Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieser Tage starb hier der Anwalt unserer Stadt, der Dr. Voll-
mcyer, in Folge eines verschluckten Backhändelknochens! Der
Wiener Witz hat dabei seine ganze Kaustik entfaltet. Die Backhän-
dclzeit scheint überhaupt sich überlebt zu haben; wir ersticken daran.
ndetundw

Wahrend Friedrich Rohmer in Berlin sich befi , ie man
liest, bei der Redaction der Staatszeitung betheiligt werden soll, be¬
findet sich Theodor Rohmer hier. Ob er vielleicht seinem Bruder
Quartier machen will, im Falle die Berliner Unterhandlungen sich
zerschlagen sollten? Der österreichische Beobachter ist keine Staatszeitung.
Devrientunerörtbril¬

Im Theater an der Wien macht Emil h
lante Geschäfte. Er hat mit dem Director Karl einen Vertrag abge¬
schlossen, vermöge dessen er bei jeder neuen Rolle, in der er auftritt,
die ersten zwei Abende die Hälfte, und die darauf folgenden ein Dritt-
theil der Einnahme erhält. Um -in Beispiel anzuführen, erwähne ich
blos, daß das bekannte Stück, der Mulatte, vorige Woche bei den
ersten zwei Vorstellungen jedesmal tausend Gulden C.M. Cassa machte
und Herr Devrient in zwei Abenden den Gehalt eines höhern k. k.
Beamten einstrich. Was ist dagegen die Tantieme eines armen Dich¬
ters! -- Das Burgtheater beginnt am I. August wieder seine Vor¬
stellungen. Es verlautet nicht, daß Herr von Holbern auf seiner Reise
durch Deutschland große Ausbeute gemacht und neue Gestirne entdeckt
habe. Und doch brauchen wir solche, wenn unsere Theaterabende nicht
bedeutend in's Dunkle gerathen sollen. Wünschenswert!) wäre es,
daß einige Talente, die wir in letzterer Zeit hier gastiren sahen, uns
gewonnen würden, namentlich wäre die Erwerbung des Karlsruher
Schauspielers Dessoir ein echter Gewinn. Dieser noch ziemlich junge
Darsteller besitzt eine Romantik des Spiels, wie wir seit Löwe's frü¬
herer Zeit sie nicht gesehen haben. Dieses weiche, volltömge Organ
verhilft dem Jambus wieder zu jener poetischen Harmonie, die er in
neuerer Zeit fast verloren hat. Dabei ist Spiel und Bewegung in¬
nig und graziös gerundet. Ich beobachtete ihn später bei einem Aus¬
flüge nach Pesth mit großer Aufmerksamkeit und begreift nicht, wie
die Direction des Burgtheaters sich dieses Talent entgehen laßt. --
----


Rainer.
III.
Aus Berlin.
I.

Thebens und die Berliner. -- Der Thiergarten "ut die unteren Volksclassen.
-- Nestrou als Agent Schnoferl. -- Die Vossische Zeitung, Rußland
und Rellstab.

Noch immer hallt das Ereigniß vom 26. Juli in allen Gesprä¬
chen wider. Berlin ist wirklich, wie irgendwo bemerkt worden, eine


Dieser Tage starb hier der Anwalt unserer Stadt, der Dr. Voll-
mcyer, in Folge eines verschluckten Backhändelknochens! Der
Wiener Witz hat dabei seine ganze Kaustik entfaltet. Die Backhän-
dclzeit scheint überhaupt sich überlebt zu haben; wir ersticken daran.
ndetundw

Wahrend Friedrich Rohmer in Berlin sich befi , ie man
liest, bei der Redaction der Staatszeitung betheiligt werden soll, be¬
findet sich Theodor Rohmer hier. Ob er vielleicht seinem Bruder
Quartier machen will, im Falle die Berliner Unterhandlungen sich
zerschlagen sollten? Der österreichische Beobachter ist keine Staatszeitung.
Devrientunerörtbril¬

Im Theater an der Wien macht Emil h
lante Geschäfte. Er hat mit dem Director Karl einen Vertrag abge¬
schlossen, vermöge dessen er bei jeder neuen Rolle, in der er auftritt,
die ersten zwei Abende die Hälfte, und die darauf folgenden ein Dritt-
theil der Einnahme erhält. Um -in Beispiel anzuführen, erwähne ich
blos, daß das bekannte Stück, der Mulatte, vorige Woche bei den
ersten zwei Vorstellungen jedesmal tausend Gulden C.M. Cassa machte
und Herr Devrient in zwei Abenden den Gehalt eines höhern k. k.
Beamten einstrich. Was ist dagegen die Tantieme eines armen Dich¬
ters! — Das Burgtheater beginnt am I. August wieder seine Vor¬
stellungen. Es verlautet nicht, daß Herr von Holbern auf seiner Reise
durch Deutschland große Ausbeute gemacht und neue Gestirne entdeckt
habe. Und doch brauchen wir solche, wenn unsere Theaterabende nicht
bedeutend in's Dunkle gerathen sollen. Wünschenswert!) wäre es,
daß einige Talente, die wir in letzterer Zeit hier gastiren sahen, uns
gewonnen würden, namentlich wäre die Erwerbung des Karlsruher
Schauspielers Dessoir ein echter Gewinn. Dieser noch ziemlich junge
Darsteller besitzt eine Romantik des Spiels, wie wir seit Löwe's frü¬
herer Zeit sie nicht gesehen haben. Dieses weiche, volltömge Organ
verhilft dem Jambus wieder zu jener poetischen Harmonie, die er in
neuerer Zeit fast verloren hat. Dabei ist Spiel und Bewegung in¬
nig und graziös gerundet. Ich beobachtete ihn später bei einem Aus¬
flüge nach Pesth mit großer Aufmerksamkeit und begreift nicht, wie
die Direction des Burgtheaters sich dieses Talent entgehen laßt. —
——


Rainer.
III.
Aus Berlin.
I.

Thebens und die Berliner. — Der Thiergarten «ut die unteren Volksclassen.
— Nestrou als Agent Schnoferl. — Die Vossische Zeitung, Rußland
und Rellstab.

Noch immer hallt das Ereigniß vom 26. Juli in allen Gesprä¬
chen wider. Berlin ist wirklich, wie irgendwo bemerkt worden, eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180894"/>
            <p xml:id="ID_805"> Dieser Tage starb hier der Anwalt unserer Stadt, der Dr. Voll-<lb/>
mcyer, in Folge eines verschluckten Backhändelknochens! Der<lb/>
Wiener Witz hat dabei seine ganze Kaustik entfaltet. Die Backhän-<lb/>
dclzeit scheint überhaupt sich überlebt zu haben; wir ersticken daran.<lb/>
ndetundw</p><lb/>
            <p xml:id="ID_806"> Wahrend Friedrich Rohmer in Berlin sich befi , ie man<lb/>
liest, bei der Redaction der Staatszeitung betheiligt werden soll, be¬<lb/>
findet sich Theodor Rohmer hier. Ob er vielleicht seinem Bruder<lb/>
Quartier machen will, im Falle die Berliner Unterhandlungen sich<lb/>
zerschlagen sollten? Der österreichische Beobachter ist keine Staatszeitung.<lb/>
Devrientunerörtbril¬</p><lb/>
            <p xml:id="ID_807"> Im Theater an der Wien macht Emil h<lb/>
lante Geschäfte. Er hat mit dem Director Karl einen Vertrag abge¬<lb/>
schlossen, vermöge dessen er bei jeder neuen Rolle, in der er auftritt,<lb/>
die ersten zwei Abende die Hälfte, und die darauf folgenden ein Dritt-<lb/>
theil der Einnahme erhält. Um -in Beispiel anzuführen, erwähne ich<lb/>
blos, daß das bekannte Stück, der Mulatte, vorige Woche bei den<lb/>
ersten zwei Vorstellungen jedesmal tausend Gulden C.M. Cassa machte<lb/>
und Herr Devrient in zwei Abenden den Gehalt eines höhern k. k.<lb/>
Beamten einstrich. Was ist dagegen die Tantieme eines armen Dich¬<lb/>
ters! &#x2014; Das Burgtheater beginnt am I. August wieder seine Vor¬<lb/>
stellungen. Es verlautet nicht, daß Herr von Holbern auf seiner Reise<lb/>
durch Deutschland große Ausbeute gemacht und neue Gestirne entdeckt<lb/>
habe. Und doch brauchen wir solche, wenn unsere Theaterabende nicht<lb/>
bedeutend in's Dunkle gerathen sollen. Wünschenswert!) wäre es,<lb/>
daß einige Talente, die wir in letzterer Zeit hier gastiren sahen, uns<lb/>
gewonnen würden, namentlich wäre die Erwerbung des Karlsruher<lb/>
Schauspielers Dessoir ein echter Gewinn. Dieser noch ziemlich junge<lb/>
Darsteller besitzt eine Romantik des Spiels, wie wir seit Löwe's frü¬<lb/>
herer Zeit sie nicht gesehen haben. Dieses weiche, volltömge Organ<lb/>
verhilft dem Jambus wieder zu jener poetischen Harmonie, die er in<lb/>
neuerer Zeit fast verloren hat. Dabei ist Spiel und Bewegung in¬<lb/>
nig und graziös gerundet. Ich beobachtete ihn später bei einem Aus¬<lb/>
flüge nach Pesth mit großer Aufmerksamkeit und begreift nicht, wie<lb/>
die Direction des Burgtheaters sich dieses Talent entgehen laßt. &#x2014;<lb/>
&#x2014;&#x2014;</p><lb/>
            <note type="byline"> Rainer. </note><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> III.<lb/>
Aus Berlin.<lb/>
I.</head><lb/>
            <note type="argument"> Thebens und die Berliner. &#x2014; Der Thiergarten «ut die unteren Volksclassen.<lb/>
&#x2014; Nestrou als Agent Schnoferl. &#x2014; Die Vossische Zeitung, Rußland<lb/>
und Rellstab.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_808" next="#ID_809"> Noch immer hallt das Ereigniß vom 26. Juli in allen Gesprä¬<lb/>
chen wider. Berlin ist wirklich, wie irgendwo bemerkt worden, eine</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] Dieser Tage starb hier der Anwalt unserer Stadt, der Dr. Voll- mcyer, in Folge eines verschluckten Backhändelknochens! Der Wiener Witz hat dabei seine ganze Kaustik entfaltet. Die Backhän- dclzeit scheint überhaupt sich überlebt zu haben; wir ersticken daran. ndetundw Wahrend Friedrich Rohmer in Berlin sich befi , ie man liest, bei der Redaction der Staatszeitung betheiligt werden soll, be¬ findet sich Theodor Rohmer hier. Ob er vielleicht seinem Bruder Quartier machen will, im Falle die Berliner Unterhandlungen sich zerschlagen sollten? Der österreichische Beobachter ist keine Staatszeitung. Devrientunerörtbril¬ Im Theater an der Wien macht Emil h lante Geschäfte. Er hat mit dem Director Karl einen Vertrag abge¬ schlossen, vermöge dessen er bei jeder neuen Rolle, in der er auftritt, die ersten zwei Abende die Hälfte, und die darauf folgenden ein Dritt- theil der Einnahme erhält. Um -in Beispiel anzuführen, erwähne ich blos, daß das bekannte Stück, der Mulatte, vorige Woche bei den ersten zwei Vorstellungen jedesmal tausend Gulden C.M. Cassa machte und Herr Devrient in zwei Abenden den Gehalt eines höhern k. k. Beamten einstrich. Was ist dagegen die Tantieme eines armen Dich¬ ters! — Das Burgtheater beginnt am I. August wieder seine Vor¬ stellungen. Es verlautet nicht, daß Herr von Holbern auf seiner Reise durch Deutschland große Ausbeute gemacht und neue Gestirne entdeckt habe. Und doch brauchen wir solche, wenn unsere Theaterabende nicht bedeutend in's Dunkle gerathen sollen. Wünschenswert!) wäre es, daß einige Talente, die wir in letzterer Zeit hier gastiren sahen, uns gewonnen würden, namentlich wäre die Erwerbung des Karlsruher Schauspielers Dessoir ein echter Gewinn. Dieser noch ziemlich junge Darsteller besitzt eine Romantik des Spiels, wie wir seit Löwe's frü¬ herer Zeit sie nicht gesehen haben. Dieses weiche, volltömge Organ verhilft dem Jambus wieder zu jener poetischen Harmonie, die er in neuerer Zeit fast verloren hat. Dabei ist Spiel und Bewegung in¬ nig und graziös gerundet. Ich beobachtete ihn später bei einem Aus¬ flüge nach Pesth mit großer Aufmerksamkeit und begreift nicht, wie die Direction des Burgtheaters sich dieses Talent entgehen laßt. — —— Rainer. III. Aus Berlin. I. Thebens und die Berliner. — Der Thiergarten «ut die unteren Volksclassen. — Nestrou als Agent Schnoferl. — Die Vossische Zeitung, Rußland und Rellstab. Noch immer hallt das Ereigniß vom 26. Juli in allen Gesprä¬ chen wider. Berlin ist wirklich, wie irgendwo bemerkt worden, eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/335>, abgerufen am 22.12.2024.