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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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manu bei seiner Nachhausekunft wieder wie ein Vieh gegen ihn
wüthete, sagte derselbe zu seinem Schlafkameraden, nämlich zum
Fourierschützen, er könne es nicht mehr aushalten, und er wisse nicht,
was er anstellen solle, um von dieser Anstellung mit Ehren los
zu kommen? "Mit Ehren? -- sagte der Fourierschütz, -- mit Prü¬
geln können Sie wohl davon kommen, oder Sie schlagen den Haupt¬
mann todt."

Nicht lange nach diesem Colloquium fand man den Hauptmann
auf der Stiege, welche zu seinem Quartier führte, erschlagen, uno
eine Holzart neben ihm. Der Kanonier und der Fourierschütze lagen
im tiefen Schlafe, als diese Mordthat entdeckt wurde. Sie wurden
beide in Haft genommen, aber der Kanonier, dessen Unschuld Nie¬
mand bezweifelte, ja sogar von seinen Offiziers verbürgt wurde,
ward nach kurzer Zeit aus Mangel an Beweisen lib inktmitiit ab-
solvirt, diente wie früher mit seiner gewöhnlichen Accuratesse sort
und erwartete seinen Abschied. Der Fourierschütz, der durch die no¬
torische Mißhandlung, die er von seinem seligen Herrn zu erdulden
gehabt, viele Motive zur Rache hatte, und durch den Rath, den er
dem Kanonier ertheilte, nämlich den Hauptmann todtzuschlagen,
aufs Höchste prägravirt war, wurde im Arrest fortbehalten. Nach
einem Jahre beiläufig langte der Abschied für den Kanonier Klein
vom Regiments-Commando bei der Compagnie an. Klein wurde
zum Rapport bestellt. Der Nachfolger des erschlagenen Hauptmanns
setzte Klein hiervon in Kenntniß, wollte ihn aber überreden, noch
ferner zu dienen und sich gegen Beförderung zu reengagiren. Zu
höchster Verwunderung aller beim Rapport Anwesenden kniet
Klein nieder und sagt: "Ich habe den seligen Herrn Hauptmann
erschlagen und sehe beständig sein Gesicht vor meinen Augen. Ich
will sterben!" Alle wünschten, es wäre ein Anfall von Wahnsinn
gewesen; allein die Unschuld des noch immer im Arrest schmachten¬
den Fourierschützen und das folternde Gewissen hießen Klein eine That
gestehen, welche jeder redliche Mann aus Sittlichkeitsgefühl nicht billi¬
gen konnte, aber nur wegen des Thäters, nicht wegen des Erschla¬
genen, ungeschehen wünschte. Das Resultat dieser Katastrophe
war, daß man bei dem gewaltsamen Tode Neuwällers sagte: "Gott
sei Lob und Dank, daß dieses Vieh todt ist," und daß man bei dem


manu bei seiner Nachhausekunft wieder wie ein Vieh gegen ihn
wüthete, sagte derselbe zu seinem Schlafkameraden, nämlich zum
Fourierschützen, er könne es nicht mehr aushalten, und er wisse nicht,
was er anstellen solle, um von dieser Anstellung mit Ehren los
zu kommen? „Mit Ehren? — sagte der Fourierschütz, — mit Prü¬
geln können Sie wohl davon kommen, oder Sie schlagen den Haupt¬
mann todt."

Nicht lange nach diesem Colloquium fand man den Hauptmann
auf der Stiege, welche zu seinem Quartier führte, erschlagen, uno
eine Holzart neben ihm. Der Kanonier und der Fourierschütze lagen
im tiefen Schlafe, als diese Mordthat entdeckt wurde. Sie wurden
beide in Haft genommen, aber der Kanonier, dessen Unschuld Nie¬
mand bezweifelte, ja sogar von seinen Offiziers verbürgt wurde,
ward nach kurzer Zeit aus Mangel an Beweisen lib inktmitiit ab-
solvirt, diente wie früher mit seiner gewöhnlichen Accuratesse sort
und erwartete seinen Abschied. Der Fourierschütz, der durch die no¬
torische Mißhandlung, die er von seinem seligen Herrn zu erdulden
gehabt, viele Motive zur Rache hatte, und durch den Rath, den er
dem Kanonier ertheilte, nämlich den Hauptmann todtzuschlagen,
aufs Höchste prägravirt war, wurde im Arrest fortbehalten. Nach
einem Jahre beiläufig langte der Abschied für den Kanonier Klein
vom Regiments-Commando bei der Compagnie an. Klein wurde
zum Rapport bestellt. Der Nachfolger des erschlagenen Hauptmanns
setzte Klein hiervon in Kenntniß, wollte ihn aber überreden, noch
ferner zu dienen und sich gegen Beförderung zu reengagiren. Zu
höchster Verwunderung aller beim Rapport Anwesenden kniet
Klein nieder und sagt: „Ich habe den seligen Herrn Hauptmann
erschlagen und sehe beständig sein Gesicht vor meinen Augen. Ich
will sterben!" Alle wünschten, es wäre ein Anfall von Wahnsinn
gewesen; allein die Unschuld des noch immer im Arrest schmachten¬
den Fourierschützen und das folternde Gewissen hießen Klein eine That
gestehen, welche jeder redliche Mann aus Sittlichkeitsgefühl nicht billi¬
gen konnte, aber nur wegen des Thäters, nicht wegen des Erschla¬
genen, ungeschehen wünschte. Das Resultat dieser Katastrophe
war, daß man bei dem gewaltsamen Tode Neuwällers sagte: „Gott
sei Lob und Dank, daß dieses Vieh todt ist," und daß man bei dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/212>, abgerufen am 23.12.2024.