Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

es ihm möglich, der letztern so außerordentliche Dienste zu leisten, wie
er sowohl direct als indirect thut. Erst nach seinem Ableben wird
man einmal wahrnehmen, wie sehr er genützt und wie viel ihm die
Wissenschaft in Preußen zu verdanken hat.

Was doch aber die Wissenschaft mitunter für seltsame Resultate
liefert! So hat unser liebenswürdiger Physiker, Professor Dove,
durch vielfache Vergleichungen und Berechnungen herausgebracht, daß
in Europa der April und der September die beständigsten Witte-
rungsmonate sind. Wahrend nämlich die Witterung aller übrigen
Monate mehr oder weniger von Einflüssen aus Amerika (im Sommer)
und aus Asien (im Winter) abhängt, heben diese Einflüsse im April
und September sich auf, weshalb wir auch in diesen beiden Mona¬
ten immer auf schönere und wärmere Luft als in den übrigen rech¬
nen können und sie einander bei weitem mehr gleich bleiben.
Wer hätte wohl ohne die Wissenschaft jemals dem April solche treff¬
liche Eigenschaften zugetraut? Dagegen scheint es ausgemacht, daß
der diesjährige Sommer durch die amerikanischen Westwinde ganz
furchtbar verpfuscht worden.

Nicht minder überraschend ist ein anderes Resultat von Beobach¬
tungen, die Herr Professor Adolph Erman angestellt. Dieser hat
nämlich nachgewiesen, daß die Atmosphäre auf dem Meere häufig
von geringerer Feuchtigkeit geschwängert sei, als die auf dem festen
Lande. Mehrfache hygrometrische Beobachtungen, einerseits auf dem
atlantischen Meere und unter den Passatwinden, sowie andererseits in
Genf und Paris, haben dies dargethan.

Die beiden jetzt im Lustgarten aufgestellten, von Rußland ge¬
kommenen Rossebändiger sind bereits ein Gegenstand des Berliner
Witzes geworden, der sich bekanntlich gern an Allem reibt, was ihm
in die Augen fallt. Auf die Frage nämlich, was diese beiden Figu¬
ren vorstellten, ward geantwortet: das Eine sei der gehemmte Fort¬
schritt und das Andere der beförderte Rückschritt. Gewiß wird auch
jede andere deutsche Hauptstadt sich rühmen können, zwei Figuren u
z
Justus. besitzen, in denen diese Symbolik ausgedrückt ist.


III.
Aus B r e s l a u.

Das Leben und die Gelehrsamkeit. -- Herr Heinke als Censor, Polizeipräsi¬
dent und UnwersitätScurator. -- studentische Leiden. -- Die Streichinstru¬
mente und das Obercensurgericht. -- Pelz und Duncker. -- Der Reitjagdverein.

/" Von unserer Universität kann ich Ihnen gerade so viel melden,
(als Sie gehört haben. Es ist Alles in Ordnung: die Professoren
lesen ihre altbackene Weisheit von semmelgelber Heften herunter, und
die Studenten verlaufen sich hie und da in die Auditorien, verschla-


Wrcnzbotc" I8i4. it. 48

es ihm möglich, der letztern so außerordentliche Dienste zu leisten, wie
er sowohl direct als indirect thut. Erst nach seinem Ableben wird
man einmal wahrnehmen, wie sehr er genützt und wie viel ihm die
Wissenschaft in Preußen zu verdanken hat.

Was doch aber die Wissenschaft mitunter für seltsame Resultate
liefert! So hat unser liebenswürdiger Physiker, Professor Dove,
durch vielfache Vergleichungen und Berechnungen herausgebracht, daß
in Europa der April und der September die beständigsten Witte-
rungsmonate sind. Wahrend nämlich die Witterung aller übrigen
Monate mehr oder weniger von Einflüssen aus Amerika (im Sommer)
und aus Asien (im Winter) abhängt, heben diese Einflüsse im April
und September sich auf, weshalb wir auch in diesen beiden Mona¬
ten immer auf schönere und wärmere Luft als in den übrigen rech¬
nen können und sie einander bei weitem mehr gleich bleiben.
Wer hätte wohl ohne die Wissenschaft jemals dem April solche treff¬
liche Eigenschaften zugetraut? Dagegen scheint es ausgemacht, daß
der diesjährige Sommer durch die amerikanischen Westwinde ganz
furchtbar verpfuscht worden.

Nicht minder überraschend ist ein anderes Resultat von Beobach¬
tungen, die Herr Professor Adolph Erman angestellt. Dieser hat
nämlich nachgewiesen, daß die Atmosphäre auf dem Meere häufig
von geringerer Feuchtigkeit geschwängert sei, als die auf dem festen
Lande. Mehrfache hygrometrische Beobachtungen, einerseits auf dem
atlantischen Meere und unter den Passatwinden, sowie andererseits in
Genf und Paris, haben dies dargethan.

Die beiden jetzt im Lustgarten aufgestellten, von Rußland ge¬
kommenen Rossebändiger sind bereits ein Gegenstand des Berliner
Witzes geworden, der sich bekanntlich gern an Allem reibt, was ihm
in die Augen fallt. Auf die Frage nämlich, was diese beiden Figu¬
ren vorstellten, ward geantwortet: das Eine sei der gehemmte Fort¬
schritt und das Andere der beförderte Rückschritt. Gewiß wird auch
jede andere deutsche Hauptstadt sich rühmen können, zwei Figuren u
z
Justus. besitzen, in denen diese Symbolik ausgedrückt ist.


III.
Aus B r e s l a u.

Das Leben und die Gelehrsamkeit. — Herr Heinke als Censor, Polizeipräsi¬
dent und UnwersitätScurator. — studentische Leiden. — Die Streichinstru¬
mente und das Obercensurgericht. — Pelz und Duncker. — Der Reitjagdverein.

/" Von unserer Universität kann ich Ihnen gerade so viel melden,
(als Sie gehört haben. Es ist Alles in Ordnung: die Professoren
lesen ihre altbackene Weisheit von semmelgelber Heften herunter, und
die Studenten verlaufen sich hie und da in die Auditorien, verschla-


Wrcnzbotc» I8i4. it. 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180944"/>
            <p xml:id="ID_930" prev="#ID_929"> es ihm möglich, der letztern so außerordentliche Dienste zu leisten, wie<lb/>
er sowohl direct als indirect thut. Erst nach seinem Ableben wird<lb/>
man einmal wahrnehmen, wie sehr er genützt und wie viel ihm die<lb/>
Wissenschaft in Preußen zu verdanken hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_931"> Was doch aber die Wissenschaft mitunter für seltsame Resultate<lb/>
liefert! So hat unser liebenswürdiger Physiker, Professor Dove,<lb/>
durch vielfache Vergleichungen und Berechnungen herausgebracht, daß<lb/>
in Europa der April und der September die beständigsten Witte-<lb/>
rungsmonate sind. Wahrend nämlich die Witterung aller übrigen<lb/>
Monate mehr oder weniger von Einflüssen aus Amerika (im Sommer)<lb/>
und aus Asien (im Winter) abhängt, heben diese Einflüsse im April<lb/>
und September sich auf, weshalb wir auch in diesen beiden Mona¬<lb/>
ten immer auf schönere und wärmere Luft als in den übrigen rech¬<lb/>
nen können und sie einander bei weitem mehr gleich bleiben.<lb/>
Wer hätte wohl ohne die Wissenschaft jemals dem April solche treff¬<lb/>
liche Eigenschaften zugetraut? Dagegen scheint es ausgemacht, daß<lb/>
der diesjährige Sommer durch die amerikanischen Westwinde ganz<lb/>
furchtbar verpfuscht worden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_932"> Nicht minder überraschend ist ein anderes Resultat von Beobach¬<lb/>
tungen, die Herr Professor Adolph Erman angestellt. Dieser hat<lb/>
nämlich nachgewiesen, daß die Atmosphäre auf dem Meere häufig<lb/>
von geringerer Feuchtigkeit geschwängert sei, als die auf dem festen<lb/>
Lande. Mehrfache hygrometrische Beobachtungen, einerseits auf dem<lb/>
atlantischen Meere und unter den Passatwinden, sowie andererseits in<lb/>
Genf und Paris, haben dies dargethan.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_933"> Die beiden jetzt im Lustgarten aufgestellten, von Rußland ge¬<lb/>
kommenen Rossebändiger sind bereits ein Gegenstand des Berliner<lb/>
Witzes geworden, der sich bekanntlich gern an Allem reibt, was ihm<lb/>
in die Augen fallt. Auf die Frage nämlich, was diese beiden Figu¬<lb/>
ren vorstellten, ward geantwortet: das Eine sei der gehemmte Fort¬<lb/>
schritt und das Andere der beförderte Rückschritt. Gewiß wird auch<lb/>
jede andere deutsche Hauptstadt sich rühmen können, zwei Figuren u<lb/><note type="byline"> z<lb/>
Justus.</note> besitzen, in denen diese Symbolik ausgedrückt ist. </p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> III.<lb/>
Aus B r e s l a u.</head><lb/>
            <note type="argument"> Das Leben und die Gelehrsamkeit. &#x2014; Herr Heinke als Censor, Polizeipräsi¬<lb/>
dent und UnwersitätScurator. &#x2014; studentische Leiden. &#x2014; Die Streichinstru¬<lb/>
mente und das Obercensurgericht. &#x2014; Pelz und Duncker. &#x2014; Der Reitjagdverein.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_934" next="#ID_935"> /" Von unserer Universität kann ich Ihnen gerade so viel melden,<lb/>
(als Sie gehört haben. Es ist Alles in Ordnung: die Professoren<lb/>
lesen ihre altbackene Weisheit von semmelgelber Heften herunter, und<lb/>
die Studenten verlaufen sich hie und da in die Auditorien, verschla-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Wrcnzbotc» I8i4.  it. 48</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] es ihm möglich, der letztern so außerordentliche Dienste zu leisten, wie er sowohl direct als indirect thut. Erst nach seinem Ableben wird man einmal wahrnehmen, wie sehr er genützt und wie viel ihm die Wissenschaft in Preußen zu verdanken hat. Was doch aber die Wissenschaft mitunter für seltsame Resultate liefert! So hat unser liebenswürdiger Physiker, Professor Dove, durch vielfache Vergleichungen und Berechnungen herausgebracht, daß in Europa der April und der September die beständigsten Witte- rungsmonate sind. Wahrend nämlich die Witterung aller übrigen Monate mehr oder weniger von Einflüssen aus Amerika (im Sommer) und aus Asien (im Winter) abhängt, heben diese Einflüsse im April und September sich auf, weshalb wir auch in diesen beiden Mona¬ ten immer auf schönere und wärmere Luft als in den übrigen rech¬ nen können und sie einander bei weitem mehr gleich bleiben. Wer hätte wohl ohne die Wissenschaft jemals dem April solche treff¬ liche Eigenschaften zugetraut? Dagegen scheint es ausgemacht, daß der diesjährige Sommer durch die amerikanischen Westwinde ganz furchtbar verpfuscht worden. Nicht minder überraschend ist ein anderes Resultat von Beobach¬ tungen, die Herr Professor Adolph Erman angestellt. Dieser hat nämlich nachgewiesen, daß die Atmosphäre auf dem Meere häufig von geringerer Feuchtigkeit geschwängert sei, als die auf dem festen Lande. Mehrfache hygrometrische Beobachtungen, einerseits auf dem atlantischen Meere und unter den Passatwinden, sowie andererseits in Genf und Paris, haben dies dargethan. Die beiden jetzt im Lustgarten aufgestellten, von Rußland ge¬ kommenen Rossebändiger sind bereits ein Gegenstand des Berliner Witzes geworden, der sich bekanntlich gern an Allem reibt, was ihm in die Augen fallt. Auf die Frage nämlich, was diese beiden Figu¬ ren vorstellten, ward geantwortet: das Eine sei der gehemmte Fort¬ schritt und das Andere der beförderte Rückschritt. Gewiß wird auch jede andere deutsche Hauptstadt sich rühmen können, zwei Figuren u z Justus. besitzen, in denen diese Symbolik ausgedrückt ist. III. Aus B r e s l a u. Das Leben und die Gelehrsamkeit. — Herr Heinke als Censor, Polizeipräsi¬ dent und UnwersitätScurator. — studentische Leiden. — Die Streichinstru¬ mente und das Obercensurgericht. — Pelz und Duncker. — Der Reitjagdverein. /" Von unserer Universität kann ich Ihnen gerade so viel melden, (als Sie gehört haben. Es ist Alles in Ordnung: die Professoren lesen ihre altbackene Weisheit von semmelgelber Heften herunter, und die Studenten verlaufen sich hie und da in die Auditorien, verschla- Wrcnzbotc» I8i4. it. 48

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/385>, abgerufen am 22.12.2024.