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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Tagebuch.



i.
Aus B r e s l a u.

Die Weber. -- Ccnsuranekdotc". -- Der König über Pelz. -- Das Worm-
brunner Studienfest. -- Die ermüdete Wohlthätigkeit der Schlesier.

Man erzählt sich, daß der König in Erdmannsdorf gesagt habe:
Den Webern soll und muß geholfen werden. Bis jetzt sieht man
noch Nichts, was darauf hindeuten könnte; es heißt vielmehr, daß
die armen Leute noch die Kosten der wider sie geführten Untersuchung
aufbringen sollen. Das wäre allerdings das geeignetste Mittel, die
kaum erloschene Flamme wieder anzufachen. Uebrigens begreift man
nicht, was den obersten Behörden noch zu thun übrig bliebe, nachdem
sie die Ursachen der Unruhen hinweggeräumt haben. Die Presse ist
zum Schweigen gebracht und das Haupt der communistischen Pro¬
paganda sitzt im Breslauer Jnquisitoriat. Wer jetzt von den Gebirg¬
lern noch hungert und Noth leidet, der thut's aus unwohlmeinender
Absicht. Eine herrliche Erfindung, diese Censur! Mit einem Strich
vernichtet sie den Nothstand von so vielen Tausenden. Unter den
Papieren des Herrn Pelz hat man Briefe von Volksfreunden vorge¬
funden, die sich über Zeiterscheinungen freimüthig aussprechen. Einer
dieser Briefsteller, der seine Ansichten über Organisation der Weber
äußert, ist bereits vernommen worden und hat nähere Aufschlüsse über
dieses unliebsame Wort geben müssen. Es sollte eine Untersuchungs¬
commission niedergesetzt werden, welche die ganze provinzielle Intelli¬
genz über dieses Thema ausfrüge. Das wäre freilich umständlicher,
als das schriftliche Votiren durch die Organe der Presse, aber man
sähe doch, daß die Furcht vor den Thatsachen der Aelt uns nicht ge¬
rade Reißaus nehmen ließe. Wir sind schon wieder, was die Presse
betrifft, glücklich bei dem Jahre 1839 angelangt. Damals strich ein
Herr von Kottwitz dem Wiener Strauß die Apposition: Walzerko-


Tagebuch.



i.
Aus B r e s l a u.

Die Weber. — Ccnsuranekdotc». — Der König über Pelz. — Das Worm-
brunner Studienfest. — Die ermüdete Wohlthätigkeit der Schlesier.

Man erzählt sich, daß der König in Erdmannsdorf gesagt habe:
Den Webern soll und muß geholfen werden. Bis jetzt sieht man
noch Nichts, was darauf hindeuten könnte; es heißt vielmehr, daß
die armen Leute noch die Kosten der wider sie geführten Untersuchung
aufbringen sollen. Das wäre allerdings das geeignetste Mittel, die
kaum erloschene Flamme wieder anzufachen. Uebrigens begreift man
nicht, was den obersten Behörden noch zu thun übrig bliebe, nachdem
sie die Ursachen der Unruhen hinweggeräumt haben. Die Presse ist
zum Schweigen gebracht und das Haupt der communistischen Pro¬
paganda sitzt im Breslauer Jnquisitoriat. Wer jetzt von den Gebirg¬
lern noch hungert und Noth leidet, der thut's aus unwohlmeinender
Absicht. Eine herrliche Erfindung, diese Censur! Mit einem Strich
vernichtet sie den Nothstand von so vielen Tausenden. Unter den
Papieren des Herrn Pelz hat man Briefe von Volksfreunden vorge¬
funden, die sich über Zeiterscheinungen freimüthig aussprechen. Einer
dieser Briefsteller, der seine Ansichten über Organisation der Weber
äußert, ist bereits vernommen worden und hat nähere Aufschlüsse über
dieses unliebsame Wort geben müssen. Es sollte eine Untersuchungs¬
commission niedergesetzt werden, welche die ganze provinzielle Intelli¬
genz über dieses Thema ausfrüge. Das wäre freilich umständlicher,
als das schriftliche Votiren durch die Organe der Presse, aber man
sähe doch, daß die Furcht vor den Thatsachen der Aelt uns nicht ge¬
rade Reißaus nehmen ließe. Wir sind schon wieder, was die Presse
betrifft, glücklich bei dem Jahre 1839 angelangt. Damals strich ein
Herr von Kottwitz dem Wiener Strauß die Apposition: Walzerko-


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[0522] Tagebuch. i. Aus B r e s l a u. Die Weber. — Ccnsuranekdotc». — Der König über Pelz. — Das Worm- brunner Studienfest. — Die ermüdete Wohlthätigkeit der Schlesier. Man erzählt sich, daß der König in Erdmannsdorf gesagt habe: Den Webern soll und muß geholfen werden. Bis jetzt sieht man noch Nichts, was darauf hindeuten könnte; es heißt vielmehr, daß die armen Leute noch die Kosten der wider sie geführten Untersuchung aufbringen sollen. Das wäre allerdings das geeignetste Mittel, die kaum erloschene Flamme wieder anzufachen. Uebrigens begreift man nicht, was den obersten Behörden noch zu thun übrig bliebe, nachdem sie die Ursachen der Unruhen hinweggeräumt haben. Die Presse ist zum Schweigen gebracht und das Haupt der communistischen Pro¬ paganda sitzt im Breslauer Jnquisitoriat. Wer jetzt von den Gebirg¬ lern noch hungert und Noth leidet, der thut's aus unwohlmeinender Absicht. Eine herrliche Erfindung, diese Censur! Mit einem Strich vernichtet sie den Nothstand von so vielen Tausenden. Unter den Papieren des Herrn Pelz hat man Briefe von Volksfreunden vorge¬ funden, die sich über Zeiterscheinungen freimüthig aussprechen. Einer dieser Briefsteller, der seine Ansichten über Organisation der Weber äußert, ist bereits vernommen worden und hat nähere Aufschlüsse über dieses unliebsame Wort geben müssen. Es sollte eine Untersuchungs¬ commission niedergesetzt werden, welche die ganze provinzielle Intelli¬ genz über dieses Thema ausfrüge. Das wäre freilich umständlicher, als das schriftliche Votiren durch die Organe der Presse, aber man sähe doch, daß die Furcht vor den Thatsachen der Aelt uns nicht ge¬ rade Reißaus nehmen ließe. Wir sind schon wieder, was die Presse betrifft, glücklich bei dem Jahre 1839 angelangt. Damals strich ein Herr von Kottwitz dem Wiener Strauß die Apposition: Walzerko-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/522>, abgerufen am 03.07.2024.