Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.IV. Notizen. Weitling. -- Russische Grenze. -- Menzel und Pastor Hirzel. -- Karl Weck. -- Fcillmerayer gegen die Griechen. -- Heine. Weitling ist durch die Willkür Bluntschli's, nach Uebcrstehung -- Kaum ist das russisch-preußische Cartcl abgeschlossen, so hört IV. Notizen. Weitling. — Russische Grenze. — Menzel und Pastor Hirzel. — Karl Weck. — Fcillmerayer gegen die Griechen. — Heine. Weitling ist durch die Willkür Bluntschli's, nach Uebcrstehung — Kaum ist das russisch-preußische Cartcl abgeschlossen, so hört <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180854"/> </div> <div n="2"> <head> IV.<lb/> Notizen.</head><lb/> <note type="argument"> Weitling. — Russische Grenze. — Menzel und Pastor Hirzel. — Karl Weck.<lb/> — Fcillmerayer gegen die Griechen. — Heine.</note><lb/> <p xml:id="ID_696"> Weitling ist durch die Willkür Bluntschli's, nach Uebcrstehung<lb/> seiner Haft, nicht einfach aus dem Canton Zürich verwiesen, sondern<lb/> wie ein erst zu bestrafender Verbrecher ausgeliefert worden. Daran<lb/> mag Preußen unschuldig sein, obwohl es sich beeilte, den Bluntschli-<lb/> schcn Liebesdienst zu benutzen. Weitling sollte nun seine Militär¬<lb/> pflicht erfüllen; da er jedoch dazu unfähig befunden wurde, so blieb<lb/> er unter bürgerlicher Gerichtsbarkeit, und man sollte daher meinen, daß<lb/> er wegen der angeblichen Conscriptionsflüchtigkeit — der Untaugliche!<lb/> — ohne Proceß und Verurtheilung nicht bestraft werden könne. Allein<lb/> man hört, daß er seit der Ankunft in Magdeburg eingesperrt gehalten<lb/> wird. — Wir erwarten von dem Rechtsgefühl der „guten Presse",<lb/> daß sie dieses Wort zu Gunsten eines „Communisten", eines „Schnei-<lb/> dergesellen" ohne Weiteres für ein Zeichen verwerflicher Gesinnung<lb/> und communistischer Tendenzen erklären werde. Indessen nicht wir<lb/> sind es, die ein so großes Gewicht aus Weitling legen, sondern der<lb/> mandarincnhafte preußische Beamteneifer, der ein rechtes Fressen an<lb/> dem armen Teufel gesunden zu haben scheint. Man hört sogar, daß<lb/> sie ihn landesverweisen wollten; dagegen protestirte Weitling und be¬<lb/> rief sich auf seine Eigenschaft als Eingeborener; darauf wurde nach<lb/> Berlin geschrieben um fernere Verhaltungsmaßregeln! Ja, es bleibt<lb/> in der That kein Ausweg: Preußen muß seine Stellung als fünfte<lb/> europäische Großmacht bedenken, muß rasch eine Flotte bauen und<lb/> irgend eine ferne wüste Insel erobern, oder es muß England<lb/> eine seiner Straf-Colonien abkaufen, um Weitling deportiren zu<lb/> können.</p><lb/> <p xml:id="ID_697"> — Kaum ist das russisch-preußische Cartcl abgeschlossen, so hört<lb/> man von einer neuen, echt mongolischen Abspcrrungsmaßregel. Die<lb/> russische Regierung will aus ihrem Grenzgebiet von der Ostsee bis<lb/> hinab an das schwarze Meer auf die Breite einer deutschen Meile<lb/> alle Hütten, Hauser und Baume rasiren und so einen künstlichen<lb/> Wüstenqürtel gegen das Ausland herstellen. Diese Vcrkehrserleichtc-<lb/> rung soll nicht etwa der russische Dank für die Erneuerung des Car-<lb/> tcls sein, — der Dank wird noch in ganz andern Dingen bestehen —<lb/> sondern Rußland fühlt, daß es nicht zu Europa gehört, und will<lb/> sich recht wirksam von ihm scheiden. Rußland kennt sich selbst<lb/> besser, als man glaubt und als es merken läßt. Möchte es nur auch<lb/> von den Andern nicht verkannt werden.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0295]
IV.
Notizen.
Weitling. — Russische Grenze. — Menzel und Pastor Hirzel. — Karl Weck.
— Fcillmerayer gegen die Griechen. — Heine.
Weitling ist durch die Willkür Bluntschli's, nach Uebcrstehung
seiner Haft, nicht einfach aus dem Canton Zürich verwiesen, sondern
wie ein erst zu bestrafender Verbrecher ausgeliefert worden. Daran
mag Preußen unschuldig sein, obwohl es sich beeilte, den Bluntschli-
schcn Liebesdienst zu benutzen. Weitling sollte nun seine Militär¬
pflicht erfüllen; da er jedoch dazu unfähig befunden wurde, so blieb
er unter bürgerlicher Gerichtsbarkeit, und man sollte daher meinen, daß
er wegen der angeblichen Conscriptionsflüchtigkeit — der Untaugliche!
— ohne Proceß und Verurtheilung nicht bestraft werden könne. Allein
man hört, daß er seit der Ankunft in Magdeburg eingesperrt gehalten
wird. — Wir erwarten von dem Rechtsgefühl der „guten Presse",
daß sie dieses Wort zu Gunsten eines „Communisten", eines „Schnei-
dergesellen" ohne Weiteres für ein Zeichen verwerflicher Gesinnung
und communistischer Tendenzen erklären werde. Indessen nicht wir
sind es, die ein so großes Gewicht aus Weitling legen, sondern der
mandarincnhafte preußische Beamteneifer, der ein rechtes Fressen an
dem armen Teufel gesunden zu haben scheint. Man hört sogar, daß
sie ihn landesverweisen wollten; dagegen protestirte Weitling und be¬
rief sich auf seine Eigenschaft als Eingeborener; darauf wurde nach
Berlin geschrieben um fernere Verhaltungsmaßregeln! Ja, es bleibt
in der That kein Ausweg: Preußen muß seine Stellung als fünfte
europäische Großmacht bedenken, muß rasch eine Flotte bauen und
irgend eine ferne wüste Insel erobern, oder es muß England
eine seiner Straf-Colonien abkaufen, um Weitling deportiren zu
können.
— Kaum ist das russisch-preußische Cartcl abgeschlossen, so hört
man von einer neuen, echt mongolischen Abspcrrungsmaßregel. Die
russische Regierung will aus ihrem Grenzgebiet von der Ostsee bis
hinab an das schwarze Meer auf die Breite einer deutschen Meile
alle Hütten, Hauser und Baume rasiren und so einen künstlichen
Wüstenqürtel gegen das Ausland herstellen. Diese Vcrkehrserleichtc-
rung soll nicht etwa der russische Dank für die Erneuerung des Car-
tcls sein, — der Dank wird noch in ganz andern Dingen bestehen —
sondern Rußland fühlt, daß es nicht zu Europa gehört, und will
sich recht wirksam von ihm scheiden. Rußland kennt sich selbst
besser, als man glaubt und als es merken läßt. Möchte es nur auch
von den Andern nicht verkannt werden.
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