Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Billaud. Ha Dictator! Du sollst uns nicht ungestraft ver¬ , achten. (ab mit Collot) Barrere. Ein Wort mit Dir, Robespierre! Robespierre. Nun? Barrvre. Man braucht keine Sibylle, keine Zauberschwester zu sein, um den Entscheidungskampf vorauszusehen. Die Kriegser¬ klärung ist erfolgt, die Parteien sondern sich. Ich bin der Deine, Robespierre, wenn -- Robespierre. Verkaufst Du Dich unter Bedingungen? Barre-re. Das könnte ich Dir übel nehmen, Prophet! Doch ich weiß, Stimmungen kommen über den Menschen, er weiß selbst nicht, wie. Wir gähnen, ärgern uns, schlafen, sind Helden, sind feig, leben und sterben, wie es uns die Nerven gebieten. Wir sind alle sehr unzurechnungsfähig. Doch wie Wenige haben das feine Stimm- hämmerchen, den Mißklang herauszuhören aus den empfindlichen Saiten des Organismus? Lieber den Engeln im Himmel schreibt man es zu, als der menschlichen Natur. Meine College" haben Dich geärgert. Du bist verstimmt. Deshalb nehme ich Dir Nichts übel! Doch sei offen! Ohne Proscriptionen geht es nicht ab. Wer steht auf der Liste? Robespierre. Wozu fragst Du? Barre-rc. Du hast den Sieg noch gar nicht so gewiß, daß Du jede Hilfe verschmähen konntest. Du hüllst Dich in Deine Tu¬ gend ein; doch diese Tugend hat weder Hand noch Fuß, weder Wehr noch Waffe, ist nutzlos, wenn es zum Kampfe kommt. Ich biete mich an zum Schildknappen Deiner Tugend. Robespierre. Du verräthst Deine Fahne, Barrere! Dein Gott ist das Laster! Barrere. Laster! Laster!--Ihr seid alle rechte Katechismus- Menschen, macht Euch Begriffe, sortirt sie hübsch und bietet sie dann feil! Alle Menschen laufen bei Euch herum, entweder als Schafe oder als Böcke, als Heilige oder als Sünder! Wenn Gott im Him¬ mel nach diesem dürren Schematismus die Menschen eintrüge in sein großes Contobuch, so wäre er der armseligste, ungeschickteste Ncchnen- meister von der ganzen Welt! Da thäte er besser, er striche die Rechnungen durch und seine Lumpenwelt dazu, und schüfe sich eine Billaud. Ha Dictator! Du sollst uns nicht ungestraft ver¬ , achten. (ab mit Collot) Barrere. Ein Wort mit Dir, Robespierre! Robespierre. Nun? Barrvre. Man braucht keine Sibylle, keine Zauberschwester zu sein, um den Entscheidungskampf vorauszusehen. Die Kriegser¬ klärung ist erfolgt, die Parteien sondern sich. Ich bin der Deine, Robespierre, wenn — Robespierre. Verkaufst Du Dich unter Bedingungen? Barre-re. Das könnte ich Dir übel nehmen, Prophet! Doch ich weiß, Stimmungen kommen über den Menschen, er weiß selbst nicht, wie. Wir gähnen, ärgern uns, schlafen, sind Helden, sind feig, leben und sterben, wie es uns die Nerven gebieten. Wir sind alle sehr unzurechnungsfähig. Doch wie Wenige haben das feine Stimm- hämmerchen, den Mißklang herauszuhören aus den empfindlichen Saiten des Organismus? Lieber den Engeln im Himmel schreibt man es zu, als der menschlichen Natur. Meine College» haben Dich geärgert. Du bist verstimmt. Deshalb nehme ich Dir Nichts übel! Doch sei offen! Ohne Proscriptionen geht es nicht ab. Wer steht auf der Liste? Robespierre. Wozu fragst Du? Barre-rc. Du hast den Sieg noch gar nicht so gewiß, daß Du jede Hilfe verschmähen konntest. Du hüllst Dich in Deine Tu¬ gend ein; doch diese Tugend hat weder Hand noch Fuß, weder Wehr noch Waffe, ist nutzlos, wenn es zum Kampfe kommt. Ich biete mich an zum Schildknappen Deiner Tugend. Robespierre. Du verräthst Deine Fahne, Barrere! Dein Gott ist das Laster! Barrere. Laster! Laster!—Ihr seid alle rechte Katechismus- Menschen, macht Euch Begriffe, sortirt sie hübsch und bietet sie dann feil! Alle Menschen laufen bei Euch herum, entweder als Schafe oder als Böcke, als Heilige oder als Sünder! Wenn Gott im Him¬ mel nach diesem dürren Schematismus die Menschen eintrüge in sein großes Contobuch, so wäre er der armseligste, ungeschickteste Ncchnen- meister von der ganzen Welt! 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Billaud. Ha Dictator! Du sollst uns nicht ungestraft ver¬
,
(ab mit Collot) achten.
Barrere. Ein Wort mit Dir, Robespierre!
Robespierre. Nun?
Barrvre. Man braucht keine Sibylle, keine Zauberschwester
zu sein, um den Entscheidungskampf vorauszusehen. Die Kriegser¬
klärung ist erfolgt, die Parteien sondern sich. Ich bin der Deine,
Robespierre, wenn —
Robespierre. Verkaufst Du Dich unter Bedingungen?
Barre-re. Das könnte ich Dir übel nehmen, Prophet! Doch
ich weiß, Stimmungen kommen über den Menschen, er weiß selbst
nicht, wie. Wir gähnen, ärgern uns, schlafen, sind Helden, sind feig,
leben und sterben, wie es uns die Nerven gebieten. Wir sind alle
sehr unzurechnungsfähig. Doch wie Wenige haben das feine Stimm-
hämmerchen, den Mißklang herauszuhören aus den empfindlichen
Saiten des Organismus? Lieber den Engeln im Himmel schreibt
man es zu, als der menschlichen Natur. Meine College» haben Dich
geärgert. Du bist verstimmt. Deshalb nehme ich Dir Nichts übel!
Doch sei offen! Ohne Proscriptionen geht es nicht ab. Wer steht
auf der Liste?
Robespierre. Wozu fragst Du?
Barre-rc. Du hast den Sieg noch gar nicht so gewiß, daß
Du jede Hilfe verschmähen konntest. Du hüllst Dich in Deine Tu¬
gend ein; doch diese Tugend hat weder Hand noch Fuß, weder
Wehr noch Waffe, ist nutzlos, wenn es zum Kampfe kommt. Ich
biete mich an zum Schildknappen Deiner Tugend.
Robespierre. Du verräthst Deine Fahne, Barrere! Dein
Gott ist das Laster!
Barrere. Laster! Laster!—Ihr seid alle rechte Katechismus-
Menschen, macht Euch Begriffe, sortirt sie hübsch und bietet sie dann
feil! Alle Menschen laufen bei Euch herum, entweder als Schafe
oder als Böcke, als Heilige oder als Sünder! Wenn Gott im Him¬
mel nach diesem dürren Schematismus die Menschen eintrüge in sein
großes Contobuch, so wäre er der armseligste, ungeschickteste Ncchnen-
meister von der ganzen Welt! Da thäte er besser, er striche die
Rechnungen durch und seine Lumpenwelt dazu, und schüfe sich eine
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