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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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des Hauptmanns, der allerdings mein Vorgesetzter ist, so viel Be¬
scheidenheit besitzen und nicht aus einem verbotenen Verhältniß auch
noch Rechte herleiten wollen, die jede rechtschaffene Frau beleidigen
müssen. Wissen Sie, gnädige Frau Lieutenantin, daß Sie nur so
lange in der Kaserne bleiben dürfen, als ich will und es dulde!
Diese kecke Sprache eines Untergebenen hat endlich meinen sanften
Pauli auch aufgebracht. Sie, sagte er zum Oberlieutenant, ich ver¬
bitte mir solche Ausdrücke! Sie haben weder was zu erlauben, noch
zu verbieten, ich bin der Commandant, -- Sie haben sür mich
Nichts zu veramworten. -- Morgen, antwortete der Oberlieutenant,
werden wir beim Rapport weiter hierüber sprechen, und ich werde
Ihnen zeigen, Herr Hauptmann, daß Sie deswegen, weil Sie Com¬
mandant sind, nicht Alles thun können, was Ihnen beliebt. Nach
mehreren ähnlichen Repliken nahm der Oberlieutenant seine Frau und
empfahl sich. Als sie fort waren, haben wir uns dann ungestört
unterhalten; denn die anderen Offiziere waren dem Oberlieutenant
auch jnicht gut und meinem Pauli waren sie alle Geld schuldig.
Den folgenden Tag forderte der Oberlieutenant Pauli beim Rapport
auf, mich augenblicklich aus der Kaserne zu entfernen, nachdem die
Concubinate alle ohne Unterschied und insbesondere! in den Kasernen
von Sr. Majestät verboten wären, und er sich daher bemüssigt fin¬
den würde, es höhern Orts anzuzeigen. Mein Pauli ließ eS dar¬
auf ankommen, aber zu unserm größten Verdruß ließ der Festungg-
Commandant meinen Pauli holen, und ich mußte noch denselben
Tag die Kaserne räumen. Pauli nahm mir in der Stadt ein hüb¬
sches Quartier auf, und ich war recht froh, daß ich aus diesem
Soldaten-Vogelhaus heraus war. Die Reibungen zwischen Pauli
und diesem Oberlieutenant hörten aber nimmermehr auf. Eines
Tages ließ der Oberlieutenant einen Kanonier, der in der Gärtnerei
sehr erfahren war und aus dieser Ursache unseren Garten besorgte,
arretiren, weil er zu spät und betrunken in die Kaserne kam und
sich gegen den Korporal, der ihn in Arrest führte, sehr unanständig
benahm. Pauli wollte ihn für dieses Vergehen krumm schließen,
denn wir konnten ihn in unserem Garten nicht entbehren; der Ober¬
lieutenant bestand aber darauf, ihn mit Kasernen-Arrest zu belegen,
und Pauli war schwach genug, ihm einen vierwöchentlichen Kasernen-
Arrest zu dictiren. Als ich dieses hörte, wußte ich vor Zorn nicht,


des Hauptmanns, der allerdings mein Vorgesetzter ist, so viel Be¬
scheidenheit besitzen und nicht aus einem verbotenen Verhältniß auch
noch Rechte herleiten wollen, die jede rechtschaffene Frau beleidigen
müssen. Wissen Sie, gnädige Frau Lieutenantin, daß Sie nur so
lange in der Kaserne bleiben dürfen, als ich will und es dulde!
Diese kecke Sprache eines Untergebenen hat endlich meinen sanften
Pauli auch aufgebracht. Sie, sagte er zum Oberlieutenant, ich ver¬
bitte mir solche Ausdrücke! Sie haben weder was zu erlauben, noch
zu verbieten, ich bin der Commandant, — Sie haben sür mich
Nichts zu veramworten. — Morgen, antwortete der Oberlieutenant,
werden wir beim Rapport weiter hierüber sprechen, und ich werde
Ihnen zeigen, Herr Hauptmann, daß Sie deswegen, weil Sie Com¬
mandant sind, nicht Alles thun können, was Ihnen beliebt. Nach
mehreren ähnlichen Repliken nahm der Oberlieutenant seine Frau und
empfahl sich. Als sie fort waren, haben wir uns dann ungestört
unterhalten; denn die anderen Offiziere waren dem Oberlieutenant
auch jnicht gut und meinem Pauli waren sie alle Geld schuldig.
Den folgenden Tag forderte der Oberlieutenant Pauli beim Rapport
auf, mich augenblicklich aus der Kaserne zu entfernen, nachdem die
Concubinate alle ohne Unterschied und insbesondere! in den Kasernen
von Sr. Majestät verboten wären, und er sich daher bemüssigt fin¬
den würde, es höhern Orts anzuzeigen. Mein Pauli ließ eS dar¬
auf ankommen, aber zu unserm größten Verdruß ließ der Festungg-
Commandant meinen Pauli holen, und ich mußte noch denselben
Tag die Kaserne räumen. Pauli nahm mir in der Stadt ein hüb¬
sches Quartier auf, und ich war recht froh, daß ich aus diesem
Soldaten-Vogelhaus heraus war. Die Reibungen zwischen Pauli
und diesem Oberlieutenant hörten aber nimmermehr auf. Eines
Tages ließ der Oberlieutenant einen Kanonier, der in der Gärtnerei
sehr erfahren war und aus dieser Ursache unseren Garten besorgte,
arretiren, weil er zu spät und betrunken in die Kaserne kam und
sich gegen den Korporal, der ihn in Arrest führte, sehr unanständig
benahm. Pauli wollte ihn für dieses Vergehen krumm schließen,
denn wir konnten ihn in unserem Garten nicht entbehren; der Ober¬
lieutenant bestand aber darauf, ihn mit Kasernen-Arrest zu belegen,
und Pauli war schwach genug, ihm einen vierwöchentlichen Kasernen-
Arrest zu dictiren. Als ich dieses hörte, wußte ich vor Zorn nicht,


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[0512] des Hauptmanns, der allerdings mein Vorgesetzter ist, so viel Be¬ scheidenheit besitzen und nicht aus einem verbotenen Verhältniß auch noch Rechte herleiten wollen, die jede rechtschaffene Frau beleidigen müssen. Wissen Sie, gnädige Frau Lieutenantin, daß Sie nur so lange in der Kaserne bleiben dürfen, als ich will und es dulde! Diese kecke Sprache eines Untergebenen hat endlich meinen sanften Pauli auch aufgebracht. Sie, sagte er zum Oberlieutenant, ich ver¬ bitte mir solche Ausdrücke! Sie haben weder was zu erlauben, noch zu verbieten, ich bin der Commandant, — Sie haben sür mich Nichts zu veramworten. — Morgen, antwortete der Oberlieutenant, werden wir beim Rapport weiter hierüber sprechen, und ich werde Ihnen zeigen, Herr Hauptmann, daß Sie deswegen, weil Sie Com¬ mandant sind, nicht Alles thun können, was Ihnen beliebt. Nach mehreren ähnlichen Repliken nahm der Oberlieutenant seine Frau und empfahl sich. Als sie fort waren, haben wir uns dann ungestört unterhalten; denn die anderen Offiziere waren dem Oberlieutenant auch jnicht gut und meinem Pauli waren sie alle Geld schuldig. Den folgenden Tag forderte der Oberlieutenant Pauli beim Rapport auf, mich augenblicklich aus der Kaserne zu entfernen, nachdem die Concubinate alle ohne Unterschied und insbesondere! in den Kasernen von Sr. Majestät verboten wären, und er sich daher bemüssigt fin¬ den würde, es höhern Orts anzuzeigen. Mein Pauli ließ eS dar¬ auf ankommen, aber zu unserm größten Verdruß ließ der Festungg- Commandant meinen Pauli holen, und ich mußte noch denselben Tag die Kaserne räumen. Pauli nahm mir in der Stadt ein hüb¬ sches Quartier auf, und ich war recht froh, daß ich aus diesem Soldaten-Vogelhaus heraus war. Die Reibungen zwischen Pauli und diesem Oberlieutenant hörten aber nimmermehr auf. Eines Tages ließ der Oberlieutenant einen Kanonier, der in der Gärtnerei sehr erfahren war und aus dieser Ursache unseren Garten besorgte, arretiren, weil er zu spät und betrunken in die Kaserne kam und sich gegen den Korporal, der ihn in Arrest führte, sehr unanständig benahm. Pauli wollte ihn für dieses Vergehen krumm schließen, denn wir konnten ihn in unserem Garten nicht entbehren; der Ober¬ lieutenant bestand aber darauf, ihn mit Kasernen-Arrest zu belegen, und Pauli war schwach genug, ihm einen vierwöchentlichen Kasernen- Arrest zu dictiren. Als ich dieses hörte, wußte ich vor Zorn nicht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/512>, abgerufen am 23.12.2024.