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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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II.
Ans Leipzig.

Leipziger auf Reisen. -- Professoren, Buckhändler und Redacteure. -- Was
Leipzig Noth thut. -- Die Fremden. -- Elegante Frauen. -- Theater. --
Reisende Directoren. -- Russische Federbetten.

Dieser Tage ist eine lustige Karavane ernsthafter Leipziger nach
Paris aufgebrochen, um die Wunder der französischen Industrieaus¬
stellung mit eigenen Augen kennen zu lernen. Fast jedes der Haupt¬
elemente geistiger Betriebsamkeit hat bei der kleinen Karavane seinen
Repräsentanten; außer mehreren Professoren (worunter die zwei von
der Negierung dahin geschickten Commissäre sich befinden) schloß sich
dem Auge auch ein bekannter, ehrenwerther Buchhändler und der Re¬
dacteur einer geachteten Monatsschrift an. Die Reise dieser Herren
könnte für Leipzig von mannigfachem Nutzen sein. Nicht etwa, daß
die Herren Professoren ein Stückchen vaterländischen Zopfes unter den
Händen eines Pariser Friseurs lassen sollten, nicht daß der Buchhänd>
ter dort ein Beispiel sich nehmen sollte, wie man Autoren honoriren
müsse, nicht daß der Redacteur die sechsunddreißigtausend Abonnen¬
ten des Sivcle entführen und dem Literatenverein als Unterstützung
hilfsbedürftiger Redactionen mitbringen soll -- dies Alles werden die
Herren ohnehin thun. Wir können darüber außer Sorgen sein. Wenn
in Zukunft ein Journal wegen einiger Hundert Abonnenten in Ver¬
legenheit sein wird, so wird es blos ein kleines Billet an Herrn Pro¬
fessor B. schreiben, und dieser wird von den mitgebrachten sechsund¬
dreißigtausend alsoqleich die nöthige Zahl besorgen. Wenn künftighin
ein Schriftsteller Lust zu einem Landgut, zu einem Paar hübschen
Reitpferden :c. haben wird, so wird er blos ein Buch der Verlags¬
handlung von W. und M. zum Drucke überlassen. Der Senat der
Leipziger Universität wird, angeregt von den aus Paris zurückgekehr¬
ten entzopften Gelehrten, drei Tage Carcerstrafe für jeden Professor
festsetzen, der in Zukunft der leisesten Pedanterie überwiesen wird. --
Dies wäre also abgemacht. -- Weniger Hoffnung ist für eine andere
Sache. Unter der Karavane befindet sich ein hiesiger Stadtverordne¬
ter. Wird er auf seiner Reise durch die schönen Rhein- und belgischen
Städte und endlich in Paris selbst Augen haben für Alles, was der
Gemeinderath dieser Städte zur Verschönerung, zur höheren Bequem¬
lichkeit der Einwohner wie der Fremden alljährlich für Schöpfungen


lion, durch die Erwerbung politischer Rechte und Freiheiten; dann wird das
politische Element in Wien nickt blos durch seine liebenswürdige Geselligkeit
und seine gemüthliche Sitte, sondern auch durch männlichen Charakter die
fremden Elemente der Kaiserstadt beherrschen. Die Red.
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II.
Ans Leipzig.

Leipziger auf Reisen. — Professoren, Buckhändler und Redacteure. — Was
Leipzig Noth thut. — Die Fremden. — Elegante Frauen. — Theater. —
Reisende Directoren. — Russische Federbetten.

Dieser Tage ist eine lustige Karavane ernsthafter Leipziger nach
Paris aufgebrochen, um die Wunder der französischen Industrieaus¬
stellung mit eigenen Augen kennen zu lernen. Fast jedes der Haupt¬
elemente geistiger Betriebsamkeit hat bei der kleinen Karavane seinen
Repräsentanten; außer mehreren Professoren (worunter die zwei von
der Negierung dahin geschickten Commissäre sich befinden) schloß sich
dem Auge auch ein bekannter, ehrenwerther Buchhändler und der Re¬
dacteur einer geachteten Monatsschrift an. Die Reise dieser Herren
könnte für Leipzig von mannigfachem Nutzen sein. Nicht etwa, daß
die Herren Professoren ein Stückchen vaterländischen Zopfes unter den
Händen eines Pariser Friseurs lassen sollten, nicht daß der Buchhänd>
ter dort ein Beispiel sich nehmen sollte, wie man Autoren honoriren
müsse, nicht daß der Redacteur die sechsunddreißigtausend Abonnen¬
ten des Sivcle entführen und dem Literatenverein als Unterstützung
hilfsbedürftiger Redactionen mitbringen soll — dies Alles werden die
Herren ohnehin thun. Wir können darüber außer Sorgen sein. Wenn
in Zukunft ein Journal wegen einiger Hundert Abonnenten in Ver¬
legenheit sein wird, so wird es blos ein kleines Billet an Herrn Pro¬
fessor B. schreiben, und dieser wird von den mitgebrachten sechsund¬
dreißigtausend alsoqleich die nöthige Zahl besorgen. Wenn künftighin
ein Schriftsteller Lust zu einem Landgut, zu einem Paar hübschen
Reitpferden :c. haben wird, so wird er blos ein Buch der Verlags¬
handlung von W. und M. zum Drucke überlassen. Der Senat der
Leipziger Universität wird, angeregt von den aus Paris zurückgekehr¬
ten entzopften Gelehrten, drei Tage Carcerstrafe für jeden Professor
festsetzen, der in Zukunft der leisesten Pedanterie überwiesen wird. —
Dies wäre also abgemacht. — Weniger Hoffnung ist für eine andere
Sache. Unter der Karavane befindet sich ein hiesiger Stadtverordne¬
ter. Wird er auf seiner Reise durch die schönen Rhein- und belgischen
Städte und endlich in Paris selbst Augen haben für Alles, was der
Gemeinderath dieser Städte zur Verschönerung, zur höheren Bequem¬
lichkeit der Einwohner wie der Fremden alljährlich für Schöpfungen


lion, durch die Erwerbung politischer Rechte und Freiheiten; dann wird das
politische Element in Wien nickt blos durch seine liebenswürdige Geselligkeit
und seine gemüthliche Sitte, sondern auch durch männlichen Charakter die
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[0049] II. Ans Leipzig. Leipziger auf Reisen. — Professoren, Buckhändler und Redacteure. — Was Leipzig Noth thut. — Die Fremden. — Elegante Frauen. — Theater. — Reisende Directoren. — Russische Federbetten. Dieser Tage ist eine lustige Karavane ernsthafter Leipziger nach Paris aufgebrochen, um die Wunder der französischen Industrieaus¬ stellung mit eigenen Augen kennen zu lernen. Fast jedes der Haupt¬ elemente geistiger Betriebsamkeit hat bei der kleinen Karavane seinen Repräsentanten; außer mehreren Professoren (worunter die zwei von der Negierung dahin geschickten Commissäre sich befinden) schloß sich dem Auge auch ein bekannter, ehrenwerther Buchhändler und der Re¬ dacteur einer geachteten Monatsschrift an. Die Reise dieser Herren könnte für Leipzig von mannigfachem Nutzen sein. Nicht etwa, daß die Herren Professoren ein Stückchen vaterländischen Zopfes unter den Händen eines Pariser Friseurs lassen sollten, nicht daß der Buchhänd> ter dort ein Beispiel sich nehmen sollte, wie man Autoren honoriren müsse, nicht daß der Redacteur die sechsunddreißigtausend Abonnen¬ ten des Sivcle entführen und dem Literatenverein als Unterstützung hilfsbedürftiger Redactionen mitbringen soll — dies Alles werden die Herren ohnehin thun. Wir können darüber außer Sorgen sein. Wenn in Zukunft ein Journal wegen einiger Hundert Abonnenten in Ver¬ legenheit sein wird, so wird es blos ein kleines Billet an Herrn Pro¬ fessor B. schreiben, und dieser wird von den mitgebrachten sechsund¬ dreißigtausend alsoqleich die nöthige Zahl besorgen. Wenn künftighin ein Schriftsteller Lust zu einem Landgut, zu einem Paar hübschen Reitpferden :c. haben wird, so wird er blos ein Buch der Verlags¬ handlung von W. und M. zum Drucke überlassen. Der Senat der Leipziger Universität wird, angeregt von den aus Paris zurückgekehr¬ ten entzopften Gelehrten, drei Tage Carcerstrafe für jeden Professor festsetzen, der in Zukunft der leisesten Pedanterie überwiesen wird. — Dies wäre also abgemacht. — Weniger Hoffnung ist für eine andere Sache. Unter der Karavane befindet sich ein hiesiger Stadtverordne¬ ter. Wird er auf seiner Reise durch die schönen Rhein- und belgischen Städte und endlich in Paris selbst Augen haben für Alles, was der Gemeinderath dieser Städte zur Verschönerung, zur höheren Bequem¬ lichkeit der Einwohner wie der Fremden alljährlich für Schöpfungen lion, durch die Erwerbung politischer Rechte und Freiheiten; dann wird das politische Element in Wien nickt blos durch seine liebenswürdige Geselligkeit und seine gemüthliche Sitte, sondern auch durch männlichen Charakter die fremden Elemente der Kaiserstadt beherrschen. Die Red. Ävenzboicil !!i44> >I.v

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/49>, abgerufen am 23.07.2024.