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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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denen unter Hundert kaum Einer die nöthige Kenntniß besitzt. Wie
viele Offiziere gibt's denn in der österreichischen Artillerie, die bei
der Erzeugung der Gewehre angestellt waren und aus Erfahrung
unterscheiden könnten, ob die Mängel an den Gewehrläufen, z. B.
Schweißnathen, Gruben, Schiefern :c. zufällig, muthwillig, oder durch
den langen Gebrauch herbeigeführt worden sind?

Außer diesem Wirkungskreis, wo die Garnisonsartillericchefs ih¬
ren Gefälligkeitöstnn gegen fremde Branchen bewähren können, gibt
es in ihrem weiten Bereiche tausend und tausend Gelegenheiten, wo
sie durch Zugeständnisse und Bewilligungen höher gestellte Personen
von sich abhängig machen können, und daher bei aller lächerlichen
Individualität, bei Ignoranz, bei moralischen ^ angeln einer still¬
schweigenden Achtung genießen, die keinen anderen Ursprung hat, als
ihre Unentbehrlichkeit. -- Ist ein Garnisonsartilleriechcf nur ein we¬
nig Weltmann, so kann es ihm nicht fehlen, selbst in seinem hohen
Alter, bei seiner rauhen Außenseite, bei seiner häßlichen, durch Tabak¬
schnupfen ausgedehnten, schmutzigen Nase, -- sich der Gunst des
schönen Geschlechts zu versichern. Von seiner Gefälligkeit hängt es
ab, ob der Namenstag der Frau Generalin und der Geburtstag des
politischen Chefs mit Lustfeuerwerken feierlich begangen werden soll.
Er bewilligt hiezu das Material, die sachkundigen Kanoniere müssen
Raketen schlagen, und der Herr Artilleriecommandant wird zum Spei¬
sen geladen und sitzt dann der gnädigen Frau zur Rechten.

Bei keiner Gelegenheit wird aber die Güte der Garnisonöar-
tilleriechess mehr in Anspruch genommen, als bei Artillerietranspor¬
ten. Bekanntlich unterliegt jede Bagage, jedes ärarische Gut sogar,
der Untersuchung der Gefällbcamten, und nur das einzige Artillerie¬
gut, nämlich Munitions- und Artillcriefuhrwerke sind jeder Untersu¬
chung überhoben. Man kann sich daher vorstellen, wie viele und
welche Sachen bei diesen häufigen Artillerietranöporten hin und her,
ohne Anais zu zahlen, verführt werden. Daß sich diese Herren solche
Gelegenheiten selbst am besten zu Nutze machen, ist gewiß, und ich
kannte Einen, der auf diese Art einen beträchtlichen Handel mit öster¬
reichischen Weinen treiben konnte und sich bei diesem Geschäfte, wel¬
chem derselbe seine Mußestunden widmete, ein bedeutendes Kapitälchen
erwarb.

Nicht nur, daß die schreibkundiger Kanoniere in allen Aemtern,


denen unter Hundert kaum Einer die nöthige Kenntniß besitzt. Wie
viele Offiziere gibt's denn in der österreichischen Artillerie, die bei
der Erzeugung der Gewehre angestellt waren und aus Erfahrung
unterscheiden könnten, ob die Mängel an den Gewehrläufen, z. B.
Schweißnathen, Gruben, Schiefern :c. zufällig, muthwillig, oder durch
den langen Gebrauch herbeigeführt worden sind?

Außer diesem Wirkungskreis, wo die Garnisonsartillericchefs ih¬
ren Gefälligkeitöstnn gegen fremde Branchen bewähren können, gibt
es in ihrem weiten Bereiche tausend und tausend Gelegenheiten, wo
sie durch Zugeständnisse und Bewilligungen höher gestellte Personen
von sich abhängig machen können, und daher bei aller lächerlichen
Individualität, bei Ignoranz, bei moralischen ^ angeln einer still¬
schweigenden Achtung genießen, die keinen anderen Ursprung hat, als
ihre Unentbehrlichkeit. — Ist ein Garnisonsartilleriechcf nur ein we¬
nig Weltmann, so kann es ihm nicht fehlen, selbst in seinem hohen
Alter, bei seiner rauhen Außenseite, bei seiner häßlichen, durch Tabak¬
schnupfen ausgedehnten, schmutzigen Nase, — sich der Gunst des
schönen Geschlechts zu versichern. Von seiner Gefälligkeit hängt es
ab, ob der Namenstag der Frau Generalin und der Geburtstag des
politischen Chefs mit Lustfeuerwerken feierlich begangen werden soll.
Er bewilligt hiezu das Material, die sachkundigen Kanoniere müssen
Raketen schlagen, und der Herr Artilleriecommandant wird zum Spei¬
sen geladen und sitzt dann der gnädigen Frau zur Rechten.

Bei keiner Gelegenheit wird aber die Güte der Garnisonöar-
tilleriechess mehr in Anspruch genommen, als bei Artillerietranspor¬
ten. Bekanntlich unterliegt jede Bagage, jedes ärarische Gut sogar,
der Untersuchung der Gefällbcamten, und nur das einzige Artillerie¬
gut, nämlich Munitions- und Artillcriefuhrwerke sind jeder Untersu¬
chung überhoben. Man kann sich daher vorstellen, wie viele und
welche Sachen bei diesen häufigen Artillerietranöporten hin und her,
ohne Anais zu zahlen, verführt werden. Daß sich diese Herren solche
Gelegenheiten selbst am besten zu Nutze machen, ist gewiß, und ich
kannte Einen, der auf diese Art einen beträchtlichen Handel mit öster¬
reichischen Weinen treiben konnte und sich bei diesem Geschäfte, wel¬
chem derselbe seine Mußestunden widmete, ein bedeutendes Kapitälchen
erwarb.

Nicht nur, daß die schreibkundiger Kanoniere in allen Aemtern,


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[0471] denen unter Hundert kaum Einer die nöthige Kenntniß besitzt. Wie viele Offiziere gibt's denn in der österreichischen Artillerie, die bei der Erzeugung der Gewehre angestellt waren und aus Erfahrung unterscheiden könnten, ob die Mängel an den Gewehrläufen, z. B. Schweißnathen, Gruben, Schiefern :c. zufällig, muthwillig, oder durch den langen Gebrauch herbeigeführt worden sind? Außer diesem Wirkungskreis, wo die Garnisonsartillericchefs ih¬ ren Gefälligkeitöstnn gegen fremde Branchen bewähren können, gibt es in ihrem weiten Bereiche tausend und tausend Gelegenheiten, wo sie durch Zugeständnisse und Bewilligungen höher gestellte Personen von sich abhängig machen können, und daher bei aller lächerlichen Individualität, bei Ignoranz, bei moralischen ^ angeln einer still¬ schweigenden Achtung genießen, die keinen anderen Ursprung hat, als ihre Unentbehrlichkeit. — Ist ein Garnisonsartilleriechcf nur ein we¬ nig Weltmann, so kann es ihm nicht fehlen, selbst in seinem hohen Alter, bei seiner rauhen Außenseite, bei seiner häßlichen, durch Tabak¬ schnupfen ausgedehnten, schmutzigen Nase, — sich der Gunst des schönen Geschlechts zu versichern. Von seiner Gefälligkeit hängt es ab, ob der Namenstag der Frau Generalin und der Geburtstag des politischen Chefs mit Lustfeuerwerken feierlich begangen werden soll. Er bewilligt hiezu das Material, die sachkundigen Kanoniere müssen Raketen schlagen, und der Herr Artilleriecommandant wird zum Spei¬ sen geladen und sitzt dann der gnädigen Frau zur Rechten. Bei keiner Gelegenheit wird aber die Güte der Garnisonöar- tilleriechess mehr in Anspruch genommen, als bei Artillerietranspor¬ ten. Bekanntlich unterliegt jede Bagage, jedes ärarische Gut sogar, der Untersuchung der Gefällbcamten, und nur das einzige Artillerie¬ gut, nämlich Munitions- und Artillcriefuhrwerke sind jeder Untersu¬ chung überhoben. Man kann sich daher vorstellen, wie viele und welche Sachen bei diesen häufigen Artillerietranöporten hin und her, ohne Anais zu zahlen, verführt werden. Daß sich diese Herren solche Gelegenheiten selbst am besten zu Nutze machen, ist gewiß, und ich kannte Einen, der auf diese Art einen beträchtlichen Handel mit öster¬ reichischen Weinen treiben konnte und sich bei diesem Geschäfte, wel¬ chem derselbe seine Mußestunden widmete, ein bedeutendes Kapitälchen erwarb. Nicht nur, daß die schreibkundiger Kanoniere in allen Aemtern,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/471>, abgerufen am 22.12.2024.