Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Don Herr aber folgte noch zuvor dem Fürsten Thomas in sein Ca-
binet, wo anfangs über die nicht mehr aufzuschiebende Reise der Für¬
stin nach Rußland ein Breites hin und her gesprochen wurde, bis
endlich der Minister auch noch die Gelegenheit wahrnahm, hinsichtlich
Lorenzo's Liebe ein günstiges Wort einfließen zu lassen. Doch blieb
dies, wie jedes frühere, vergebens; ja, der Fürst wies die brüderliche
Vermittelung in einer Weise zurück, daß, wäre nicht Don Heri von
jeher an Nachgeben gewöhnt gewesen, unfehlbar eine Entzweiung
Beider hätte folgen müssen. -- Mein Sohn ist majorenn, war des
Fürsten letztes Wort, er kann Heimchen, wen er will, auch ohne meine
Einwilligung; nur auf meine Unterstützung darf er alsdann auch nicht
in" Entferntesten rechnen. Und nun verschone man mich mit ferneren
Einmischungen. In der That aber war er das seltsamste Gemisch.
Auf der einen Seite eigensinnige Vornehmheit, die sich, wie Don
Ranudo de Colibrados, ohne den Anforderungen der Gegenwart
auch nur das mindeste Zugeständniß zu machen, an die gute alte
Zeit der Adelsaristokratie lehnte, während doch aus der anderen dem
modernen Götzen Geld der größte Weihrauch gestreut wurde. Freilich
bildete er sich und Anderen ein, Letzteres nur als Relief des Glan¬
zes seines Hauses zu lieben, aber beim Lichte besehen, hätte doch die
Zärtlichkeit für den Mammon wohl noch die zu den Ahnen überwo¬
gen. In jedem Conflict wenigstens zeigte sie sich bis jetzt siegreich und
spielte so Demjenigen, der die ganze vergangene Standesherrlichkeit in
sich zu repräsentiren wähnte, mit ihrer Herrschaft einen rechten Possen.

Als die Fürstin nach dem anstrengenden Tage endlich sich allein
fand, die lästige Toilette abwerfen und ihrer Bequemlichkeit leben
konnte, hätte sie sich, für den Augenblick wenigstens, glücklich gefühlt,
wenn nicht die Liebesgeschichte Thomasino's mit Elisa Seltikow ihr
noch schwerer als die lästige Kleiderpracht auf dem Herzen gelegen.
Es war dies die Zeit, in welcher sie vor dem Schlafengehen immer
noch eine Stunde mit dem jungen Mädchen verplauderte, oder sich
von ihr vorlesen ließ, und ehe sie noch mit sich einig war. ob sie
heute nicht lieber diese Gewohnheit umgehen sollte, öffnete sich schon
die Thüre und mit der Frage: darf ich? stand die sonst immer so
sehr Willkommene auf der Schwelle. Nun war die von beiden Sei¬
ten gefürchtete Unterredung nicht mehr zu vermeiden. Seufzend trock¬
nete sich die Fürstin die immer noch perlende Stirne, trotzdem daß sie


Don Herr aber folgte noch zuvor dem Fürsten Thomas in sein Ca-
binet, wo anfangs über die nicht mehr aufzuschiebende Reise der Für¬
stin nach Rußland ein Breites hin und her gesprochen wurde, bis
endlich der Minister auch noch die Gelegenheit wahrnahm, hinsichtlich
Lorenzo's Liebe ein günstiges Wort einfließen zu lassen. Doch blieb
dies, wie jedes frühere, vergebens; ja, der Fürst wies die brüderliche
Vermittelung in einer Weise zurück, daß, wäre nicht Don Heri von
jeher an Nachgeben gewöhnt gewesen, unfehlbar eine Entzweiung
Beider hätte folgen müssen. — Mein Sohn ist majorenn, war des
Fürsten letztes Wort, er kann Heimchen, wen er will, auch ohne meine
Einwilligung; nur auf meine Unterstützung darf er alsdann auch nicht
in« Entferntesten rechnen. Und nun verschone man mich mit ferneren
Einmischungen. In der That aber war er das seltsamste Gemisch.
Auf der einen Seite eigensinnige Vornehmheit, die sich, wie Don
Ranudo de Colibrados, ohne den Anforderungen der Gegenwart
auch nur das mindeste Zugeständniß zu machen, an die gute alte
Zeit der Adelsaristokratie lehnte, während doch aus der anderen dem
modernen Götzen Geld der größte Weihrauch gestreut wurde. Freilich
bildete er sich und Anderen ein, Letzteres nur als Relief des Glan¬
zes seines Hauses zu lieben, aber beim Lichte besehen, hätte doch die
Zärtlichkeit für den Mammon wohl noch die zu den Ahnen überwo¬
gen. In jedem Conflict wenigstens zeigte sie sich bis jetzt siegreich und
spielte so Demjenigen, der die ganze vergangene Standesherrlichkeit in
sich zu repräsentiren wähnte, mit ihrer Herrschaft einen rechten Possen.

Als die Fürstin nach dem anstrengenden Tage endlich sich allein
fand, die lästige Toilette abwerfen und ihrer Bequemlichkeit leben
konnte, hätte sie sich, für den Augenblick wenigstens, glücklich gefühlt,
wenn nicht die Liebesgeschichte Thomasino's mit Elisa Seltikow ihr
noch schwerer als die lästige Kleiderpracht auf dem Herzen gelegen.
Es war dies die Zeit, in welcher sie vor dem Schlafengehen immer
noch eine Stunde mit dem jungen Mädchen verplauderte, oder sich
von ihr vorlesen ließ, und ehe sie noch mit sich einig war. ob sie
heute nicht lieber diese Gewohnheit umgehen sollte, öffnete sich schon
die Thüre und mit der Frage: darf ich? stand die sonst immer so
sehr Willkommene auf der Schwelle. Nun war die von beiden Sei¬
ten gefürchtete Unterredung nicht mehr zu vermeiden. Seufzend trock¬
nete sich die Fürstin die immer noch perlende Stirne, trotzdem daß sie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180819"/>
              <p xml:id="ID_600" prev="#ID_599"> Don Herr aber folgte noch zuvor dem Fürsten Thomas in sein Ca-<lb/>
binet, wo anfangs über die nicht mehr aufzuschiebende Reise der Für¬<lb/>
stin nach Rußland ein Breites hin und her gesprochen wurde, bis<lb/>
endlich der Minister auch noch die Gelegenheit wahrnahm, hinsichtlich<lb/>
Lorenzo's Liebe ein günstiges Wort einfließen zu lassen. Doch blieb<lb/>
dies, wie jedes frühere, vergebens; ja, der Fürst wies die brüderliche<lb/>
Vermittelung in einer Weise zurück, daß, wäre nicht Don Heri von<lb/>
jeher an Nachgeben gewöhnt gewesen, unfehlbar eine Entzweiung<lb/>
Beider hätte folgen müssen. &#x2014; Mein Sohn ist majorenn, war des<lb/>
Fürsten letztes Wort, er kann Heimchen, wen er will, auch ohne meine<lb/>
Einwilligung; nur auf meine Unterstützung darf er alsdann auch nicht<lb/>
in« Entferntesten rechnen. Und nun verschone man mich mit ferneren<lb/>
Einmischungen. In der That aber war er das seltsamste Gemisch.<lb/>
Auf der einen Seite eigensinnige Vornehmheit, die sich, wie Don<lb/>
Ranudo de Colibrados, ohne den Anforderungen der Gegenwart<lb/>
auch nur das mindeste Zugeständniß zu machen, an die gute alte<lb/>
Zeit der Adelsaristokratie lehnte, während doch aus der anderen dem<lb/>
modernen Götzen Geld der größte Weihrauch gestreut wurde. Freilich<lb/>
bildete er sich und Anderen ein, Letzteres nur als Relief des Glan¬<lb/>
zes seines Hauses zu lieben, aber beim Lichte besehen, hätte doch die<lb/>
Zärtlichkeit für den Mammon wohl noch die zu den Ahnen überwo¬<lb/>
gen. In jedem Conflict wenigstens zeigte sie sich bis jetzt siegreich und<lb/>
spielte so Demjenigen, der die ganze vergangene Standesherrlichkeit in<lb/>
sich zu repräsentiren wähnte, mit ihrer Herrschaft einen rechten Possen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_601" next="#ID_602"> Als die Fürstin nach dem anstrengenden Tage endlich sich allein<lb/>
fand, die lästige Toilette abwerfen und ihrer Bequemlichkeit leben<lb/>
konnte, hätte sie sich, für den Augenblick wenigstens, glücklich gefühlt,<lb/>
wenn nicht die Liebesgeschichte Thomasino's mit Elisa Seltikow ihr<lb/>
noch schwerer als die lästige Kleiderpracht auf dem Herzen gelegen.<lb/>
Es war dies die Zeit, in welcher sie vor dem Schlafengehen immer<lb/>
noch eine Stunde mit dem jungen Mädchen verplauderte, oder sich<lb/>
von ihr vorlesen ließ, und ehe sie noch mit sich einig war. ob sie<lb/>
heute nicht lieber diese Gewohnheit umgehen sollte, öffnete sich schon<lb/>
die Thüre und mit der Frage: darf ich? stand die sonst immer so<lb/>
sehr Willkommene auf der Schwelle. Nun war die von beiden Sei¬<lb/>
ten gefürchtete Unterredung nicht mehr zu vermeiden. Seufzend trock¬<lb/>
nete sich die Fürstin die immer noch perlende Stirne, trotzdem daß sie</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0260] Don Herr aber folgte noch zuvor dem Fürsten Thomas in sein Ca- binet, wo anfangs über die nicht mehr aufzuschiebende Reise der Für¬ stin nach Rußland ein Breites hin und her gesprochen wurde, bis endlich der Minister auch noch die Gelegenheit wahrnahm, hinsichtlich Lorenzo's Liebe ein günstiges Wort einfließen zu lassen. Doch blieb dies, wie jedes frühere, vergebens; ja, der Fürst wies die brüderliche Vermittelung in einer Weise zurück, daß, wäre nicht Don Heri von jeher an Nachgeben gewöhnt gewesen, unfehlbar eine Entzweiung Beider hätte folgen müssen. — Mein Sohn ist majorenn, war des Fürsten letztes Wort, er kann Heimchen, wen er will, auch ohne meine Einwilligung; nur auf meine Unterstützung darf er alsdann auch nicht in« Entferntesten rechnen. Und nun verschone man mich mit ferneren Einmischungen. In der That aber war er das seltsamste Gemisch. Auf der einen Seite eigensinnige Vornehmheit, die sich, wie Don Ranudo de Colibrados, ohne den Anforderungen der Gegenwart auch nur das mindeste Zugeständniß zu machen, an die gute alte Zeit der Adelsaristokratie lehnte, während doch aus der anderen dem modernen Götzen Geld der größte Weihrauch gestreut wurde. Freilich bildete er sich und Anderen ein, Letzteres nur als Relief des Glan¬ zes seines Hauses zu lieben, aber beim Lichte besehen, hätte doch die Zärtlichkeit für den Mammon wohl noch die zu den Ahnen überwo¬ gen. In jedem Conflict wenigstens zeigte sie sich bis jetzt siegreich und spielte so Demjenigen, der die ganze vergangene Standesherrlichkeit in sich zu repräsentiren wähnte, mit ihrer Herrschaft einen rechten Possen. Als die Fürstin nach dem anstrengenden Tage endlich sich allein fand, die lästige Toilette abwerfen und ihrer Bequemlichkeit leben konnte, hätte sie sich, für den Augenblick wenigstens, glücklich gefühlt, wenn nicht die Liebesgeschichte Thomasino's mit Elisa Seltikow ihr noch schwerer als die lästige Kleiderpracht auf dem Herzen gelegen. Es war dies die Zeit, in welcher sie vor dem Schlafengehen immer noch eine Stunde mit dem jungen Mädchen verplauderte, oder sich von ihr vorlesen ließ, und ehe sie noch mit sich einig war. ob sie heute nicht lieber diese Gewohnheit umgehen sollte, öffnete sich schon die Thüre und mit der Frage: darf ich? stand die sonst immer so sehr Willkommene auf der Schwelle. Nun war die von beiden Sei¬ ten gefürchtete Unterredung nicht mehr zu vermeiden. Seufzend trock¬ nete sich die Fürstin die immer noch perlende Stirne, trotzdem daß sie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/260
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/260>, abgerufen am 23.07.2024.