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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Gouvernementsspione gibt, die unter so reizender Maske durch die
Welt ziehen? nun, so erfahre es und laß Dich in keine Politica mit
ihr ein. Der junge Mann verbeugte sich lächelnd, während sein
Blick an Clise Seltikow vorüberstreifte, die sich mit der holden Ma-
rianna zusammengefunden und in ein trauliches Gespräch vertieft
hatte.

Indem trat die Fürstin Martini herzu, -- Don Heri, auf ein
Wort!

-- Mit Vergnügen! und Beide traten in eine Fensternische.

-- Hat Ihnen der Fürst schon gesagt, wie dringend sich die
Sachen wegen Rußland gestalten? -- Ich weiß von Nichts. -- Nun,
so hören Sie denn: Ich' werde hin müssen und zwar so bald als
möglich. Der Kaiser hat die Gesetze geschärft; bei Strafe der Güter-
Confiscation alle fünf Jahre eine Anwesenheit im Vaterlande! --
Das ist schlimm für Sie und für uns Alle! entgegnete Don Heri,
das Haupt wiegend, aber freilich, mußten sich doch sogar die Demi-
doff der Maßregel unterwerfen, obgleich sie mit dem Selbstherrscher
nahe verwandt. -- Uebrigens ohne männlichen Schutz keines Falls.
-- Ich dächte, Don Thomaso begleitete Sie, Fürstin! -- Thomaso?
nein, nein, das geht nicht, eher noch Lorenzino. -- Wie schön und
gut Marianna Ricci heute wieder ist. Haben Sie noch nichts Neues
ersonnen, Don Heri, um den Fürsten unseren Wünschen geneigt zu
machen? Ich fürchte, er steht wie ein Fels im Meer, doch soll noch
ein Mal versucht werden, ihn zu erweichen.

Neu Herzutretende machten eine Fortsetzung des Gesprächs für jetzt
unmöglich. Im Saale nebenan erscholl eine prachtvolle Concertmusik,
eine neue Komposition des Fürsten Poniatowsky, die er selbst diri-
girte. Alle Glieder dieser Familie sind mehr oder minder musikalisch,
ausgezeichnet im Gesang, und führen selbst öffentlich Opern auf, ein
Schauspiel, das in dieser Art auch noch nicht da gewesen. Die Re¬
denden verwandelten sich darauf in Hörende. Zwischen den schönen
Frauen und ihren Anbetern flogen jetzt mehr glühende Blicke als
Worte hin und her, und selbst das schüchterne Freundinnen-Paar,
Marianna Ricci und Cusa Seltikow, wagten es, von den harmoni¬
schen Tönen erregt, mit denjenigen, die ihr Herz besaßen, in der nur
für sie leserlichen Augensprache zu verkehren.

Sobald das Concert beendet war, entfernten sich die Gäste.


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Gouvernementsspione gibt, die unter so reizender Maske durch die
Welt ziehen? nun, so erfahre es und laß Dich in keine Politica mit
ihr ein. Der junge Mann verbeugte sich lächelnd, während sein
Blick an Clise Seltikow vorüberstreifte, die sich mit der holden Ma-
rianna zusammengefunden und in ein trauliches Gespräch vertieft
hatte.

Indem trat die Fürstin Martini herzu, — Don Heri, auf ein
Wort!

— Mit Vergnügen! und Beide traten in eine Fensternische.

— Hat Ihnen der Fürst schon gesagt, wie dringend sich die
Sachen wegen Rußland gestalten? — Ich weiß von Nichts. — Nun,
so hören Sie denn: Ich' werde hin müssen und zwar so bald als
möglich. Der Kaiser hat die Gesetze geschärft; bei Strafe der Güter-
Confiscation alle fünf Jahre eine Anwesenheit im Vaterlande! —
Das ist schlimm für Sie und für uns Alle! entgegnete Don Heri,
das Haupt wiegend, aber freilich, mußten sich doch sogar die Demi-
doff der Maßregel unterwerfen, obgleich sie mit dem Selbstherrscher
nahe verwandt. — Uebrigens ohne männlichen Schutz keines Falls.
— Ich dächte, Don Thomaso begleitete Sie, Fürstin! — Thomaso?
nein, nein, das geht nicht, eher noch Lorenzino. — Wie schön und
gut Marianna Ricci heute wieder ist. Haben Sie noch nichts Neues
ersonnen, Don Heri, um den Fürsten unseren Wünschen geneigt zu
machen? Ich fürchte, er steht wie ein Fels im Meer, doch soll noch
ein Mal versucht werden, ihn zu erweichen.

Neu Herzutretende machten eine Fortsetzung des Gesprächs für jetzt
unmöglich. Im Saale nebenan erscholl eine prachtvolle Concertmusik,
eine neue Komposition des Fürsten Poniatowsky, die er selbst diri-
girte. Alle Glieder dieser Familie sind mehr oder minder musikalisch,
ausgezeichnet im Gesang, und führen selbst öffentlich Opern auf, ein
Schauspiel, das in dieser Art auch noch nicht da gewesen. Die Re¬
denden verwandelten sich darauf in Hörende. Zwischen den schönen
Frauen und ihren Anbetern flogen jetzt mehr glühende Blicke als
Worte hin und her, und selbst das schüchterne Freundinnen-Paar,
Marianna Ricci und Cusa Seltikow, wagten es, von den harmoni¬
schen Tönen erregt, mit denjenigen, die ihr Herz besaßen, in der nur
für sie leserlichen Augensprache zu verkehren.

Sobald das Concert beendet war, entfernten sich die Gäste.


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[0259] Gouvernementsspione gibt, die unter so reizender Maske durch die Welt ziehen? nun, so erfahre es und laß Dich in keine Politica mit ihr ein. Der junge Mann verbeugte sich lächelnd, während sein Blick an Clise Seltikow vorüberstreifte, die sich mit der holden Ma- rianna zusammengefunden und in ein trauliches Gespräch vertieft hatte. Indem trat die Fürstin Martini herzu, — Don Heri, auf ein Wort! — Mit Vergnügen! und Beide traten in eine Fensternische. — Hat Ihnen der Fürst schon gesagt, wie dringend sich die Sachen wegen Rußland gestalten? — Ich weiß von Nichts. — Nun, so hören Sie denn: Ich' werde hin müssen und zwar so bald als möglich. Der Kaiser hat die Gesetze geschärft; bei Strafe der Güter- Confiscation alle fünf Jahre eine Anwesenheit im Vaterlande! — Das ist schlimm für Sie und für uns Alle! entgegnete Don Heri, das Haupt wiegend, aber freilich, mußten sich doch sogar die Demi- doff der Maßregel unterwerfen, obgleich sie mit dem Selbstherrscher nahe verwandt. — Uebrigens ohne männlichen Schutz keines Falls. — Ich dächte, Don Thomaso begleitete Sie, Fürstin! — Thomaso? nein, nein, das geht nicht, eher noch Lorenzino. — Wie schön und gut Marianna Ricci heute wieder ist. Haben Sie noch nichts Neues ersonnen, Don Heri, um den Fürsten unseren Wünschen geneigt zu machen? Ich fürchte, er steht wie ein Fels im Meer, doch soll noch ein Mal versucht werden, ihn zu erweichen. Neu Herzutretende machten eine Fortsetzung des Gesprächs für jetzt unmöglich. Im Saale nebenan erscholl eine prachtvolle Concertmusik, eine neue Komposition des Fürsten Poniatowsky, die er selbst diri- girte. Alle Glieder dieser Familie sind mehr oder minder musikalisch, ausgezeichnet im Gesang, und führen selbst öffentlich Opern auf, ein Schauspiel, das in dieser Art auch noch nicht da gewesen. Die Re¬ denden verwandelten sich darauf in Hörende. Zwischen den schönen Frauen und ihren Anbetern flogen jetzt mehr glühende Blicke als Worte hin und her, und selbst das schüchterne Freundinnen-Paar, Marianna Ricci und Cusa Seltikow, wagten es, von den harmoni¬ schen Tönen erregt, mit denjenigen, die ihr Herz besaßen, in der nur für sie leserlichen Augensprache zu verkehren. Sobald das Concert beendet war, entfernten sich die Gäste. 32-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/259>, abgerufen am 23.07.2024.