.

Als der Schulmeister kam, hatte sich der erste Sturm gelegt,
doch wie sie ihm den Vorgang erzählten, fing es wieder tüchtig an
zu donnern und zu blitzen. Der Schulmeister suchte sie zu beruhigen
und las endlich den Brief. Darin hatte der Italiener geschrieben,


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[0542] — Ach nein, entgegnete ich, ich thue das nur so, weil es mir dann ist, als erlebte ich Alles selber. — Ja, ja! gerade so machte es mein Traugott auch, sagte sie, und wischte wieder eine Thräne vom Auge. Nach einer Pause fuhr sie sort: Am nächsten Morgen standen die Eltern ans und wunderten sich, daß ihr Gorge noch nicht munter war, wie sie herunter kamen in die Wohnstube. Der Vater rüste zur Treppe hinauf: Gorge, steh' auf! Aber wer nicht kam, war Gorge. Statt seiner wurden die kleineren Kinder munter und kamen herab, weil sie glaubten, der Vater habe sie gerufen. — Warum schläft denn der Große so lang? fragte der Vater. — Gorge ist schon aufgestanden, wie es noch ganz finster war, und ist die Treppe herunter und zur Hausthür hinausgegangen. Es war noch Jemand dabei, ich dachte, es wäre der Vater, erzählte die kleine Christel. Das war dem alten Georg bedenklich. Er ging hinauf in die Kammer, sah seines Sohnes leeres Bette und vermißte die Sonn¬ tagskleider. Da erschrack er sehr, aber als er nun in die Kammer des Venetianers kam, und auch die leer stand, fing er an zu schreien, zu beten und zu fluchen durch einander, daß seine Frau sich entsetzte und schnell die Treppe hinauf rannte. Als nun auch die den Jam¬ mer sah, war die Wuth gegen den Fremden groß. Der Vater tobte, die Mutter jammerte, die Kinder heulten und schrieen, sogar die Kühe im Stalle brüllten und der Hund winselte. Das war ein Lärm! — Vater, da ist ein Brief und ein Beutel mit Geld! rief jetzt der kleine Christoph, und zeigte auf einen Stuhl neben dem Bett des Walen. — Was! der Satan will uns Geld geben für unsern Jungen? schrie der Vater wüthend. Christoph, trage den Beutel gleich ins Wasser. Der Sohn nahm den Beutel und trug ihn fort, die Mutter schickte die Christel gleich nach dem Schulmeister, der den Brief lesen sollte. Als der Schulmeister kam, hatte sich der erste Sturm gelegt, doch wie sie ihm den Vorgang erzählten, fing es wieder tüchtig an zu donnern und zu blitzen. Der Schulmeister suchte sie zu beruhigen und las endlich den Brief. Darin hatte der Italiener geschrieben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/542>, abgerufen am 23.12.2024.