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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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zu empfehlen. Robler beeilt sich, dem Wunsche des jungen Mannes
zu entsprechen; Taylor empfängt ihn mit allem möglichen Wohlwol¬
len, hört sein Trauerspiel an, führt ihn vor das Lesecomitv, und das
Stück wird ohne Opposition angenommen. Es ist wahr, daß man
es nicht gleich am andern Tage spielt; wahr, daß seine Bemühun¬
gen, die Aufführung des Stückes zu betreiben, ihn in seinen Amts¬
pflichten hindern, und daß seine unzufriedenen Obern am Ende des
Jahres den ihm gewährten Zuschuß wieder entziehen. Dumas stellt
dieses Verfahren als abscheulich dar ; aber man wird zugeben müssen,
daß diese Beamten nicht verbunden waren, sein Talent zu ehren, und
daß sie nicht einen Dramaturgen, sondern einen fleißigen Arbeiter im
Bureau bedurften. Sei dem, wie ihm wolle, Dumas, als er sieht,
daß sich die Darstellung seiner Christine in die Länge zieht, entschließt
sich, Henri III. zu schreiben. Kaum ist das Stück eingereicht, so
wird es auch schon aufgeführt; der Herzog von Orleans miethet die
ganze erste Galerie, und in Begleitung eines ganzen Bataillons von
Prinzen, Prinzessinnen, Herzogen, Herzoginnen, Gesandten und Ge¬
neralen kommt er in's Theater, um selbst eine aristokratische Claque
zu Gunsten seines Secretärs zu organisiren. Am andern Morgen
sieht sich der bis dahin unbekannte Jüngling plötzlich in einen großen
Mann, in ein unsterbliches Genie verwandelt; Corneille und Racine
sinken vor ihm in den Schatten zurück. Henri III. bringt seinem Verfasser
dreißig tausend Francs ein. Von ganz Paris fetirt, fctirt Alexander
Dumas seinerseits ganz Paris wieder. Wie geblendet von dem plötz¬
lichen Uebergang aus der Dunkelheit, von hundert fünfundzwanzig
Francs monatlich zu dreißigtausend Francs, stürzt er sich in den aus¬
schweifendsten Lurus; er trägt phantastische, prachtvolle Kleider, gibt
sardanapalischc Diners, reitet eine große Menge Pferde zu Tode und
liebt eine große Menge Frauen.

Bis Hieher ist es unmöglich, in Alexander Dumas einen von
dem Schicksal grausam mißhandelten Menschen zu sehen.

Untersucht man aber das Werk, dem er seine Berühmtheit zu
verdanken hat, so wird man bald erkennen, daß Henri III. von weit
geringerem Werthe ist, als mehrere andere Werke desselben Autors,
und daß sein Hauptverdienst darin besteht, das erste seiner Art zu
sein. Die Intrigue ist schwach und von schlechter Verwicklung. Saint-
Megnn und die Herzogin von Guise lieben sich ohne Muth, es sich zu


zu empfehlen. Robler beeilt sich, dem Wunsche des jungen Mannes
zu entsprechen; Taylor empfängt ihn mit allem möglichen Wohlwol¬
len, hört sein Trauerspiel an, führt ihn vor das Lesecomitv, und das
Stück wird ohne Opposition angenommen. Es ist wahr, daß man
es nicht gleich am andern Tage spielt; wahr, daß seine Bemühun¬
gen, die Aufführung des Stückes zu betreiben, ihn in seinen Amts¬
pflichten hindern, und daß seine unzufriedenen Obern am Ende des
Jahres den ihm gewährten Zuschuß wieder entziehen. Dumas stellt
dieses Verfahren als abscheulich dar ; aber man wird zugeben müssen,
daß diese Beamten nicht verbunden waren, sein Talent zu ehren, und
daß sie nicht einen Dramaturgen, sondern einen fleißigen Arbeiter im
Bureau bedurften. Sei dem, wie ihm wolle, Dumas, als er sieht,
daß sich die Darstellung seiner Christine in die Länge zieht, entschließt
sich, Henri III. zu schreiben. Kaum ist das Stück eingereicht, so
wird es auch schon aufgeführt; der Herzog von Orleans miethet die
ganze erste Galerie, und in Begleitung eines ganzen Bataillons von
Prinzen, Prinzessinnen, Herzogen, Herzoginnen, Gesandten und Ge¬
neralen kommt er in's Theater, um selbst eine aristokratische Claque
zu Gunsten seines Secretärs zu organisiren. Am andern Morgen
sieht sich der bis dahin unbekannte Jüngling plötzlich in einen großen
Mann, in ein unsterbliches Genie verwandelt; Corneille und Racine
sinken vor ihm in den Schatten zurück. Henri III. bringt seinem Verfasser
dreißig tausend Francs ein. Von ganz Paris fetirt, fctirt Alexander
Dumas seinerseits ganz Paris wieder. Wie geblendet von dem plötz¬
lichen Uebergang aus der Dunkelheit, von hundert fünfundzwanzig
Francs monatlich zu dreißigtausend Francs, stürzt er sich in den aus¬
schweifendsten Lurus; er trägt phantastische, prachtvolle Kleider, gibt
sardanapalischc Diners, reitet eine große Menge Pferde zu Tode und
liebt eine große Menge Frauen.

Bis Hieher ist es unmöglich, in Alexander Dumas einen von
dem Schicksal grausam mißhandelten Menschen zu sehen.

Untersucht man aber das Werk, dem er seine Berühmtheit zu
verdanken hat, so wird man bald erkennen, daß Henri III. von weit
geringerem Werthe ist, als mehrere andere Werke desselben Autors,
und daß sein Hauptverdienst darin besteht, das erste seiner Art zu
sein. Die Intrigue ist schwach und von schlechter Verwicklung. Saint-
Megnn und die Herzogin von Guise lieben sich ohne Muth, es sich zu


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[0282] zu empfehlen. Robler beeilt sich, dem Wunsche des jungen Mannes zu entsprechen; Taylor empfängt ihn mit allem möglichen Wohlwol¬ len, hört sein Trauerspiel an, führt ihn vor das Lesecomitv, und das Stück wird ohne Opposition angenommen. Es ist wahr, daß man es nicht gleich am andern Tage spielt; wahr, daß seine Bemühun¬ gen, die Aufführung des Stückes zu betreiben, ihn in seinen Amts¬ pflichten hindern, und daß seine unzufriedenen Obern am Ende des Jahres den ihm gewährten Zuschuß wieder entziehen. Dumas stellt dieses Verfahren als abscheulich dar ; aber man wird zugeben müssen, daß diese Beamten nicht verbunden waren, sein Talent zu ehren, und daß sie nicht einen Dramaturgen, sondern einen fleißigen Arbeiter im Bureau bedurften. Sei dem, wie ihm wolle, Dumas, als er sieht, daß sich die Darstellung seiner Christine in die Länge zieht, entschließt sich, Henri III. zu schreiben. Kaum ist das Stück eingereicht, so wird es auch schon aufgeführt; der Herzog von Orleans miethet die ganze erste Galerie, und in Begleitung eines ganzen Bataillons von Prinzen, Prinzessinnen, Herzogen, Herzoginnen, Gesandten und Ge¬ neralen kommt er in's Theater, um selbst eine aristokratische Claque zu Gunsten seines Secretärs zu organisiren. Am andern Morgen sieht sich der bis dahin unbekannte Jüngling plötzlich in einen großen Mann, in ein unsterbliches Genie verwandelt; Corneille und Racine sinken vor ihm in den Schatten zurück. Henri III. bringt seinem Verfasser dreißig tausend Francs ein. Von ganz Paris fetirt, fctirt Alexander Dumas seinerseits ganz Paris wieder. Wie geblendet von dem plötz¬ lichen Uebergang aus der Dunkelheit, von hundert fünfundzwanzig Francs monatlich zu dreißigtausend Francs, stürzt er sich in den aus¬ schweifendsten Lurus; er trägt phantastische, prachtvolle Kleider, gibt sardanapalischc Diners, reitet eine große Menge Pferde zu Tode und liebt eine große Menge Frauen. Bis Hieher ist es unmöglich, in Alexander Dumas einen von dem Schicksal grausam mißhandelten Menschen zu sehen. Untersucht man aber das Werk, dem er seine Berühmtheit zu verdanken hat, so wird man bald erkennen, daß Henri III. von weit geringerem Werthe ist, als mehrere andere Werke desselben Autors, und daß sein Hauptverdienst darin besteht, das erste seiner Art zu sein. Die Intrigue ist schwach und von schlechter Verwicklung. Saint- Megnn und die Herzogin von Guise lieben sich ohne Muth, es sich zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/282>, abgerufen am 23.07.2024.