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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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nig fort; der Herr von Schönfeld erachtete laut Urtheil vom 22.
August folgende Stelle in einem Theaterreferate für staatsgcfäyrlich:
" . . . Dadurch wird das Drama zu einem Solospiel, zu einer Mo¬
narchie, da es doch eine Verfassung haben soll, in der jeder der Mitspie¬
lenden sich noch um etwas Anderes, als um seine Rolle zu beküm¬
mern hat." -- So etwas wäre begreiflich, wenn dieser Passus gegen
unsere erste Liebhaberin gerichtet worden, und unsere erste Liebhaberin
zugleich die hundertste Liebhaberin unseres Don-Juan-Schönheit wäre;
ich kann Ihnen aber die Versicherung geben, daß Censor Schönfcld
eben so sehr die weibliche Schönheit, als die männliche Wahrheit haßt.
Warum also wohl hat obiger Satz nicht das Licht der Welt erblicken
dürfen ? Wer mir hierauf genügend antwortet, und wäre es selbst
Herr von Schönfcld, erhält eine ansehnliche Belohnung. Ich könnte
Ihnen übrigens mit unzähligen solcher Unbegreiflichkeiten aus der
Sphäre der Breslauer Censur aufwarten, wenn ich nicht fürchtete,
Sie damit zu ermüden. Wie ich höre, erscheint nächstens ein neues
Heft von "Du sollst und mußt lachen"; darin werde ich sie abdruk-
ken lassen. Doch ein Curiosum nehmen Sie noch in Kauf, weil es
mit einem Vorfalle der letzten Zeit in Verbindung steht. Einer von
den hiesigen unzähligen Vereinen, in die sich das sociale Leben zer¬
bröckelt hat, die "Lätitia", hatte eine Eisenbahnlustfahrt nach dem
romantischen Fürstenstein veranstaltet. Dort sollte nun Ungeheuerli¬
ches vorgekommen sein: Man hatte die Tricolore aufgesteckt und Ed.
Pelz war mit Böllerschüssen empfangen worden. Der Staat schwebte
natürlich am Rande des Verderbens, und die Polizei säumte keinen
Augenblick, die denuncirten Demagogen zu citiren. Es stellte sich aber
heraus, daß die an den Waggons angebrachten Fahnen der Eisenbcchn-
Direction gehört hatten und daß die Böller des Echos wegen abge¬
schossen worden waren. Hiermit war die Sache abgethan. Da er¬
schien aber ein Artikel in der Trier'schen Zeitung, der einige Uebertrei¬
bungen enthielt und keineswegs zu Gunsten der Polizei lautete. Hie-
gegen wollte die Direction der "Lätitia" remonstriren und eine Er¬
klärung dahin abgeben, daß die bezügliche Nachfrage der Polizeibehörde
durchaus in der gehörigen Form geschehen und mehr den Charakter
einer humanen Erkundigung, als den einer officiellen Inquisition an
sich getragen habe. Herr von Schönfcld strich diese Erklärung mit
dem Bemerken: Ruhme man die Humanität der Polizei, so liegt darin
die Voraussetzung, daß die Polizei auch inhuman zu Werke gehen
könne. -- Also auch loben dürfen wir nicht mehr. Sie begreifen
nun wohl, weshalb wir in auswärtigen Blättern so viel Rühmens
von unserem Censor machen.

Die Frau des noch immer seiner Freiheit beraubten E. Pelz hat
die Anwesenheit des Königs in Erdmannsdorf benutzt und Se. Ma¬
jestät um die Freilassung ihres Mannes gebeten. Der König soll sich


KÜ-i-

nig fort; der Herr von Schönfeld erachtete laut Urtheil vom 22.
August folgende Stelle in einem Theaterreferate für staatsgcfäyrlich:
„ . . . Dadurch wird das Drama zu einem Solospiel, zu einer Mo¬
narchie, da es doch eine Verfassung haben soll, in der jeder der Mitspie¬
lenden sich noch um etwas Anderes, als um seine Rolle zu beküm¬
mern hat." — So etwas wäre begreiflich, wenn dieser Passus gegen
unsere erste Liebhaberin gerichtet worden, und unsere erste Liebhaberin
zugleich die hundertste Liebhaberin unseres Don-Juan-Schönheit wäre;
ich kann Ihnen aber die Versicherung geben, daß Censor Schönfcld
eben so sehr die weibliche Schönheit, als die männliche Wahrheit haßt.
Warum also wohl hat obiger Satz nicht das Licht der Welt erblicken
dürfen ? Wer mir hierauf genügend antwortet, und wäre es selbst
Herr von Schönfcld, erhält eine ansehnliche Belohnung. Ich könnte
Ihnen übrigens mit unzähligen solcher Unbegreiflichkeiten aus der
Sphäre der Breslauer Censur aufwarten, wenn ich nicht fürchtete,
Sie damit zu ermüden. Wie ich höre, erscheint nächstens ein neues
Heft von „Du sollst und mußt lachen"; darin werde ich sie abdruk-
ken lassen. Doch ein Curiosum nehmen Sie noch in Kauf, weil es
mit einem Vorfalle der letzten Zeit in Verbindung steht. Einer von
den hiesigen unzähligen Vereinen, in die sich das sociale Leben zer¬
bröckelt hat, die „Lätitia", hatte eine Eisenbahnlustfahrt nach dem
romantischen Fürstenstein veranstaltet. Dort sollte nun Ungeheuerli¬
ches vorgekommen sein: Man hatte die Tricolore aufgesteckt und Ed.
Pelz war mit Böllerschüssen empfangen worden. Der Staat schwebte
natürlich am Rande des Verderbens, und die Polizei säumte keinen
Augenblick, die denuncirten Demagogen zu citiren. Es stellte sich aber
heraus, daß die an den Waggons angebrachten Fahnen der Eisenbcchn-
Direction gehört hatten und daß die Böller des Echos wegen abge¬
schossen worden waren. Hiermit war die Sache abgethan. Da er¬
schien aber ein Artikel in der Trier'schen Zeitung, der einige Uebertrei¬
bungen enthielt und keineswegs zu Gunsten der Polizei lautete. Hie-
gegen wollte die Direction der „Lätitia" remonstriren und eine Er¬
klärung dahin abgeben, daß die bezügliche Nachfrage der Polizeibehörde
durchaus in der gehörigen Form geschehen und mehr den Charakter
einer humanen Erkundigung, als den einer officiellen Inquisition an
sich getragen habe. Herr von Schönfcld strich diese Erklärung mit
dem Bemerken: Ruhme man die Humanität der Polizei, so liegt darin
die Voraussetzung, daß die Polizei auch inhuman zu Werke gehen
könne. — Also auch loben dürfen wir nicht mehr. Sie begreifen
nun wohl, weshalb wir in auswärtigen Blättern so viel Rühmens
von unserem Censor machen.

Die Frau des noch immer seiner Freiheit beraubten E. Pelz hat
die Anwesenheit des Königs in Erdmannsdorf benutzt und Se. Ma¬
jestät um die Freilassung ihres Mannes gebeten. Der König soll sich


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[0523] nig fort; der Herr von Schönfeld erachtete laut Urtheil vom 22. August folgende Stelle in einem Theaterreferate für staatsgcfäyrlich: „ . . . Dadurch wird das Drama zu einem Solospiel, zu einer Mo¬ narchie, da es doch eine Verfassung haben soll, in der jeder der Mitspie¬ lenden sich noch um etwas Anderes, als um seine Rolle zu beküm¬ mern hat." — So etwas wäre begreiflich, wenn dieser Passus gegen unsere erste Liebhaberin gerichtet worden, und unsere erste Liebhaberin zugleich die hundertste Liebhaberin unseres Don-Juan-Schönheit wäre; ich kann Ihnen aber die Versicherung geben, daß Censor Schönfcld eben so sehr die weibliche Schönheit, als die männliche Wahrheit haßt. Warum also wohl hat obiger Satz nicht das Licht der Welt erblicken dürfen ? Wer mir hierauf genügend antwortet, und wäre es selbst Herr von Schönfcld, erhält eine ansehnliche Belohnung. Ich könnte Ihnen übrigens mit unzähligen solcher Unbegreiflichkeiten aus der Sphäre der Breslauer Censur aufwarten, wenn ich nicht fürchtete, Sie damit zu ermüden. Wie ich höre, erscheint nächstens ein neues Heft von „Du sollst und mußt lachen"; darin werde ich sie abdruk- ken lassen. Doch ein Curiosum nehmen Sie noch in Kauf, weil es mit einem Vorfalle der letzten Zeit in Verbindung steht. Einer von den hiesigen unzähligen Vereinen, in die sich das sociale Leben zer¬ bröckelt hat, die „Lätitia", hatte eine Eisenbahnlustfahrt nach dem romantischen Fürstenstein veranstaltet. Dort sollte nun Ungeheuerli¬ ches vorgekommen sein: Man hatte die Tricolore aufgesteckt und Ed. Pelz war mit Böllerschüssen empfangen worden. Der Staat schwebte natürlich am Rande des Verderbens, und die Polizei säumte keinen Augenblick, die denuncirten Demagogen zu citiren. Es stellte sich aber heraus, daß die an den Waggons angebrachten Fahnen der Eisenbcchn- Direction gehört hatten und daß die Böller des Echos wegen abge¬ schossen worden waren. Hiermit war die Sache abgethan. Da er¬ schien aber ein Artikel in der Trier'schen Zeitung, der einige Uebertrei¬ bungen enthielt und keineswegs zu Gunsten der Polizei lautete. Hie- gegen wollte die Direction der „Lätitia" remonstriren und eine Er¬ klärung dahin abgeben, daß die bezügliche Nachfrage der Polizeibehörde durchaus in der gehörigen Form geschehen und mehr den Charakter einer humanen Erkundigung, als den einer officiellen Inquisition an sich getragen habe. Herr von Schönfcld strich diese Erklärung mit dem Bemerken: Ruhme man die Humanität der Polizei, so liegt darin die Voraussetzung, daß die Polizei auch inhuman zu Werke gehen könne. — Also auch loben dürfen wir nicht mehr. Sie begreifen nun wohl, weshalb wir in auswärtigen Blättern so viel Rühmens von unserem Censor machen. Die Frau des noch immer seiner Freiheit beraubten E. Pelz hat die Anwesenheit des Königs in Erdmannsdorf benutzt und Se. Ma¬ jestät um die Freilassung ihres Mannes gebeten. Der König soll sich KÜ-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/523>, abgerufen am 03.07.2024.