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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Wirkung aber dies auf den Privathaushalt äußert, indem es ent¬
weder Geiz oder Verschwendung erzeugt, ergibt sich, von selbst.

Bei der Lotterieanleihe von I8S9 traten aber diese Rücksichten
in einem besonders verstärkten Maße ein, indem der Plan, von den
gewöhnlichen Grundlagen abweichend und jedenfalls von einem ori¬
ginellen Kopfe zeigend, dem Theilnehmer für den unglücklichsten
Fall die Verdoppelung seiner Einlage -- freilich in sehr verschiedenen
Zeiträumen und mit sehr verschiedenen Wahrscheinlichkeitschancen--zu¬
sichert. Verwaltung und Banquiers konnten durch die gewonnene
Erfahrung, daß eS an Calculationsgeist beim größeren Publicum
mangele, belehrt, einen glänzenden Erfolg dieses Papiers, trotz dessen
niedriger Verzinsung, auf jenen höchst sinnreich ausgedachten Plan
basiren. Und in der That war derselbe im Stande, selbst den ge¬
wiegteren Geldmännern Sand in die Augen zu streuen und den
bewilligten Agio aus dieses im Ganzen auf vier Procent bemessene
Papier bis zur unglaublichen Höhe von fünfzig Procent steigern,
freilich nicht, ohne daß späterhin eine furchtbare Reaction eingetreten
wäre, die den Wohlstand von vielen hundert Familien, welche sich
zum Glücksspiele mit dem Glückspapier verleiten lassen, tief unter¬
grub. Beiläufig gesagt, gehört einer der wenigen wahrhaft genialen
bildenden Künstler Oesterreichs dieser Zahl an.

Genug, man setzte sich auch nach herabgestimmten Ideen immer
über den innern Werth dieses Papiers im Verhältniß zu den Zins¬
tragenden, ja sogar zu der auf ungleich reelleren Grundlagen gestellten
und auf fünf Procent calculirten Lotterieanleihe d. I. 1834 hinaus
und erreichte den Zweck auch so vollkommen, daß dieses Effect sich
heut zu Tage, also in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit nach seiner
Emission beinahe vergriffen findet. Nur freilich hängen an den no¬
mineller Tausenden in den Cassen vieler Hausväter statt der halb¬
jährig einzugehenden Coupons chimärische Hoffnungen, die sich nur
bei höchst Wenigen realistren können, bei der aber bei weitem über¬
wiegenden Anzahl durch Aufhebung von Zins und Zinseszins für
eine lange Reihe von Jahren zugleich mit sehr bedeutenden Capita¬
lien in Rauch aufgehen müssen.

Zu den weiterhin hervorzuhebenden Momenten der finanziellen
Gebahrung unter der vorigen Verwaltung gehört wohl auch die
Contrahirung der Tabakslieferung für den Landesbedarf an diesem


Wirkung aber dies auf den Privathaushalt äußert, indem es ent¬
weder Geiz oder Verschwendung erzeugt, ergibt sich, von selbst.

Bei der Lotterieanleihe von I8S9 traten aber diese Rücksichten
in einem besonders verstärkten Maße ein, indem der Plan, von den
gewöhnlichen Grundlagen abweichend und jedenfalls von einem ori¬
ginellen Kopfe zeigend, dem Theilnehmer für den unglücklichsten
Fall die Verdoppelung seiner Einlage — freilich in sehr verschiedenen
Zeiträumen und mit sehr verschiedenen Wahrscheinlichkeitschancen—zu¬
sichert. Verwaltung und Banquiers konnten durch die gewonnene
Erfahrung, daß eS an Calculationsgeist beim größeren Publicum
mangele, belehrt, einen glänzenden Erfolg dieses Papiers, trotz dessen
niedriger Verzinsung, auf jenen höchst sinnreich ausgedachten Plan
basiren. Und in der That war derselbe im Stande, selbst den ge¬
wiegteren Geldmännern Sand in die Augen zu streuen und den
bewilligten Agio aus dieses im Ganzen auf vier Procent bemessene
Papier bis zur unglaublichen Höhe von fünfzig Procent steigern,
freilich nicht, ohne daß späterhin eine furchtbare Reaction eingetreten
wäre, die den Wohlstand von vielen hundert Familien, welche sich
zum Glücksspiele mit dem Glückspapier verleiten lassen, tief unter¬
grub. Beiläufig gesagt, gehört einer der wenigen wahrhaft genialen
bildenden Künstler Oesterreichs dieser Zahl an.

Genug, man setzte sich auch nach herabgestimmten Ideen immer
über den innern Werth dieses Papiers im Verhältniß zu den Zins¬
tragenden, ja sogar zu der auf ungleich reelleren Grundlagen gestellten
und auf fünf Procent calculirten Lotterieanleihe d. I. 1834 hinaus
und erreichte den Zweck auch so vollkommen, daß dieses Effect sich
heut zu Tage, also in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit nach seiner
Emission beinahe vergriffen findet. Nur freilich hängen an den no¬
mineller Tausenden in den Cassen vieler Hausväter statt der halb¬
jährig einzugehenden Coupons chimärische Hoffnungen, die sich nur
bei höchst Wenigen realistren können, bei der aber bei weitem über¬
wiegenden Anzahl durch Aufhebung von Zins und Zinseszins für
eine lange Reihe von Jahren zugleich mit sehr bedeutenden Capita¬
lien in Rauch aufgehen müssen.

Zu den weiterhin hervorzuhebenden Momenten der finanziellen
Gebahrung unter der vorigen Verwaltung gehört wohl auch die
Contrahirung der Tabakslieferung für den Landesbedarf an diesem


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[0415] Wirkung aber dies auf den Privathaushalt äußert, indem es ent¬ weder Geiz oder Verschwendung erzeugt, ergibt sich, von selbst. Bei der Lotterieanleihe von I8S9 traten aber diese Rücksichten in einem besonders verstärkten Maße ein, indem der Plan, von den gewöhnlichen Grundlagen abweichend und jedenfalls von einem ori¬ ginellen Kopfe zeigend, dem Theilnehmer für den unglücklichsten Fall die Verdoppelung seiner Einlage — freilich in sehr verschiedenen Zeiträumen und mit sehr verschiedenen Wahrscheinlichkeitschancen—zu¬ sichert. Verwaltung und Banquiers konnten durch die gewonnene Erfahrung, daß eS an Calculationsgeist beim größeren Publicum mangele, belehrt, einen glänzenden Erfolg dieses Papiers, trotz dessen niedriger Verzinsung, auf jenen höchst sinnreich ausgedachten Plan basiren. Und in der That war derselbe im Stande, selbst den ge¬ wiegteren Geldmännern Sand in die Augen zu streuen und den bewilligten Agio aus dieses im Ganzen auf vier Procent bemessene Papier bis zur unglaublichen Höhe von fünfzig Procent steigern, freilich nicht, ohne daß späterhin eine furchtbare Reaction eingetreten wäre, die den Wohlstand von vielen hundert Familien, welche sich zum Glücksspiele mit dem Glückspapier verleiten lassen, tief unter¬ grub. Beiläufig gesagt, gehört einer der wenigen wahrhaft genialen bildenden Künstler Oesterreichs dieser Zahl an. Genug, man setzte sich auch nach herabgestimmten Ideen immer über den innern Werth dieses Papiers im Verhältniß zu den Zins¬ tragenden, ja sogar zu der auf ungleich reelleren Grundlagen gestellten und auf fünf Procent calculirten Lotterieanleihe d. I. 1834 hinaus und erreichte den Zweck auch so vollkommen, daß dieses Effect sich heut zu Tage, also in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit nach seiner Emission beinahe vergriffen findet. Nur freilich hängen an den no¬ mineller Tausenden in den Cassen vieler Hausväter statt der halb¬ jährig einzugehenden Coupons chimärische Hoffnungen, die sich nur bei höchst Wenigen realistren können, bei der aber bei weitem über¬ wiegenden Anzahl durch Aufhebung von Zins und Zinseszins für eine lange Reihe von Jahren zugleich mit sehr bedeutenden Capita¬ lien in Rauch aufgehen müssen. Zu den weiterhin hervorzuhebenden Momenten der finanziellen Gebahrung unter der vorigen Verwaltung gehört wohl auch die Contrahirung der Tabakslieferung für den Landesbedarf an diesem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/415>, abgerufen am 23.12.2024.