Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Es hat bereits Jemand in diesen Blättern die Aufgabe gelöst,
den Zusammenhang der projectirten Verbindung der Großfürstin Olga
mit dem Erzherzog Stephan und der Reise des Kaisers nach London
so wie die gewünschte Vereinigung der Donauländer zu einem Kö¬
nigreich unter einem befreundeten Prinzen aufzudecken; die Vorfälle
in Böhmen, Schlesien und Italien reihen sich indeß diesen Intriguen
organisch an und bezweckten nämlich, die deutschen Regierungen ein¬
zuschüchtern und namentlich Oesterreich, welches sich den treulosen,
aber lockenden Anerbietungen Rußlands gegenüber kalt benommen hatte,
mit Besorgnissen im eigenen Lande zu erfüllen. Seiner Zeit ging die
Nachricht durch alle politischen Zeitungen, daß die Insurgenten der
Romagna mit russischem Gelde ihre Bedürfnisse bezahlten, und die
jüngsten Nachforschungen in Böhmen und Schlesien haben auf die¬
selbe Quelle geführt. ^ ^,
were

Bevor wir indeß eine so sch Anklage gegen die slavische Pro¬
paganda erheben, wollen wir vorerst die vollen Resultate der eingelei¬
teten Untersuchung abwarten, wozu auch der bekannte Polizeirath
Duncker aus Berlin sich über Schlesien nach Böhmen begeben hat.
Es erinnert unwillkürlich an Katakazi in Athen, wenn wir erfahren,
der erwähnte Beamte habe in demselben Moment von Sr. Majestät
dem Kaiser aller Reußen einen kostbaren Brillantring erhalten, dessen
Feuer ihn hoffentlich nicht dergestalt blenden wird, um nicht die rus¬
sischen Finger zu sehen, die an den Schnüren des Vorhangs zerren,
hinter dem so eben ein Trauerspiel des Proletariats in die Scene
Das Gubernium zu Brünn hat gleichfalls Berichte einge¬
sandt, die von einer ungewöhnlichen Aufregung unter der dortigen
Arbeiterbevölkerung, namentlich in Iglau, sprechen, was die Folge
hatte, daß die niederösterreichische Landesregierung den Auftrag erhielt,
im Wege des Kreisamtes die Stimmung der Arbeiterklasse in Wien
zu erforschen, die indeß gar nichts Beunruhigendes hat.

Es erhält sich fortwährend das Gerücht, der Bürgermeister Ezapka
solle als Hofrath und Polizeichef an die Stelle des Hofraths Muth
nach Prag kommen, doch scheint dies nicht sehr wahrscheinlich; indeß
man glaubt einmal, was man wünscht. Bürgermeister Ezapka scheint
mit allen Klassen brechen zu wollen, denn auch die Künstler hat er
durch die Uebertragung. des auf der Freiung zu errichtenden Brunnens
mit tausend Dukaten Reugeld und 22,000 Fi. C.-M. ausbedunge¬
nen Honorar, an den Münchner Schwanthaler empfindlich beleidigt.
Als in der "Europa" von Lewald eine beißende Kritik dieses, glimpf¬
lich gesprochen, unklugen Schrittes, mitgetheilt ward, suchte er den
Verfasser durch Geldverfprechungen im Spionirwege zu entdecken und
als gleichzeitig die Kölnische Zeitung und die Frankfurter Oberpost-
amts-Zeitung, welche beide Journale hier öffentlich aufliegen, scharfe
Artikel über seine Amtsführung brachten und sein Begehren bei der


Gr-nzboteil ISii. II. 54

Es hat bereits Jemand in diesen Blättern die Aufgabe gelöst,
den Zusammenhang der projectirten Verbindung der Großfürstin Olga
mit dem Erzherzog Stephan und der Reise des Kaisers nach London
so wie die gewünschte Vereinigung der Donauländer zu einem Kö¬
nigreich unter einem befreundeten Prinzen aufzudecken; die Vorfälle
in Böhmen, Schlesien und Italien reihen sich indeß diesen Intriguen
organisch an und bezweckten nämlich, die deutschen Regierungen ein¬
zuschüchtern und namentlich Oesterreich, welches sich den treulosen,
aber lockenden Anerbietungen Rußlands gegenüber kalt benommen hatte,
mit Besorgnissen im eigenen Lande zu erfüllen. Seiner Zeit ging die
Nachricht durch alle politischen Zeitungen, daß die Insurgenten der
Romagna mit russischem Gelde ihre Bedürfnisse bezahlten, und die
jüngsten Nachforschungen in Böhmen und Schlesien haben auf die¬
selbe Quelle geführt. ^ ^,
were

Bevor wir indeß eine so sch Anklage gegen die slavische Pro¬
paganda erheben, wollen wir vorerst die vollen Resultate der eingelei¬
teten Untersuchung abwarten, wozu auch der bekannte Polizeirath
Duncker aus Berlin sich über Schlesien nach Böhmen begeben hat.
Es erinnert unwillkürlich an Katakazi in Athen, wenn wir erfahren,
der erwähnte Beamte habe in demselben Moment von Sr. Majestät
dem Kaiser aller Reußen einen kostbaren Brillantring erhalten, dessen
Feuer ihn hoffentlich nicht dergestalt blenden wird, um nicht die rus¬
sischen Finger zu sehen, die an den Schnüren des Vorhangs zerren,
hinter dem so eben ein Trauerspiel des Proletariats in die Scene
Das Gubernium zu Brünn hat gleichfalls Berichte einge¬
sandt, die von einer ungewöhnlichen Aufregung unter der dortigen
Arbeiterbevölkerung, namentlich in Iglau, sprechen, was die Folge
hatte, daß die niederösterreichische Landesregierung den Auftrag erhielt,
im Wege des Kreisamtes die Stimmung der Arbeiterklasse in Wien
zu erforschen, die indeß gar nichts Beunruhigendes hat.

Es erhält sich fortwährend das Gerücht, der Bürgermeister Ezapka
solle als Hofrath und Polizeichef an die Stelle des Hofraths Muth
nach Prag kommen, doch scheint dies nicht sehr wahrscheinlich; indeß
man glaubt einmal, was man wünscht. Bürgermeister Ezapka scheint
mit allen Klassen brechen zu wollen, denn auch die Künstler hat er
durch die Uebertragung. des auf der Freiung zu errichtenden Brunnens
mit tausend Dukaten Reugeld und 22,000 Fi. C.-M. ausbedunge¬
nen Honorar, an den Münchner Schwanthaler empfindlich beleidigt.
Als in der „Europa" von Lewald eine beißende Kritik dieses, glimpf¬
lich gesprochen, unklugen Schrittes, mitgetheilt ward, suchte er den
Verfasser durch Geldverfprechungen im Spionirwege zu entdecken und
als gleichzeitig die Kölnische Zeitung und die Frankfurter Oberpost-
amts-Zeitung, welche beide Journale hier öffentlich aufliegen, scharfe
Artikel über seine Amtsführung brachten und sein Begehren bei der


Gr-nzboteil ISii. II. 54
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180992"/>
            <p xml:id="ID_1039"> Es hat bereits Jemand in diesen Blättern die Aufgabe gelöst,<lb/>
den Zusammenhang der projectirten Verbindung der Großfürstin Olga<lb/>
mit dem Erzherzog Stephan und der Reise des Kaisers nach London<lb/>
so wie die gewünschte Vereinigung der Donauländer zu einem Kö¬<lb/>
nigreich unter einem befreundeten Prinzen aufzudecken; die Vorfälle<lb/>
in Böhmen, Schlesien und Italien reihen sich indeß diesen Intriguen<lb/>
organisch an und bezweckten nämlich, die deutschen Regierungen ein¬<lb/>
zuschüchtern und namentlich Oesterreich, welches sich den treulosen,<lb/>
aber lockenden Anerbietungen Rußlands gegenüber kalt benommen hatte,<lb/>
mit Besorgnissen im eigenen Lande zu erfüllen. Seiner Zeit ging die<lb/>
Nachricht durch alle politischen Zeitungen, daß die Insurgenten der<lb/>
Romagna mit russischem Gelde ihre Bedürfnisse bezahlten, und die<lb/>
jüngsten Nachforschungen in Böhmen und Schlesien haben auf die¬<lb/>
selbe Quelle geführt. ^ ^,<lb/>
were</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1040"> Bevor wir indeß eine so sch Anklage gegen die slavische Pro¬<lb/>
paganda erheben, wollen wir vorerst die vollen Resultate der eingelei¬<lb/>
teten Untersuchung abwarten, wozu auch der bekannte Polizeirath<lb/>
Duncker aus Berlin sich über Schlesien nach Böhmen begeben hat.<lb/>
Es erinnert unwillkürlich an Katakazi in Athen, wenn wir erfahren,<lb/>
der erwähnte Beamte habe in demselben Moment von Sr. Majestät<lb/>
dem Kaiser aller Reußen einen kostbaren Brillantring erhalten, dessen<lb/>
Feuer ihn hoffentlich nicht dergestalt blenden wird, um nicht die rus¬<lb/>
sischen Finger zu sehen, die an den Schnüren des Vorhangs zerren,<lb/>
hinter dem so eben ein Trauerspiel des Proletariats in die Scene<lb/>
Das Gubernium zu Brünn hat gleichfalls Berichte einge¬<lb/>
sandt, die von einer ungewöhnlichen Aufregung unter der dortigen<lb/>
Arbeiterbevölkerung, namentlich in Iglau, sprechen, was die Folge<lb/>
hatte, daß die niederösterreichische Landesregierung den Auftrag erhielt,<lb/>
im Wege des Kreisamtes die Stimmung der Arbeiterklasse in Wien<lb/>
zu erforschen, die indeß gar nichts Beunruhigendes hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1041" next="#ID_1042"> Es erhält sich fortwährend das Gerücht, der Bürgermeister Ezapka<lb/>
solle als Hofrath und Polizeichef an die Stelle des Hofraths Muth<lb/>
nach Prag kommen, doch scheint dies nicht sehr wahrscheinlich; indeß<lb/>
man glaubt einmal, was man wünscht. Bürgermeister Ezapka scheint<lb/>
mit allen Klassen brechen zu wollen, denn auch die Künstler hat er<lb/>
durch die Uebertragung. des auf der Freiung zu errichtenden Brunnens<lb/>
mit tausend Dukaten Reugeld und 22,000 Fi. C.-M. ausbedunge¬<lb/>
nen Honorar, an den Münchner Schwanthaler empfindlich beleidigt.<lb/>
Als in der &#x201E;Europa" von Lewald eine beißende Kritik dieses, glimpf¬<lb/>
lich gesprochen, unklugen Schrittes, mitgetheilt ward, suchte er den<lb/>
Verfasser durch Geldverfprechungen im Spionirwege zu entdecken und<lb/>
als gleichzeitig die Kölnische Zeitung und die Frankfurter Oberpost-<lb/>
amts-Zeitung, welche beide Journale hier öffentlich aufliegen, scharfe<lb/>
Artikel über seine Amtsführung brachten und sein Begehren bei der</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Gr-nzboteil ISii. II. 54</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0433] Es hat bereits Jemand in diesen Blättern die Aufgabe gelöst, den Zusammenhang der projectirten Verbindung der Großfürstin Olga mit dem Erzherzog Stephan und der Reise des Kaisers nach London so wie die gewünschte Vereinigung der Donauländer zu einem Kö¬ nigreich unter einem befreundeten Prinzen aufzudecken; die Vorfälle in Böhmen, Schlesien und Italien reihen sich indeß diesen Intriguen organisch an und bezweckten nämlich, die deutschen Regierungen ein¬ zuschüchtern und namentlich Oesterreich, welches sich den treulosen, aber lockenden Anerbietungen Rußlands gegenüber kalt benommen hatte, mit Besorgnissen im eigenen Lande zu erfüllen. Seiner Zeit ging die Nachricht durch alle politischen Zeitungen, daß die Insurgenten der Romagna mit russischem Gelde ihre Bedürfnisse bezahlten, und die jüngsten Nachforschungen in Böhmen und Schlesien haben auf die¬ selbe Quelle geführt. ^ ^, were Bevor wir indeß eine so sch Anklage gegen die slavische Pro¬ paganda erheben, wollen wir vorerst die vollen Resultate der eingelei¬ teten Untersuchung abwarten, wozu auch der bekannte Polizeirath Duncker aus Berlin sich über Schlesien nach Böhmen begeben hat. Es erinnert unwillkürlich an Katakazi in Athen, wenn wir erfahren, der erwähnte Beamte habe in demselben Moment von Sr. Majestät dem Kaiser aller Reußen einen kostbaren Brillantring erhalten, dessen Feuer ihn hoffentlich nicht dergestalt blenden wird, um nicht die rus¬ sischen Finger zu sehen, die an den Schnüren des Vorhangs zerren, hinter dem so eben ein Trauerspiel des Proletariats in die Scene Das Gubernium zu Brünn hat gleichfalls Berichte einge¬ sandt, die von einer ungewöhnlichen Aufregung unter der dortigen Arbeiterbevölkerung, namentlich in Iglau, sprechen, was die Folge hatte, daß die niederösterreichische Landesregierung den Auftrag erhielt, im Wege des Kreisamtes die Stimmung der Arbeiterklasse in Wien zu erforschen, die indeß gar nichts Beunruhigendes hat. Es erhält sich fortwährend das Gerücht, der Bürgermeister Ezapka solle als Hofrath und Polizeichef an die Stelle des Hofraths Muth nach Prag kommen, doch scheint dies nicht sehr wahrscheinlich; indeß man glaubt einmal, was man wünscht. Bürgermeister Ezapka scheint mit allen Klassen brechen zu wollen, denn auch die Künstler hat er durch die Uebertragung. des auf der Freiung zu errichtenden Brunnens mit tausend Dukaten Reugeld und 22,000 Fi. C.-M. ausbedunge¬ nen Honorar, an den Münchner Schwanthaler empfindlich beleidigt. Als in der „Europa" von Lewald eine beißende Kritik dieses, glimpf¬ lich gesprochen, unklugen Schrittes, mitgetheilt ward, suchte er den Verfasser durch Geldverfprechungen im Spionirwege zu entdecken und als gleichzeitig die Kölnische Zeitung und die Frankfurter Oberpost- amts-Zeitung, welche beide Journale hier öffentlich aufliegen, scharfe Artikel über seine Amtsführung brachten und sein Begehren bei der Gr-nzboteil ISii. II. 54

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/433
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/433>, abgerufen am 22.12.2024.