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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Mandanten aus die Dauer der Visite eingeräumt, aber vergessen, die
darin eingenisteten allerliebsten kleinen Jnsecten, die gewöhnlich in
alten Bettstellen ihren Wohnsitz haben, mitzunehmen, welche den ar¬
men Commandanten die zweite Nacht jämmerlich sekirten, weil der¬
selbe durch die zufällige Anwesenheit eines fremden Stabsoffiziers,
der ihm eine Bewillkommnungsvisite abstattete, verhindert war, sich
ein Räuschchen anzutrinken. Dieser Uebelstand wurde dem betreffen¬
den Commandanten sehr streng verwiesen, und ich weiß nicht, ob die
uns bei unserer Abreise zur Gesellschaft mitgegebenen zwei gebratenen
Enten und die drei Bouteillen mit Malvasierwein den visitirenden
Commandanten zu günstigeren Gesinnungen über die Administration
des von uns besuchten Postens gestimmt haben, oder ob derselbe sei¬
ner Pflicht gemäß in der Relation an die hohe Artilleriebehörde zur
gelegentlichen Abstellung diesen verdrießlichen Umstand angezeigt hat.
Wir hatten unsere Enten noch nicht ganz aufgezehrt und den Mal¬
vasierwein nur mit sichtbarer Anstrengung kaum geleert gehabt, als
wir den Hauptposten endlich erreicht hatten.

Auf unseren Msitationöreisen habe ich mir durch fleißiges Beob¬
achten einen Ueberblick in dem Wisitationsgeschäfte erworben, der
mich jederzeit errathen ließ, ob wir viel oder wenig Anständen be¬
gegnen würden. Kaum hatten wir in Begleitung des unserer An¬
kunft in größter Parade am Ufer harrenden Offiziercorps den inne¬
ren Raum des Zeughauses betreten, so wußte ich auf der Stelle,
daß es hier ohne große Anstände, zu deren Beseitigung geraume Zeit
erforderlich sein würde, nicht abgehen werde, denn da gab es Gänse,
Enten, Indianer, Kapaunen und Hühner, daß einem Menschenken¬
ner das Herz im Leibe lachte, und Jedermann aus dem gesunden
Aussehen und dem sichtbaren Wohlbehagen jener benannten Zeug¬
hausbewohner auf die große Intelligenz desjenigen Personals, wei'-
chem das Erziehungsgeschäft derselben anvertraut war, unwillkürlich
schließen mußte. Dein visitirenden Commandanten wurde im Zeug¬
hause von dem Quartier des Postocommandcmten ein Zimmer zu
seiner Wohnung eingerichtet. Ein großer runder Tisch war mit ro¬
them Tuche, welches der Hauptmann und Postocommandant von den
Aufschlägen der KanonierSröcke durch zweckmäßige Gebahrung erspart
hatte, überzogen, der Boden des Zimmers selbst war jedoch mit reh¬
farbenem Tuche belegt, welches mit der Farbe der Artillerieröcke eme


Mandanten aus die Dauer der Visite eingeräumt, aber vergessen, die
darin eingenisteten allerliebsten kleinen Jnsecten, die gewöhnlich in
alten Bettstellen ihren Wohnsitz haben, mitzunehmen, welche den ar¬
men Commandanten die zweite Nacht jämmerlich sekirten, weil der¬
selbe durch die zufällige Anwesenheit eines fremden Stabsoffiziers,
der ihm eine Bewillkommnungsvisite abstattete, verhindert war, sich
ein Räuschchen anzutrinken. Dieser Uebelstand wurde dem betreffen¬
den Commandanten sehr streng verwiesen, und ich weiß nicht, ob die
uns bei unserer Abreise zur Gesellschaft mitgegebenen zwei gebratenen
Enten und die drei Bouteillen mit Malvasierwein den visitirenden
Commandanten zu günstigeren Gesinnungen über die Administration
des von uns besuchten Postens gestimmt haben, oder ob derselbe sei¬
ner Pflicht gemäß in der Relation an die hohe Artilleriebehörde zur
gelegentlichen Abstellung diesen verdrießlichen Umstand angezeigt hat.
Wir hatten unsere Enten noch nicht ganz aufgezehrt und den Mal¬
vasierwein nur mit sichtbarer Anstrengung kaum geleert gehabt, als
wir den Hauptposten endlich erreicht hatten.

Auf unseren Msitationöreisen habe ich mir durch fleißiges Beob¬
achten einen Ueberblick in dem Wisitationsgeschäfte erworben, der
mich jederzeit errathen ließ, ob wir viel oder wenig Anständen be¬
gegnen würden. Kaum hatten wir in Begleitung des unserer An¬
kunft in größter Parade am Ufer harrenden Offiziercorps den inne¬
ren Raum des Zeughauses betreten, so wußte ich auf der Stelle,
daß es hier ohne große Anstände, zu deren Beseitigung geraume Zeit
erforderlich sein würde, nicht abgehen werde, denn da gab es Gänse,
Enten, Indianer, Kapaunen und Hühner, daß einem Menschenken¬
ner das Herz im Leibe lachte, und Jedermann aus dem gesunden
Aussehen und dem sichtbaren Wohlbehagen jener benannten Zeug¬
hausbewohner auf die große Intelligenz desjenigen Personals, wei'-
chem das Erziehungsgeschäft derselben anvertraut war, unwillkürlich
schließen mußte. Dein visitirenden Commandanten wurde im Zeug¬
hause von dem Quartier des Postocommandcmten ein Zimmer zu
seiner Wohnung eingerichtet. Ein großer runder Tisch war mit ro¬
them Tuche, welches der Hauptmann und Postocommandant von den
Aufschlägen der KanonierSröcke durch zweckmäßige Gebahrung erspart
hatte, überzogen, der Boden des Zimmers selbst war jedoch mit reh¬
farbenem Tuche belegt, welches mit der Farbe der Artillerieröcke eme


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[0504] Mandanten aus die Dauer der Visite eingeräumt, aber vergessen, die darin eingenisteten allerliebsten kleinen Jnsecten, die gewöhnlich in alten Bettstellen ihren Wohnsitz haben, mitzunehmen, welche den ar¬ men Commandanten die zweite Nacht jämmerlich sekirten, weil der¬ selbe durch die zufällige Anwesenheit eines fremden Stabsoffiziers, der ihm eine Bewillkommnungsvisite abstattete, verhindert war, sich ein Räuschchen anzutrinken. Dieser Uebelstand wurde dem betreffen¬ den Commandanten sehr streng verwiesen, und ich weiß nicht, ob die uns bei unserer Abreise zur Gesellschaft mitgegebenen zwei gebratenen Enten und die drei Bouteillen mit Malvasierwein den visitirenden Commandanten zu günstigeren Gesinnungen über die Administration des von uns besuchten Postens gestimmt haben, oder ob derselbe sei¬ ner Pflicht gemäß in der Relation an die hohe Artilleriebehörde zur gelegentlichen Abstellung diesen verdrießlichen Umstand angezeigt hat. Wir hatten unsere Enten noch nicht ganz aufgezehrt und den Mal¬ vasierwein nur mit sichtbarer Anstrengung kaum geleert gehabt, als wir den Hauptposten endlich erreicht hatten. Auf unseren Msitationöreisen habe ich mir durch fleißiges Beob¬ achten einen Ueberblick in dem Wisitationsgeschäfte erworben, der mich jederzeit errathen ließ, ob wir viel oder wenig Anständen be¬ gegnen würden. Kaum hatten wir in Begleitung des unserer An¬ kunft in größter Parade am Ufer harrenden Offiziercorps den inne¬ ren Raum des Zeughauses betreten, so wußte ich auf der Stelle, daß es hier ohne große Anstände, zu deren Beseitigung geraume Zeit erforderlich sein würde, nicht abgehen werde, denn da gab es Gänse, Enten, Indianer, Kapaunen und Hühner, daß einem Menschenken¬ ner das Herz im Leibe lachte, und Jedermann aus dem gesunden Aussehen und dem sichtbaren Wohlbehagen jener benannten Zeug¬ hausbewohner auf die große Intelligenz desjenigen Personals, wei'- chem das Erziehungsgeschäft derselben anvertraut war, unwillkürlich schließen mußte. Dein visitirenden Commandanten wurde im Zeug¬ hause von dem Quartier des Postocommandcmten ein Zimmer zu seiner Wohnung eingerichtet. Ein großer runder Tisch war mit ro¬ them Tuche, welches der Hauptmann und Postocommandant von den Aufschlägen der KanonierSröcke durch zweckmäßige Gebahrung erspart hatte, überzogen, der Boden des Zimmers selbst war jedoch mit reh¬ farbenem Tuche belegt, welches mit der Farbe der Artillerieröcke eme

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/504>, abgerufen am 23.07.2024.