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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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mischen Säcularfestes durch den einmuthigcn Beschluß zur Aufhebung
des Duells feiern. Wenn es nur nicht geht, wie an einer andern
Universttat, wo die Häupter eines Antiduellvereins im Streit für die
Nothwendigkeit der Duellaufhebung -- sich duellirten. Daß die Pro¬
fessoren von Königsberg in violetten, blauen, grauen und schwarzen
Lutherröcken erscheinen werden, wissen Sie; nun wollen auch alle
andern Festtheilnehmer in kurzen deutschen Röcken (analog dem
militärischen Waffenrock), das Albertuskreuz an der Brust, erscheinen.
Eine Beschreibung der Feierlichkeiten erwartet man vom Oberlehrer
Witt. Indeß haben sich bis jetzt zwei Drittel weniger Theilnehmer
gemeldet, als vor hundert Jahren, Einige wollen dies dem Schrecken
zuschreiben, den die Wahl einiger bekannten Liberalen in das Fest-
comit"- hervorrief. -- Kant's Haus, sagt man, will der Staat
ankaufen und so herstellen, wie es bei des Philosophen Lebzeiten
war. Kant's Gärtchen ist jetzt eine Badeanstalt, und in seinem Hause
wohnt ein Zahnarzt, der den Leuten Weisheitszähne ausreißr. --
Schön's Standbild findet immer noch Schwierigkeiten. -- Die Über¬
schwemmungen der Weichsel, Nogat und Pregel haben unsägliches
Elend gebracht. Die Heuernte ist verloren, Saaten und Kattoffeln
verfault, die Wiesen sind Moräste geworden, unter den Heerden wü¬
thet der Milzbrand. Das Oberpräsidium hat daher den König um
Aussetzung des Septembcrmanövers bei Heilsberg gebeten, um die
noch mögliche Ernte zu schonen, die sich jedenfalls in den October hinein¬
ziehen wird.-- Der ganze Mettabruch ist durch den Austritt des Bohr und
Narew eine ungeheuere Wasserfläche, von der das Heu die Weichsel hinab¬
schwimmt. -- Große tlulturanlagen sind im Königsberger Regierungs¬
bezirk beschlossen. Viele hessische Bauern werden, unter den gün¬
stigsten Bedingungen, im nächsten Frühjahr hierher übersiedeln; beson¬
ders wünschenswerth ist dies für Masuren, den romantischsten Theil
von Ostpreußen, der, trotz seiner steinigen Berge, viel fruchtbares Land
enthält -- Erfreulich ist das Gedeihen der ostpreußischen Vereine
zur Verhütung von Verbrechen durch Versorgung und Erzie¬
hung entlassener Sträflinge. Der seit sechs Jahren bestehende Jn-
sterburger Verein zählt über fünfhundert Mitglieder von allen
Ständen. Außer den regelmäßigen Beiträgen fließen ihm viele Ge¬
schenke zu, Pfandungsgelder, außerordentliche Sammlungen; auch ein
Legat erhielt er schon. Anfangs herrschte eine Scheu, Pfleglinge die¬
ses Vereins in Dienst zu nehmen; jetzt ist große Nachfrage nach ih¬
nen. Solche Vereine sind auch im Goldaper, Angersburger
und Lyker Kreise. -- Volkert, früher Redacteur des Danziger
"Dampfboots", improvisier nicht ohne Glück in Königsberg. -- In
der Marien bürg wird, zum Empfang des Königs, viel gebaut und
gebessert. Auch das alte Schloß zu Heilsberg, eine der größten


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mischen Säcularfestes durch den einmuthigcn Beschluß zur Aufhebung
des Duells feiern. Wenn es nur nicht geht, wie an einer andern
Universttat, wo die Häupter eines Antiduellvereins im Streit für die
Nothwendigkeit der Duellaufhebung — sich duellirten. Daß die Pro¬
fessoren von Königsberg in violetten, blauen, grauen und schwarzen
Lutherröcken erscheinen werden, wissen Sie; nun wollen auch alle
andern Festtheilnehmer in kurzen deutschen Röcken (analog dem
militärischen Waffenrock), das Albertuskreuz an der Brust, erscheinen.
Eine Beschreibung der Feierlichkeiten erwartet man vom Oberlehrer
Witt. Indeß haben sich bis jetzt zwei Drittel weniger Theilnehmer
gemeldet, als vor hundert Jahren, Einige wollen dies dem Schrecken
zuschreiben, den die Wahl einiger bekannten Liberalen in das Fest-
comit«- hervorrief. — Kant's Haus, sagt man, will der Staat
ankaufen und so herstellen, wie es bei des Philosophen Lebzeiten
war. Kant's Gärtchen ist jetzt eine Badeanstalt, und in seinem Hause
wohnt ein Zahnarzt, der den Leuten Weisheitszähne ausreißr. —
Schön's Standbild findet immer noch Schwierigkeiten. — Die Über¬
schwemmungen der Weichsel, Nogat und Pregel haben unsägliches
Elend gebracht. Die Heuernte ist verloren, Saaten und Kattoffeln
verfault, die Wiesen sind Moräste geworden, unter den Heerden wü¬
thet der Milzbrand. Das Oberpräsidium hat daher den König um
Aussetzung des Septembcrmanövers bei Heilsberg gebeten, um die
noch mögliche Ernte zu schonen, die sich jedenfalls in den October hinein¬
ziehen wird.— Der ganze Mettabruch ist durch den Austritt des Bohr und
Narew eine ungeheuere Wasserfläche, von der das Heu die Weichsel hinab¬
schwimmt. — Große tlulturanlagen sind im Königsberger Regierungs¬
bezirk beschlossen. Viele hessische Bauern werden, unter den gün¬
stigsten Bedingungen, im nächsten Frühjahr hierher übersiedeln; beson¬
ders wünschenswerth ist dies für Masuren, den romantischsten Theil
von Ostpreußen, der, trotz seiner steinigen Berge, viel fruchtbares Land
enthält — Erfreulich ist das Gedeihen der ostpreußischen Vereine
zur Verhütung von Verbrechen durch Versorgung und Erzie¬
hung entlassener Sträflinge. Der seit sechs Jahren bestehende Jn-
sterburger Verein zählt über fünfhundert Mitglieder von allen
Ständen. Außer den regelmäßigen Beiträgen fließen ihm viele Ge¬
schenke zu, Pfandungsgelder, außerordentliche Sammlungen; auch ein
Legat erhielt er schon. Anfangs herrschte eine Scheu, Pfleglinge die¬
ses Vereins in Dienst zu nehmen; jetzt ist große Nachfrage nach ih¬
nen. Solche Vereine sind auch im Goldaper, Angersburger
und Lyker Kreise. — Volkert, früher Redacteur des Danziger
„Dampfboots", improvisier nicht ohne Glück in Königsberg. — In
der Marien bürg wird, zum Empfang des Königs, viel gebaut und
gebessert. Auch das alte Schloß zu Heilsberg, eine der größten


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[0435] mischen Säcularfestes durch den einmuthigcn Beschluß zur Aufhebung des Duells feiern. Wenn es nur nicht geht, wie an einer andern Universttat, wo die Häupter eines Antiduellvereins im Streit für die Nothwendigkeit der Duellaufhebung — sich duellirten. Daß die Pro¬ fessoren von Königsberg in violetten, blauen, grauen und schwarzen Lutherröcken erscheinen werden, wissen Sie; nun wollen auch alle andern Festtheilnehmer in kurzen deutschen Röcken (analog dem militärischen Waffenrock), das Albertuskreuz an der Brust, erscheinen. Eine Beschreibung der Feierlichkeiten erwartet man vom Oberlehrer Witt. Indeß haben sich bis jetzt zwei Drittel weniger Theilnehmer gemeldet, als vor hundert Jahren, Einige wollen dies dem Schrecken zuschreiben, den die Wahl einiger bekannten Liberalen in das Fest- comit«- hervorrief. — Kant's Haus, sagt man, will der Staat ankaufen und so herstellen, wie es bei des Philosophen Lebzeiten war. Kant's Gärtchen ist jetzt eine Badeanstalt, und in seinem Hause wohnt ein Zahnarzt, der den Leuten Weisheitszähne ausreißr. — Schön's Standbild findet immer noch Schwierigkeiten. — Die Über¬ schwemmungen der Weichsel, Nogat und Pregel haben unsägliches Elend gebracht. Die Heuernte ist verloren, Saaten und Kattoffeln verfault, die Wiesen sind Moräste geworden, unter den Heerden wü¬ thet der Milzbrand. Das Oberpräsidium hat daher den König um Aussetzung des Septembcrmanövers bei Heilsberg gebeten, um die noch mögliche Ernte zu schonen, die sich jedenfalls in den October hinein¬ ziehen wird.— Der ganze Mettabruch ist durch den Austritt des Bohr und Narew eine ungeheuere Wasserfläche, von der das Heu die Weichsel hinab¬ schwimmt. — Große tlulturanlagen sind im Königsberger Regierungs¬ bezirk beschlossen. Viele hessische Bauern werden, unter den gün¬ stigsten Bedingungen, im nächsten Frühjahr hierher übersiedeln; beson¬ ders wünschenswerth ist dies für Masuren, den romantischsten Theil von Ostpreußen, der, trotz seiner steinigen Berge, viel fruchtbares Land enthält — Erfreulich ist das Gedeihen der ostpreußischen Vereine zur Verhütung von Verbrechen durch Versorgung und Erzie¬ hung entlassener Sträflinge. Der seit sechs Jahren bestehende Jn- sterburger Verein zählt über fünfhundert Mitglieder von allen Ständen. Außer den regelmäßigen Beiträgen fließen ihm viele Ge¬ schenke zu, Pfandungsgelder, außerordentliche Sammlungen; auch ein Legat erhielt er schon. Anfangs herrschte eine Scheu, Pfleglinge die¬ ses Vereins in Dienst zu nehmen; jetzt ist große Nachfrage nach ih¬ nen. Solche Vereine sind auch im Goldaper, Angersburger und Lyker Kreise. — Volkert, früher Redacteur des Danziger „Dampfboots", improvisier nicht ohne Glück in Königsberg. — In der Marien bürg wird, zum Empfang des Königs, viel gebaut und gebessert. Auch das alte Schloß zu Heilsberg, eine der größten 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/435>, abgerufen am 23.07.2024.