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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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So kam es, daß der Bauer in den Fabrikorten wahrend dieses
goldenen Zeitalters der Baumwollenweberei bald kein zufriedenes und
thätiges Gesinde erhalten, daß er es überhaupt nur aus der Ferne
beziehen konnte. So kam es ferner, daß der anarchische Erwerbs¬
zweig sich mit verwilderten Gesindel überfüllte, welches selbst beim
Eintritte des silbernen Zeitalters nicht auf eine" Sparpfennig für das
drohende eiserne bedacht war, denn die von der Regierung zahlreich
concessionirten Wirthshäuser forderten allzulockend ihre Eristenz vor¬
nehmlich von den zusammengedrängten Tausenden von Webern.

DaS eiserne Zeitalter der etwa zehn Jahre lang vorzugsweise
blühenden Baumwollenweberei ist längst erschienen. Längst schon
haben die gesunkenen Conjuncturcn für die am Eulengebirge verfer¬
tigten Waaren Tausende jener Ueberläufer überflüssig gemacht, bei
denen von einem näheren Eindringen in die Zugehörigkeiten des Hand¬
werks nie die Rede sein konnte. Längst schon waren die Fabrikan¬
ten in ihrer Willkür über die Arbeitslöhne die Sultane der nach
Arbeit seufzenden, nun übermäßig fleißigen Weber geworden, und
diese durch die Aenderung der Verhältnisse und den Hunger ihre Leib¬
eigenen. Immer wieder auf bessere Zeiten hoffend, verschmähten es
wohl die Meisten, zu der früheren, härteren, aber auch sichereren Be¬
schäftigung zurückzukehren; die Fabrikherren aber verschmähten, im
Bewußtsein ihrer Macht, einen geringeren Gewinn, und die größere
Wohlfeilheit der Waare zu größerem Absätze derselben wurde durch
immer härtere Lohnbedrückung erzielt. Ob dabei ein Mensch, der
täglich vierzehn bis achtzehn Stunden arbeitet, sich noch an Kartof¬
feln sättigen und mit einem Kattunlumpen bedecken könne, war ihnen
höchst gleichgiltig; denn sie achteten die Weber nur ihren Webma¬
schinen gleich, was diese in Bezug auf die Arbeit freilich auch mei-
stentheils nur waren. Sie wünschten die vielen Tausende, welche sie
herbeigerufen, allerdings zu beschäftigen, aber nicht aus Humanität,
denn diese hat bei einem echten Kaufmanne keine Stimme und wird
als Sentimentalität in'S Reich des Absurden verwiesen. Daß ehren¬
volle Ausnahmen stattfanden und gegen diese Anklage geschützt sind,
versteht sich von selbst. Das Lied, welches nach den Excessen der
Weber erschien, bezeichnet z. B. Herrn Wagenknecht als einen Fabrik¬
herrn, dem ein Vivat! gebracht wurde.

Der geschicktere Weber, der sein Handwerk gründlich erlernte,


So kam es, daß der Bauer in den Fabrikorten wahrend dieses
goldenen Zeitalters der Baumwollenweberei bald kein zufriedenes und
thätiges Gesinde erhalten, daß er es überhaupt nur aus der Ferne
beziehen konnte. So kam es ferner, daß der anarchische Erwerbs¬
zweig sich mit verwilderten Gesindel überfüllte, welches selbst beim
Eintritte des silbernen Zeitalters nicht auf eine» Sparpfennig für das
drohende eiserne bedacht war, denn die von der Regierung zahlreich
concessionirten Wirthshäuser forderten allzulockend ihre Eristenz vor¬
nehmlich von den zusammengedrängten Tausenden von Webern.

DaS eiserne Zeitalter der etwa zehn Jahre lang vorzugsweise
blühenden Baumwollenweberei ist längst erschienen. Längst schon
haben die gesunkenen Conjuncturcn für die am Eulengebirge verfer¬
tigten Waaren Tausende jener Ueberläufer überflüssig gemacht, bei
denen von einem näheren Eindringen in die Zugehörigkeiten des Hand¬
werks nie die Rede sein konnte. Längst schon waren die Fabrikan¬
ten in ihrer Willkür über die Arbeitslöhne die Sultane der nach
Arbeit seufzenden, nun übermäßig fleißigen Weber geworden, und
diese durch die Aenderung der Verhältnisse und den Hunger ihre Leib¬
eigenen. Immer wieder auf bessere Zeiten hoffend, verschmähten es
wohl die Meisten, zu der früheren, härteren, aber auch sichereren Be¬
schäftigung zurückzukehren; die Fabrikherren aber verschmähten, im
Bewußtsein ihrer Macht, einen geringeren Gewinn, und die größere
Wohlfeilheit der Waare zu größerem Absätze derselben wurde durch
immer härtere Lohnbedrückung erzielt. Ob dabei ein Mensch, der
täglich vierzehn bis achtzehn Stunden arbeitet, sich noch an Kartof¬
feln sättigen und mit einem Kattunlumpen bedecken könne, war ihnen
höchst gleichgiltig; denn sie achteten die Weber nur ihren Webma¬
schinen gleich, was diese in Bezug auf die Arbeit freilich auch mei-
stentheils nur waren. Sie wünschten die vielen Tausende, welche sie
herbeigerufen, allerdings zu beschäftigen, aber nicht aus Humanität,
denn diese hat bei einem echten Kaufmanne keine Stimme und wird
als Sentimentalität in'S Reich des Absurden verwiesen. Daß ehren¬
volle Ausnahmen stattfanden und gegen diese Anklage geschützt sind,
versteht sich von selbst. Das Lied, welches nach den Excessen der
Weber erschien, bezeichnet z. B. Herrn Wagenknecht als einen Fabrik¬
herrn, dem ein Vivat! gebracht wurde.

Der geschicktere Weber, der sein Handwerk gründlich erlernte,


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[0458] So kam es, daß der Bauer in den Fabrikorten wahrend dieses goldenen Zeitalters der Baumwollenweberei bald kein zufriedenes und thätiges Gesinde erhalten, daß er es überhaupt nur aus der Ferne beziehen konnte. So kam es ferner, daß der anarchische Erwerbs¬ zweig sich mit verwilderten Gesindel überfüllte, welches selbst beim Eintritte des silbernen Zeitalters nicht auf eine» Sparpfennig für das drohende eiserne bedacht war, denn die von der Regierung zahlreich concessionirten Wirthshäuser forderten allzulockend ihre Eristenz vor¬ nehmlich von den zusammengedrängten Tausenden von Webern. DaS eiserne Zeitalter der etwa zehn Jahre lang vorzugsweise blühenden Baumwollenweberei ist längst erschienen. Längst schon haben die gesunkenen Conjuncturcn für die am Eulengebirge verfer¬ tigten Waaren Tausende jener Ueberläufer überflüssig gemacht, bei denen von einem näheren Eindringen in die Zugehörigkeiten des Hand¬ werks nie die Rede sein konnte. Längst schon waren die Fabrikan¬ ten in ihrer Willkür über die Arbeitslöhne die Sultane der nach Arbeit seufzenden, nun übermäßig fleißigen Weber geworden, und diese durch die Aenderung der Verhältnisse und den Hunger ihre Leib¬ eigenen. Immer wieder auf bessere Zeiten hoffend, verschmähten es wohl die Meisten, zu der früheren, härteren, aber auch sichereren Be¬ schäftigung zurückzukehren; die Fabrikherren aber verschmähten, im Bewußtsein ihrer Macht, einen geringeren Gewinn, und die größere Wohlfeilheit der Waare zu größerem Absätze derselben wurde durch immer härtere Lohnbedrückung erzielt. Ob dabei ein Mensch, der täglich vierzehn bis achtzehn Stunden arbeitet, sich noch an Kartof¬ feln sättigen und mit einem Kattunlumpen bedecken könne, war ihnen höchst gleichgiltig; denn sie achteten die Weber nur ihren Webma¬ schinen gleich, was diese in Bezug auf die Arbeit freilich auch mei- stentheils nur waren. Sie wünschten die vielen Tausende, welche sie herbeigerufen, allerdings zu beschäftigen, aber nicht aus Humanität, denn diese hat bei einem echten Kaufmanne keine Stimme und wird als Sentimentalität in'S Reich des Absurden verwiesen. Daß ehren¬ volle Ausnahmen stattfanden und gegen diese Anklage geschützt sind, versteht sich von selbst. Das Lied, welches nach den Excessen der Weber erschien, bezeichnet z. B. Herrn Wagenknecht als einen Fabrik¬ herrn, dem ein Vivat! gebracht wurde. Der geschicktere Weber, der sein Handwerk gründlich erlernte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/458>, abgerufen am 23.12.2024.